Erster Aufruf am Vogelflughafen

Stephan Andreae im Gespräch mit Alexandra · 13.05.2011
Man sieht Gerüststangen, Blinklampen, Lautsprecher, einen Windsack. Es gibt eine große Start- und Landebahn - doch die Flugbewegungen sind tierischer Natur. Stephan Andreae, Initiator des "internationalen Vogelflughafens" in Bonn, will den Blick nach oben schärfen.
Alexandra Mangel: Guten Morgen, Herr Andreae!

Stephan Andreae: Guten Morgen!

Mangel: Beschreiben Sie das doch erstmal konkret. Wie sieht er aus, der internationale Vogelflughafen Bonn?

Andreae: Die Bundeskunsthalle verfügt ja über eine sogenannte fünfte Ausstellungsfläche, nämlich das Dach, wo drei spitze Türme draufstehen, und der Rest ist Wiese …

Mangel: … da kann man also rauf als Besucher.

Andreae: … da kann man rauf, und dort umherspazieren. Ich darf Ihnen das mal kurz beschreiben, wie das …

Mangel: Sehr gerne!

Andreae: … auf dem sogenannten Vogelflughafen oder Ornithoport eigentlich aussieht: Man sieht Gerüststangen, die wir senkrecht und waagerecht angeordnet haben, das ganze hat eine sehr technische Anmutung mit Blinklampen, mit Lautsprechern, mit einem Windsack, wie er typisch ist für Flughäfen, es gibt dann eine große Start- und Landebahn. Natürlich ist das ganze sehr symbolisch, wir hoffen nicht, dass dort wirklich Flugzeuge landen werden, denn wir sind ja schließlich ein Vogelflughafen, der nur symbolische Formsprache von Airports aufnimmt und damit den Blick nach oben leiten soll.

Mangel: Aber wie läuft das jetzt ganz konkret ab, wenn ein Vogel Ihren Flughafen anfliegen will?

Andreae: Die haben das schon während des Baus dauernd getan. Wir haben am Haus selbst nistend Hausrotschwänze, die jetzt seit drei, vier Jahren ungefähr brüten, in so einem Lüftungslamellen-Schacht, und sobald die Jungen geschlüpft sind, werden die von ihren Eltern aufs Dach entführt, lassen sich auch dem Turm des Lastenaufzugs, der sich direkt hinter dem Vogelflughafen befindet, nieder und machen da ihre ersten aerodynamischen Erfahrungen und Übungen, weil da oben immer ein frischer Luftzug herrscht …

Mangel: Der Flughafen ist also schon in Betrieb!

Andreae: Der ist in Betrieb, der war sogar schon vorher in Betrieb, es ist eben die umgekehrte Reihenfolge. Wir haben beobachtet, dass es ein Flughafen ist, dort finden Starts und Landungen statt, und ihn dann mit den entsprechenden symbolischen Gegenständen akustischer wie optischer Natur ausgestattet.

Mangel: Wer frequentiert denn diesen Flughafen? Sie haben jetzt schon gesagt, die Vogelarten, die dort selber nisten. Gibt es auch Durchreisende? Was sind das für Vogelarten?

Andreae: Na, das sind natürlich Zugvögel, wir haben jede Menge Raubvögel auch kreisend, deswegen zögern wir noch, Hühner oben anzusiedeln, eigentlich war der Gedanke da. Bekannt ist, dass das Rheintal selber ein Zugvogel-Durchzugsgebiet ist, quasi ein Nadelöhr, weil die Rheinauen selber immer gute Rastplätze sind – da ist Wasser, da ist Ruhe –, und insofern ist das ornithologisch schon interessant. Wir haben uns auch die entsprechende Beratung vom zoologischen Forschungsinstitut Alexander König geholt, insofern ist das ganze auch fachlich abgesichert.

Mangel: Anschieben – so habe ich das gelesen – sollen den Flugverkehr Bundesbienenvölker. Was ist das?

Andreae: Bundesbienenvölker sind Bienenvölker, die sich auf Bundesinstitutionen befinden. Wir arbeiten hier eng mit einem Berufsimker, Klaus Maresch aus Bonn, zusammen, der bereits auf dem Verteidigungsministerium Bienen betreibt. Das kam uns sehr gelegen, weil es sich ja auch um Flugverkehr handelt, und da sind wir ins Gespräch gekommen. Und jetzt gibt es zwölf Völker, Bienenvölker, was ungefähr 360.000 Kreaturen bedeutet – lustigerweise ist das ungefähr die Einwohnerzahl von Bonn, das war aber gar nicht beabsichtigt –, und die sind fleißig, sind jetzt seit zweieinhalb Wochen bei uns auf dem Dach, einen der Stöcke messen wir, der steht auf einer Waage, dort wird Temperatur gemessen – pardon …

Mangel: … und das stellen Sie auch online, die Messergebnisse?

Andreae: … die werden automatisch per SMS online gestellt, die kann man von der Website der Bundeskunsthalle auch abrufen, nur in dem einen Stock haben wir inzwischen schon zehn bis zwölf – ich habe heute noch nicht nachgesehen – Kilo Honig gemacht. Es wird also demnächst eine reiche Ernte geben, und der Shop wird sich freuen, und die Besucher hoffentlich auch.

Mangel: Wir sprechen im "Radiofeuilleton" mit Stephan Andreae, Projektleiter des internationalen Vogelflughafens auf dem Dach der Bonner Bundeskunsthalle, der heute Abend eröffnet wird. Herr Andreae, ich komme um die Frage nicht drum rum, wie kommt man auf die Idee, einen Flughafen für Vögel einzurichten?

