Erster Weltkrieg

Das surreale Grauen der Schlacht

Bild von der Ausstellung "Menschenschlachthaus" in Wuppertal
Die Ausstellung "Menschenschlachthaus" zeigt teils drastische Bilder vom Ersten Weltkrieg © picture-alliance / dpa
Von Ulrike Gondorf · 07.04.2014
"Menschenschlachthaus" – mit diesem drastischen Titel überschreibt das Wuppertaler von-der-Heydt-Museum eine Ausstellung über den Ersten Weltkrieg. Zu sehen sind Werke deutscher und französischer Künstler.
"Wir haben den Titel von einem Roman von einem Lehrer, der hieß Wilhelm Lambszus, der hat 1912 schon Bilder vom kommenden Krieg vor Augen gehabt und der hat diesen modernen Krieg in seinem Roman "das Menschenschlachthaus" geschildert, und deswegen haben wir gerne diesen Titel genommen."
Erläutert Museumsdirektor Dr. Gerhard Finckh. Was sich in diesem Bild von Otto Dix so ungeheuer verdichtet, das wird in vielen Facetten beleuchtet in der Wuppertaler Ausstellung: der Erste Weltkrieg als Jahrhundertkatastrophe, die die Welt und die Menschen völlig veränderte. Es beginnt mit dem jubelnden Aufbruch: auf einem engen Gang zwängt der Ausstellungsbesucher sich zunächst einmal hindurch zwischen zwei gegenüberliegenden Projektionswänden: Mobilmachung und Aufbruch in Paris und in Berlin im Sommer 1914 flimmern in historischen Filmaufnahmen an ihm vorbei. Die Bilder gleichen sich; ebenso wie der Blick, den deutsche wie französische Künstler dann über die Frontlinien werfen: schweres Kriegsgerät, Wälle und Gräben, verwüstete Landschaft.
"Um den Menschen eine Vorstellung von der geschichtlichen Entwicklung zu geben, haben wir zu den Grafiken und Gemälden auch Fotografien genommen und Filmausschnitte, die das geschehen Verlebendigen, so dass man sieht, wie schrecklich dieser Krieg war, und man kommt heraus mit der Erkenntnis, dass man das nie erleben möchte."
Hunger und Schrecken
Immer härtere Bilder mutet die Ausstellung dem Betrachter zu, wenn man in den nächsten Räumen sieht, wie Herbst und Winter die Landschaft in eine Schlammwüste verwandeln, wie der Hunger die Soldaten ausmergelt, der Schrecken sie in den Wahnsinn treibt, ihre zerstückelten Körper zum Schauplatz des Krieges werden. In fünfzig graphischen Blättern seines Zyklus "Der Krieg" hat Otto Dix all das drastisch dargestellt – in Wuppertal ist er komplett zu sehen. Schockiert steht man vor dem surrealen Grauen, das Gert Wollheim in sein großes Ölgemälde "Der Verwundete" bannte: aus dem aufgerissenen Körper des Mannes quellen seine blutigen Eingeweide.
Verstört, zerbrechlich malt sich Max Beckmann als Sanitäter, grotesk und gespenstisch daneben der Reigen der Militärs und Kriegsgewinnler, wie sie George Grosz entlarvend karikiert hat. Die französischen Künstler sind durchweg weniger bekannt, aber es gibt starke Entdeckungen: Jean-Louis Forain zum Beispiel. Er portraitiert sich als Heimkehrer, den Blick starr auf ein Zeichenbrett geheftet; der rechte Arm, der den Stift führen müsste, ist amputiert. Nicht in ihrer Botschaft der Anklage und des Protests unterscheiden sich deutsche und französische Künstler, wohl aber in ihren Mitteln.
Packende und historisch differenzierte Ausstellung
"Die Kunst in Deutschland war vor dem Ersten Weltkrieg sehr stark vom Expressionismus geprägt, in Frankreich eher vom Kubismus , einer eher analytischen Stilrichtung. Die Deutschen neigen dazu, sehr expressiv die Leiden darzustellen, währen die Franzosen eher analytisch rangehen und auch einen gewissen Sinn für Farbe und Form, für Harmonie ausprägen."
Ein bis heute nachwirkender Unterschied liegt schließlich in der Perspektive auf den Ersten Weltkrieg. Am Schluss der Ausstellung stehen für die deutsche Seite Wilhelm Lehmbrucks "Gestürzter" – für die französische das Modell eines Siegesdenkmals. In Frankreich wird die Erinnerung an den Großen Krieg bis heute sehr lebendig gehalten: wenn die Wuppertaler Ausstellung im September nach Reims geht, werden Francois Hollande und Angela Merkel sie eröffnen. Bei uns beginnt 1914 ein "vergessener Krieg". Was diese packende und historisch differenzierte Ausstellung darüber nicht in Bildern erzählen kann, das haben namhafte Historiker und Kunsthistoriker im gewichtigen Katalog zusammengetragen.
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