"Es gibt wieder Anleger, die Vertrauen haben"

Jorgo Chatzimarkakis im Gespräch mit Hanns Ostermann · 05.03.2010
Kurz vor dem Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Papandreou bei Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt sich der FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis überzeugt, dass Griechenland seine Haushaltskrise aus eigener Kraft bewältigen kann.
Hanns Ostermann: La Gomera, die Kanareninsel, kennt Angela Merkel schon, und auf Ischia in Italien ist die Bundeskanzlerin auch schon gesehen worden, warum nicht einmal ein Inselurlaub in Griechenland? Mit dem Athener Regierungschef könnte sie gleich heute darüber reden, denn Giorgos Papandreou kommt an diesem Freitag nach Berlin. Vielleicht hat er ja sogar eine komplette griechische Insel zum Freundschaftspreis im Gepäck, immerhin zählt Griechenland insgesamt mehr als 3000 davon. In Merkels eigener Partei halten es Einige tatsächlich für eine gute Idee, wenn Athen unbewohnte Inseln verkauft, um die eigenen Schulden zu tilgen. Ein Land in der Krise – was kann es selbst tun, wie kann ihm geholfen werden? Darüber spreche ich jetzt mit Jorgo Chatzimarkakis, er sitzt für die FDP im Europäischen Parlament. Ich grüße Sie, guten Morgen!

Jorgo Chatzimarkakis: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Wie finden Sie das, wenn sich Ihr Koalitionspartner in Berlin Gedanken darüber macht, wie Athen zu mehr Geld kommt?

Chatzimarkakis: Ja, der Vorschlag, Inseln zu verkaufen, ist wirklich abenteuerlich. Wir haben etwas erlebt in der letzten Woche, mit einem Titel eines deutschen Magazins, Wochenmagazins, was die deutsch-griechischen Beziehungen wirklich massiv, massiv gestört hat und Dinge hervorgebracht hat, die wir eigentlich gar nicht mehr kannten. Und deswegen kann ich nur sagen, es waren Kollegen des Koalitionspartners, aber leider auch einer aus den eigenen Reihen, ich sage das ganz offen. Das war ein schlechter Vorschlag, denn die Griechen sind im Moment sehr sensibel, was man sich ja vorstellen kann, und so was geht unter die Haut, wenn man Ihnen sagt, verkauft einfach Staatsbesitz, Staatsboden, verkauft eine Insel. Das ist abenteuerlich und sollte auch unterbleiben. Es ist vielleicht lustig, für bestimmte Fachmagazine, die täglich mit vier Buchstaben erscheinen, aber nicht so gut für die deutsch-griechischen Beziehungen.

Ostermann: Der griechische Vizeaußenminister ist der Meinung, sein Land könne die Haushaltskrise allein bewältigen. Ist Griechenland dazu tatsächlich in der Lage?

Chatzimarkakis: Offenbar ja. Also was Viele überrascht, ist ja, dass gestern Griechenland eine Anleihe aufgelegt hat, und in sehr kurzer Zeit fünf Milliarden Euro eingespielt hat. Sieben Euro hätten eingespielt werden können, also über zwei Milliarden Euro war das überzeichnet, und das ist ein gutes Zeichen. Das heißt, es gibt wieder Anleger, die Vertrauen haben in Griechenland, und offenbar war die ganze Debatte der letzten Wochen vielleicht eine Scheindebatte, denn ich glaube, dahinter stecken auch ganz bewusst Interessen von denjenigen, die gerne den Spekulanten weiter Tür und Tor öffnen wollen. Die Griechen haben ein Sparprogramm vorgelegt diese Woche. Mitte dieser Woche hat Premierminister Papandreou wirklich auch den Kriegszustand ausgerufen für sein Land, also einen inneren Kriegszustand, da hat er also sehr, sehr tief in die Rhetorikkiste gegriffen. Aber es ist tatsächlich so, die Griechen sind in einer ganz schwierigen Situation, das Sparprogramm spielt jetzt schon erste Gelder ein. Der EU-Kommissar Rehn, der zuständige Olli Rehn hat sich am Montag davon überzeugen können. Übrigens auch Herr Stark, Herr Stark, der frühere deutsche Zentralbanker, jetzt Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, hat auch ganz klar gesehen, die Griechen sind in der Lage, eigenes Geld, eigene Liquidität wiederherzustellen.