Andreae: Da kamen irgendwie drei Dinge zusammen: Ich arbeite selbst zwar als Angestellter der Bundeskunsthalle, aber nebenher auch als Künstler seit vielen Jahren mit Res Ingold zusammen. Res Ingold ist Schweizer, Professor an der Kunstakademie in München und Betreiber als Konzeptkünstler einer fiktiven Airline "Ingold Airlines". Vogelliebhaber bin ich selber, seit ich ein Kind bin, und da ich mich für die Vögel interessierte und Ingold für die Fliegerei, lag eigentlich die Idee eines Vogelflughafens nah.

Der andere Aspekt war, dass nach dem Wechsel der Geschäftsführung der Bundeskunsthalle vor circa drei Jahren neuer Wind auf das Dach sollte. Wir hatten früher immer Skulpturenausstellungen, wir hatten die Ausstellung Future gehabt, die auch schon einen Kunst-Wissenschafts-Aspekt beleuchtete, und dann passierte über Jahre gar nichts, und das sollte neu werden. Und der dritte Aspekt ist eigentlich die Beobachtung, dass dort tatsächlich eben Flugverkehr stattfindet, deswegen lag der Gedanke nah, der Geschäftsführung vorzuschlagen, dort einen Vogelflughafen mal experimentell zu etablieren.

Mangel: Ging es auch darum, dass wir die Vögel, die um uns herum ja eigentlich ganz unbemerkt und völlig reibungslos, also ohne Kollision, ohne Abstürze ihren Flugverkehr regeln, dass wir die kaum mehr wahrnehmen? Dass Sie das ganze so in menschliche Dimensionen übersetzen wollten?

Andreae: Genau richtig! Das ist einer der Aspekte, dass der Blick nach oben gehen soll, die uns ständig umgebenden Insekten und Vögel sind ja omnipräsent und insofern gar nicht mehr Teil unserer Aufmerksamkeit. Das wollten wir ändern. Dass es keine Unfälle gibt, ist ein Mythos. Es gibt sehr viele Flugunfälle von Vögeln. Es ist gewisse Mode, große Wohn- oder Bürotürme mit Lichtdesign während der Nacht auszustatten, und das ist fatal. So was geschieht natürlich überhaupt nicht mit Absicht, aber man stellt es dann nachher fest, dass diese ganzen Beleuchtungsaktionen dazu führen, dass sich natürlich Insekten ansiedeln, Spinnen, und im Spinnengewebe verfangen sich die Vögel und stürzen dann vom Turm.

Mangel: Nun ist ja der Bonner Ornithoport nicht der erste Vogelflughafen. Der Vogelflughafen im nordrheinwestfälischen Hamm wurde 2009 eröffnet, es gibt Projekte für Vogelflughäfen in Namibia, auf Sansibar und in den USA. Haben die alle schon den Betrieb aufgenommen? Ist das der Beginn eines Netzwerks?

Andreae: Es ist der Beginn eines Netzwerks, Hamm ist eröffnet, Bonn ist die Nummer zwei, alle anderen stehen uns noch bevor. Uns liegen quasi Lizenzen vor, wir sind in Kontakt mit den Grundstücks- und Häusereigentümern. In Afrika ist das natürlich naheliegend, das ist ja ein so reiches Vogelgebiet, da wissen wir gar nicht, wo wir anfangen sollen, da müssten wir dann auch mal wieder hin, und in Vermont in der Maple Syrup Farm ist ebenfalls ein befreundeter Künstler, der sich geradezu darum gerissen hat, eine Lizenz zu bekommen. Wie das dann Gestalt annimmt, ist dann individuell pro Ort natürlich immer angepasst und maßgeschneidert.

Mangel: Und dann habe ich noch von Plänen gelesen, da heißt es bei Ihnen, angestrebt werden ebenfalls die wichtigen Zugvogel-Nadelöhre im Rheintal mit Remagen und Koblenz zur Bundesgartenschau in diesem Jahr, sowie der Bosporus im Osten und Gibraltar im Westen Europas. Also ein europaweiter Ausbau des Netzes?

Andreae: In Remagen sind wir im Prinzip – wir ist zu viel gesagt – Res Ingold bereits präsent mit einem Heliport am Arp Museum. Mit der BuGa in Koblenz waren wir im Gespräch, waren auch handelseinig und baufertig, und sind schließlich im Stadtrat gescheitert, wie das so geht im Leben.

Mangel: Aber der Vogelflughafen in Bonn wird jetzt dauerhaft auf dem Dach bleiben? Oder bis wann gibt es den?

Andreae: Den gibt es jetzt zunächst bis Ende Oktober. Da ist aber das letzte Wort noch nicht gesprochen, wir werden sehen, da es sich um eine ganz neue Geschichte handelt, wie es vom Publikum aufgenommen wird. Ich selber als Mitinitiator fände es natürlich schön, wenn wir den nächsten Sommer auch noch mitnähmen. Aber das ist letztlich Geschäftsführerentscheidung und von uns entsprechend mit Argumenten zu untermauern. Und wenn das Publikum zufrieden ist, sind das die besten Argumente.

Mangel: Stephan Andreae, Projektleiter des internationalen Vogelflughafens. Dann wünsche ich einen guten Start, Herr Andreae!

Andreae: Besten Dank!

Informationen der Bundeskunsthalle Bonn