"Es muss krosser sein"

Von Lina Wiemer · 18.11.2011
Anspruchsvolle Vokalmusik – dafür steht das John Sheppard Ensemble aus Freiburg. Unter der Leitung des Dirigenten Johannes Tolle hat sich der Chor in der Region einen Namen gemacht. Konzerte führen ihn auch in die Schweiz und nach Frankreich.
Donnerstagabend in einer Waldorfschule im Freiburger Stadtteil St. Georgen: In einem hohen mit Holz getäfelten Raum in warmen Orange- und Gelbtönen stehen die Chormitglieder des John Sheppard Ensemble in zwei Reihen hintereinander. Für die Probe wurde extra der Raum mit der Yogagruppe getauscht. Die Akustik sei hier besser, erzählt Chormitglied Elke, die seit über zehn Jahren im John Sheppard Ensemble den Sopran singt:

"Die Leute kommen zum Teil von weit her, weil sie in diesem Chor mitsingen wollen. Also ich komm von nicht so weit her. Ich komm aus Gundelfingen, das ist ein Vorort von Freiburg, aber es kommen auch einige Leute aus Basel, es kommt einer aus Potsdam extra der früher hier gewohnt hat, jetzt ungezogen ist und weiterhin uns unterstützt."

Florian kommt seit zweieinhalb Jahren jeden Donnerstag mit dem Auto aus der Schweiz zur Probe. Der Theologe weiß das John Sheppard Ensemble zu schätzen, auch wenn es kein Kirchenchor ist:

"Also ich wohne in Basel. Das ist 'ne Autostunde entfernt und das ist ein gewisser Weg, aber der lohnt sich, weil der Chor musikalisch wirklich gut ist und in Basel eigentlich nichts Vergleichbares vorhanden ist."

Auch über seinen Chorleiter Johannes Tolle kann Florian nur Gutes erzählen:

" Ein unberechenbarer Musiker, aber musikalisch ziemlich genial finde ich. Wenn er auf der Bühne steht, dann blüht er auf, dann gibt´s noch mal ne ganz neue Energie und er ist unheimlich präsent, sein Dirigat verändert sich, es wird viel lesbarer. Ja, meistens gibt es noch mal nen echten Sprung mit dem Konzert qualitativ."

Johannes Tolle, Jahrgang '68, steht vor dem Chor hinter seinem E-Piano und gibt ruhig und bestimmt den Takt vor. Der schlanke Chorleiter mit kurzen, dunklen Haaren weiß genau, was er hören will.

"Vierter Takt Seite 2... Chorgesang... Es muss krosser sein, nicht so wie ein Eintopfgericht."

1995 von Johannes Tolle gegründet, hat sich das John Sheppard Ensemble mittlerweile weit über Freiburg hinaus einen Namen gemacht: Der Kammerchor hatte schon Auftritte in der Schweiz und in Frankreich. Bach, Bruckner und Händel gehören zum Repertoire des Laienchors aus dem Breisgau. Heute steht Mozarts Requiem und ein Stück von Henry Purcell auf dem Programm.

"Wir haben schon viele Programm gemacht, die auch für einen Laienchor eigentlich kaum erreichbar sind, zum Beispiel Figure homaine von Poulenc für zwölf Stimmen und das sind dann einfach mehrmonatige Probenphasen, wo man wirklich die Töne erstmal lernen muss. Das ist extrem anspruchsvolle Musik."

Und mit Musik kennt er sich aus: Johannes Tolle ist studierter Dirigent. Dass er sein Geld als erfolgreicher Geschäftsführer in einer Firma verdient, die Konzerttickets verkauft, verrät er erst, als das Mikrophon schon aus ist. Das ist ihm lieber so. Bescheidenheit geht vor.

Alles andere als bescheiden ist der Aufritt am nächsten Abend im elsässischen Guebwiller, 80 Kilometer von Freiburg entfernt. Beim Betreten der Dominikanerkirche fällt sofort die glitzernde Diskokugel auf, die unter der Decke hängt. Überhaupt ist in diesem ungewöhnlichen Veranstaltungsort einiges anders: Flachbildschirme stehen vor der Bühne, blaue Lichtprojektionen beleuchten das Hauptschiff, große giftgrüne Hinweisschilder weisen den Besuchern den Weg durch das ehemaliger Kloster.

Chormitglied Elke ist schon fertig umgezogen. In ihrem schwarzen Kleid und mit Bürste und Schminke in der Hand geht sie eine große Treppe nach oben.

"Man merkt, dass es ein Werktag ist. Es ist nicht wie ein Konzert am Samstag, weil man gearbeitet hat vorher, die Stimme ist nicht so ganz kräftig wie nach nem ausgeruhten Tag, aber ich freu mich, hier zu sein. Jetzt suchen wir grad nach nem Spiegel, wo nicht schon lauter Publikum rumspringt."

Informationen des John Sheppard Ensembles

Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.