Ostermann: Sie sehen also durchaus Hoffnung, aber was macht Ihnen andererseits Sorge? Was ist, wenn die Bevölkerung den harten Sparkurs der Regierung nicht mitträgt, weil sie ihn für sozial unausgewogen hält?

Chatzimarkakis: Ja, die Demonstrationen halten an, wir sehen das. Nun muss man dazusagen, Streiks und Demonstrationen gehören in Griechenland zum politischen Tagesgeschäft. Man kann das nicht so vergleichen, wie wir das aus Deutschland kennen. In Griechenland wird erst gestreikt und dann wird politisch diskutiert und auch verhandelt, insofern ist das jetzt nichts Neues. Ich glaube, dass die Regierung Papandreou es richtig gemacht hat, über mehrere Etappen verteilt diese Sparelemente anzukündigen und dann auch jetzt durchzuführen. Dennoch, klar, wenn die Leute nicht mitziehen, dann gibt es ein Problem, aber ich glaube, die Griechen haben verstanden, wir sind in einer historischen Situation, sagen sie, wir müssen da jetzt raus. Allerdings muss man auch die Verantwortlichen für die Situation, die gibt es ja auch, frühere Regierungen, auch frühere Finanzminister, die Daten gefälscht haben, die muss man klar benennen und die muss man dann auch zur Rechenschaft ziehen im Zuge dieses Prozesses.

Ostermann: Herr Chatzimarkakis, was erwarten Sie vom heutigen Besuch des Ministerpräsidenten bei Angela Merkel, am Sonntag dann in Paris. Er will kein Geld, was erwartet er denn dann konkret?

Chatzimarkakis: Ja, politische Solidarität. Was ja passiert ist die letzten Wochen, diese Angriffe auf Griechenland seitens der Spekulanten waren ja Angriffe auf den Euro, da ging es ja gar nicht so sehr um Griechenland. Man hat ja nur Griechenland sozusagen als Beispiel benutzt, als erstes Beispiel, um weitere Länder wie Portugal, Italien, Spanien zu attackieren, die ebenfalls in Haushaltsschwierigkeiten sind. Es geht also darum, den Euro zu destabilisieren, und je enger die Euro-Familie zusammenrückt und sagt, passt mal auf, wir lassen hier keinen untergehen, je besser ist das. Und deswegen die demonstrative Reise zu, vor allem zu Deutschland, zu der deutschen Bundeskanzlerin, zum französischen Präsidenten, weil Deutschland und Frankreich natürlich der Kern der Eurozone sind. Und das ist der Zweck dieser Reise, um zu zeigen, wir haben eine Euro-Solidarität, auch wenn sie nicht in Heller und Pfennig sich ausdrückt und sich ausdrücken muss, aber selbst wenn es zur absoluten Krise käme, die wir jetzt nicht haben, dann würden wir euch beistehen.

Ostermann: Nun habe ich, was die europäische Solidarität betrifft, so meine Zweifel. Wenn es stimmt, dass Guido Westerwelle bei seinem Amtsantritt in Athen Griechenland gedrängt hat, den Eurofighter kaufen zu sollen. Wenn es stimmt, dass Frankreich Kriegsschiffe für drei Milliarden angeboten hat, zeigt das nicht eine gewisse Doppelzüngigkeit?

Chatzimarkakis: Ja, man muss schon sehen, die Griechen geben mit am höchsten aus für Militär in der Europäischen Union, drei bis vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das ist eine ganze Menge, und vieles davon wird natürlich in Frankreich und in Deutschland gekauft. Es stimmt schon, dass natürlich auch Deutschland davon profitiert, dass Griechenland so viel Schulden machen muss teilweise, weil es deutsche Produkte kauft. Das ist eine politische Frage, Griechenland hat eine Ostgrenze zu einem NATO-Partner, der aber gleichzeitig Griechenland bedroht offenbar, Griechenland fühlt sich bedroht. Und wenn man als Europäische Union sagen würde, wir sichern die Ostgrenze ab, wir stehen auch da solidarisch zu euch, jeder Angriff wird von uns mit sozusagen abgefedert, dann könnte sich Griechenland eine Menge Militärausgaben sparen und würde weniger Schulden machen. Allerdings gäbe es dann auch weniger Aufträge nach Deutschland.

Ostermann: Jorgo Chatzimarkakis, er sitzt für die FDP im Europäischen Parlament. Ich danke Ihnen für das Gespräch heute früh!

Chatzimarkakis: Danke Ihnen!
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