"Es gibt einen gewissen Zwang zur Kooperation"

Moderation: Hanns Ostermann · 03.11.2010
Nach den US-Kongresswahlen ist Präsident Barack Obama gezwungen, mit den Republikanern zusammenzuarbeiten, meint der SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose: "Darin liegt möglicherweise sogar eine Chance, weil die Republikaner ihrerseits in der Situation sind, mitmachen zu müssen".
Hanns Ostermann: Es kam, wie es nach den Umfragen wohl auch kommen musste: Für Präsident Barack Obama und seine Demokraten war dieser Tag alles andere als erfreulich. Die Mehrheitsverhältnisse im Kongress haben sich geändert. Im Repräsentantenhaus haben die Republikaner mindestens 60 Sitze hinzugewonnen, auch im Senat legten sie zu, hier behielten aber die Demokraten knapp ihre Mehrheit. Am Telefon ist jetzt Hans-Ulrich Klose von der SPD, der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen. Guten Morgen, Herr Klose!

Hans-Ulrich Klose: Guten Morgen!

Ostermann: Ist diese Wahl zwei Jahre nach dem Triumph Obamas in erster Linie Ausdruck von Frust, von Enttäuschung, von Angst, oder wo sehen Sie die entscheidenden Gründe?

Klose: Also ich glaube schon, dass die wirtschaftspolitische Lage der USA die größte Rolle gespielt haben, vor allen Dingen die hohe Arbeitslosigkeit, sehr hoch für die Vereinigten Staaten, offiziell knapp zehn Prozent, aber in Wahrheit deutlich darüber, und es gibt in der gesamten Mittelschicht, ja, man kann das schon Abstiegsängste nennen. Deshalb gibt es ja in der Tat eine große Unruhe, die sich zum Teil in Wut ausgedrückt hat und eben zu diesem Ergebnis geführt hat.

Ostermann: Wurde Barack Obama eventuell auch zum Verhängnis, dass er eine Art Brückenbauer zu sein versucht, die amerikanische Gesellschaft aber zunehmend polarisiert ist, nicht zuletzt durch die Tea Party?

Klose: Die Tea Party hat eine große Rolle gespielt, und ohne die Tätigkeit der Tea Party hätten die Republikaner diesen Erfolg nicht herbeiführen können. Möglicherweise liegt es aber auch ein bisschen an Obama selber, der offenbar über die Lage, über die Fähigkeit verfügt, Massen zu begeistern, aber sozusagen im Tagtäglichen Empathie vermissen lässt. Er ist ein bisschen – unfreundlich ausgedrückt – mehr ein Glamourtyp und keiner, der Menschen umarmt.

Ostermann: Also dann jemand, der sozusagen in Europa besser ankommt als bei seinen eigenen Landsleuten, wo es darum geht, handfeste Dinge zu vermitteln?

Klose: Ja, in Amerika spielen halt die ganz unmittelbaren Fragen – was passiert mit meinem Haus, werde ich meinen Job behalten, werde ich einen Job finden – die größere Rolle. In Deutschland hat Obama immer noch eine große Faszination, weil er ein Intellektueller ist, der Dinge anspricht, wie man sie sonst von amerikanischer Seite eher selten gehört hat. Er war ein Gegenstück zu Bush und wurde am Anfang geradezu geliebt, und ist ja immer noch in Europa sehr populär. Ich schätze mal, dass in Deutschland deutlich mehr als 60 Prozent finden, er ist ein guter Präsident.

Ostermann: Und die Amerikaner sehen es anders, derzeit jedenfalls. Herr Klose, was bedeuten diese Kongresswahlen für die nächsten zwei Jahre, für die künftige Politik Obamas?

Klose: Nun, er muss jedenfalls, wenn er innenpolitisch etwas erreichen will, mit den Republikanern zusammenarbeiten. Darin liegt möglicherweise sogar eine Chance, weil die Republikaner ihrerseits in der Situation sind, mitmachen zu müssen. Wenn sie das nicht tun, wenn sie sich weiterhin verweigern, dann könnte ihnen das zwei Jahre später wiederum zum Nachteil ausschlagen. Also, es gibt einen gewissen Zwang zur Kooperation, und das ist vielleicht ganz gut.

Ostermann: Wirtschaftspolitisch ist das transatlantische Verhältnis mindestens angespannt, jedenfalls getrübt, von Handelskrieg wird da sogar gesprochen, weil die Exportbilanz der USA im Vergleich etwa auch zu Deutschland schlecht ausfällt. Rechnen Sie denn jetzt, vor dem Hintergrund der neuen politischen Konstellation, mit einer noch härteren Gangart der Amerikaner?

Klose: Eigentlich nicht. Die Amerikaner werden versuchen, auf, beinahe hätte ich gesagt, Teufel komm raus, ihre Exportbilanz zu verbessern. Die ist schlecht. Man muss allerdings hinzufügen, das liegt natürlich auch daran, dass es in den USA so etwas wie eine schleichende Entindustrialisierung gegeben hat. Die Frage ist doch immer: Was kann man denn exportieren, was wollen denn die anderen Länder und die anderen Völker kaufen? Und da ist so wahnsinnig viel nicht, da muss sich in den USA viel ändern.

Ostermann: Was zum Beispiel?

Klose: Na ja, ich meine, es kann nicht so sein, dass man auf Pump ständig Produkte aus zum Beispiel China importiert, zu niedrigen Preisen, und damit heimische Produktion kaputt macht.

Ostermann: Ein Beispiel. Herr Klose, falls innenpolitisch in den kommenden zwei Jahren in den USA nichts geht, was könnte das für die Krisengebiete bedeuten, also für die Außenpolitik? Vielleicht ein stärkeres Engagement im Nahen Osten?

Klose: Na, jedenfalls wird der Präsident sich in stärkerem Maße auch auf die Außenpolitik werfen, wenn innenpolitisch nichts geht. Was soll er denn sonst tun, wo soll er sonst punkten? Und da hat er ja in der Tat einige Zeichen gesetzt, die aber bisher noch keine wirklichen Erfolge gebracht haben. Er hat insbesondere die Hand ausgestreckt in die arabische, die muslimische Welt, aber die Antworten waren bisher eher bescheiden.

Ostermann: Und da ist ja die Frage: Was kann er machen? Das heißt, er hat jetzt sozusagen unheimlich schwierige Aufgaben, innenpolitisch auf die Republikaner einzugehen, und möglicherweise außenpolitisch stärkere Akzente zu setzen. Trauen Sie ihm das zu?

Klose: Also, ich traue es ihm zu. Er wird versuchen, den Nahostkonflikt zu entschärfen, ich zögere, von einer Lösung der Problematik zu sprechen, aber es wäre ja schon gut, wenn es ein intelligentes Konfliktmanagement gäbe. Er wird versuchen, gegenüber dem Iran eine klare Kante zu zeigen, dabei wird es darauf ankommen, dass insbesondere Russland auf der Seite Amerikas ist. Da hat Obama den sogenannten Reset-Button, also den Knopf "noch mal starten" gedrückt, und die Russen gehen, so scheint es, darauf ein. Wichtig wird sein, wie China reagiert. Eine offene Frage bleibt, aber nicht nur für die USA, Afghanistan.

Ostermann: Herr Klose, danke Ihnen für das Gespräch heute früh! Hans-Ulrich Klose war das von der SPD, er ist der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen.