"Es kommt immer auf die Größe vom Vogel an"

Hans-Peter Schmid im Gespräch mit Holger Hettinger · 06.05.2009
Wegen eines Vogelschlages musste ein Flugzeug auf dem New Yorker Hudson River notlanden. Der Vogelschlagbeauftragte des Stuttgarter Flughafens, Hans-Peter Schmid, erklärte, warum sich Vögel so gerne auf Flughäfen aufhalten.
Hettinger: In einem Studio in Stuttgart ist nun Hans-Peter Schmid. Er ist Vogelschlagbeauftragter des Stuttgarter Flughafens und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ausschusses zur Verhütung von Vogelschlägen am Flughafen. Schönen guten Morgen!

Hans-Peter Schmid: Hallo zusammen!

Hettinger: Herr Schmid, alle zwei Minuten ein Start oder eine Landung, es ist höllisch laut, es stinkt nach Kerosin. Wieso fühlen sich Vögel dennoch so wohl auf Flughäfen?

Schmid: Das ist ganz einfach: Auf der Flugbetriebsfläche des Flughafens gibt es Grünflächen zwischen einer Größe 200 Hektar und noch viel größer. So eine Grünfläche ist dann auch anziehend für Vögel, weil im Umgebungsbereich von den Flughäfen gibt es sehr viel Bebauung, Spaziergänger, Landwirtschaft, und innerhalb vom Flughafen sind die Tiere ungestört. Und daher kommen die Federviecher, sage ich jetzt mal ganz einfach, gerne in den Flughafen rein, weil sie genau wissen, da drin passiert mir normalerweise nichts, da kommt kein Jogger, da kommt kein Hund, da kommt, der wo mir irgendwie an die Gurgel will. Und wegen demm haben wir die Vögel eigentlich sehr gerne an den Flughäfen.

Hettinger: Aha! Und diese großen stählernen Kollegen der Vögel, die stören die überhaupt nicht?

Schmid: Nee, überhaupt nicht. Bei uns sitzen zum Beispiel Mäusebussarde am Rand von den Rollwegen auf Schildern drauf, obwohl wir da zum Teil Netze oder Drähte draufspannen. Die setzen sich da drauf, warten, dass irgendwann in der Grünfläche sich vielleicht mal eine Maus bewegt, und dann war das das schon.

Hettinger: Dennoch kann da relativ viel passieren. Es sind etliche Abstürze dokumentiert, die geschehen können, wenn Vögel in Flugzeugtriebwerke geraten. Herr Schmid, lassen Sie uns doch mal auf diesen Fall der Notwasserung im Hudson River kommen. Diese spektakulären Bildern hat man ja noch vor Augen. Eine Airbus 320, das ist eine relativ kleine Maschine, für den Regionalverkehr geeignet, aber selbst die hat schon ein Startgewicht von rund 80 Tonnen. Wieso werden für ein solch schweres Flugzeug ein paar Vögelchen zum Problem?

Schmid: Ja gut, es kommt immer auf die Größe vom Vogel an. Am Hudson River, dieser Unfall, dieser Zusammenstoß war ein Zusammenstoß mit Gänsen. Ich möchte auch sagen oder Kollegen sagen, zu 95 Prozent war es ein Zusammenstoß mit Schneegänsen. Eine Schneegans, die hat ein Gewicht irgendwo zwischen dreieinhalb und sechseinhalb Kilo. Gehen wir mal davon aus, es sind 20 Schneegänse gewesen, wenn man dann diese Gesamtmasse rechnet, wo hier auf das Flugzeug einschlägt und ins Triebwerk reinkommt, das kann kein Triebwerk nicht aushalten. Wir haben hier im Flughafen zum Teil Probleme mit Stare, ist eigentlich kein Vogelschlag-relevanter Vogel, wo von Flugzeugen Gefahr darstellt.

Hettinger: Weil der zu klein ist?

Schmid: Weil er einfach zu klein ist. Ein einzelner Star, der wo keine 20 Gramm auf die Waage bringt, stellt von dem her keine Gefahr dar. Wenn man jetzt aber einen Starenschwarm nimmt mit Hunderte, 500 oder Tausende von Exemplaren, dann ist es die Masse, die wo dann wieder diese Beschädigungen verursachen können.

Hettinger: Kann man da nicht irgendwas vors Triebwerk spannen, damit diese Vögel erst gar nicht hineingelangen?

Schmid: Das geht leider nicht. Wenn man sich so ein Triebwerk ansieht, man sieht dann, was die für ne Luftmenge ansaugen. Bei Regen sieht man das sehr gut, weil die Triebwerke auch im Umgebungsbereich das ganze Wasser von der Bodenfläche aufsaugen. Da kann man sich vorstellen, was das für Luftmengen dann sind. Durch die hohe Beschleunigung von der Luft, die wo vorm Triebwerk stattfindet, würde es bei bestimmten Temperaturen oder in entsprechender Höhe gibt es Vereisungsprobleme. Dieses Gitter, wo Sie dann vorne ran machen, vereist, irgendwann brechen diese Eisteile wieder ab, und die sind dann noch viel problematischer, als wenn mal ein kleiner Vogel reingeht.

Hettinger: Nun hat doch, wenn ich mich jetzt gerade an das Beispiel Boeing 320 erinnere, da ist ja vorne drin so eine Art Schaufelrad vor der eigentlichen Turbine. Zerhackert das die Vögel nicht, wenn die da reinkommen?

Schmid: Richtig. Wenn ein Vogel in der Regel in die Turbine reinkommt, die schreddern den Vogel. Beim Triebwerk kommt's immer drauf an, wo kommt denn der Vogel rein. Wenn auch ein relativ großer Vogel, der im äußeren Bereich vom Triebwerk reinkommt, also relativ weit außen, wo über 80 Prozent von der Luft nur durchgehen, ohne dass sie in die Verdichterstufe, in die innere Stufe gehen, passiert in der Regel gar nichts. Der Vogel geht durch, selbst ein relativ großer Vogel, der wird geschreddert und er kommt hinten wieder raus. Das größte Problem ist, dass ein großer Vogel zentral mittig in das Triebwerk reingeht, weil dort dahinter sitzt dieser Kompressor, und dann verstopfen diese Ansaugteile. Das sind kleine Öffnungen, wo Luft angesaugt wird von dem Verbrennungsraum. Und dann gibt's erhebliche Störungen, dass das Ding einfach ausfällt.

Hettinger: Nun, wir haben es eben im Beitrag gehört, da gibt's etliche Maßnahmen, etliche Möglichkeiten, es den Vögeln auf dem Flughafen so unattraktiv und so ungemütlich wie möglich zu machen. Wie ist das in Stuttgart, was unternehmen Sie?

Schmid: Das Einfachste ist erst mal, ich muss den Vögeln grundsätzlich das Nahrungsangebot wegnehmen. Was wir grundsätzlich an allen Flughäfen machen, nicht nur in Stuttgart, wir sollten eigentlich Beeren tragende Sträucher am Flughafen, am Vorfeld oder an der Startbahn haben.

Hettinger: Was ist denn mit Insektenfressern?

Schmid: Insektenfresser sind in der Regel relativ kleine Vögel. Wir versuchen, am Flughafen eigentlich durch die Bewirtschaftung das so hinzukriegen, dass ich durch ein ausgeklügeltes Biotop-Management die großen Vögel weg kriege und dann lieber kleine Vögel her kriege, die wo auch Insekten fressen. Wenn wir hier zum Beispiel in Stuttgart dieses Biotop-Management anwenden und unsere Mäharbeiten, was unsere Gärtner hier sehr gut machen - wenn die mähen, dann wird nur ein Streifen gemäht mit acht Meter Breite, acht Meter Breite Gras wird wieder stehen gelassen, dann wieder acht Meter Breite gemäht.

Wir sagen Irokesenschnitt dazu, so sieht es dann auch aus. Und durch dieses hohe Gras, wo dann stehen bleibt, haben die Insekten nen Schutz und der Vogel findet sie nicht. Der Vogel setzt sich nicht in das hohe Gras, weil er dort seine natürlichen Feinde nicht rechtzeitig sieht und er Angst hat, dass ihn sein natürlicher Feind dort überrascht.

Hettinger: Apropos natürliche Feinde: Wäre das ein Konzept, dass man natürliche Feinde der Vögel am Flughafen in irgendeiner Weise ansiedelt, so das möglich ist?

Schmid: Ja, wir haben hier in Stuttgart zwischenzeitlich auf unseren 200 Hektar Grünflächen fünf Fuchsbauten, drei künstlich angelegt, mit Betonröhren, zwei natürliche gibt es. Und ich habe mich da erst vor ein paar Tagen wieder überzeugt, denen geht's sehr gut, da gibt's auch wieder Jungfüchse bei uns. Und diese Füchse haben bei uns am Flughafen die Aufgabe, zum Beispiel gegen Bodenbrüter vorzugehen.

Hettinger: Aber man ersetzt jetzt nicht den Vogelschlag durch den Fuchsschlag am Flughafen, oder?

Schmid: Gut, es kommt im Jahr ein- oder zweimal vor, dass ein Fuchs auf der Bahn draußen überrollt wird vom Flugzeug. Er ist dann platt wie ein Pfannkuchen, tut mir leid für den Fuchs. Er ist aber in der Regel so intelligent, dass er nicht in ein Flugzeug rein läuft. Das Problem sind die Jungfüchse wie auch bei den Vögeln. Jungtiere kommen einfach mit dieser Gefährdungssituation an dem Flughafen nicht unbedingt zurecht, und dann kommt das auch mal vor, dass halt ein Fuchs mal überrollt wird.

Hettinger: Schönen Dank! Hans-Peter Schmid war das. Er ist Vogelschlagbeauftragter des Stuttgarter Flughafens und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ausschusses zur Verhütung von Vogelschlägen an Flughäfen. Diese Einrichtung, vor 45 Jahren gegründet, kümmert sich um die Verscheuchung von Vögeln im Umfeld von Flughäfen. Ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch!

Schmid: Bitte, tschüss!