Eröffnung des Mozartfests Würzburg

Fernes Licht

Der Geiger und Dirigent Renaud Capuçon
Der Geiger und Dirigent Renaud Capuçon © Jean Francois Leclercq/WarnerMusic/Mozartfest Würzburg
22.05.2015
"Was heißt hier Klassik?" - fragt das Mozartfest in Würzburg. Gleich am Anfang geben der Geiger Renaud Capuçon und das Mahler Chamber Orchestra die Antwort darauf, was sie für klassisch halten - die Musik von Bach und Mozart natürlich - und die des lettischen Zeitgenossen unserer Tage Pēteris Vasks.
"Zu Würzburg haben wir unseren theuern Magen mit Kaffee gestärkt, eine schöne prächtige Stadt", schrieb Wolfgang Amadeus Mozart an seine Frau Constanze. Schon 1921 gab es deshalb in dieser "schönen prächtigen Stadt" das erste Mozart-Konzert im Kaisersaal der Residenz.
"Was heißt hier Klassik?", fragt das Mozartfest Würzburg im Jahr 2015. Klassisches gibt es in allen Lebensbereichen. Der Begriff sagt alles und nichts. Eine Jeans kann ein »Klassiker« sein, ein Longdrink oder ein Film. Was heißt Klassik in Bezug auf Mozart? Und was bedeutet dieser Rang des »Klassikers« für Komponisten, Interpreten, Wissenschaftler und Medienprofis, die sich mit Mozart auseinandersetzen? Mozart war wie Haydn und Beethoven zu seinen Lebzeiten ein moderner Querdenker und alles andere als ein "Klassiker". Warum sehen und hören wir ihn heute so, dass wir ihn mit dem scheinbar harmlosen Label "Klassiker" belegen? Wer machte, wer macht ihn zum Klassiker? Wann? Und warum? Dieses Motto zieht sich als gedanklicher Leitfaden durch die Programme des Mozartfestes. Es will anregen zu neuen Hör- und Erlebnisperspektiven.
Das Eröffnungskonzert bietet da ein passendes Programm, weil es Mozarts in der Musikgeschichte verortet und mit der Zeit vor ihm und nach ihm verbindet. Neben Bachs a-Moll-Violinkonzert und Mozarts "Pariser" D-Dur-Sinfonie steht das recht aktuelle Violinkonzert des lettischen Komponisten Pēteris Vasks.
Bei seinem Verlag Schott findet sich folgender Kommentar zu diesem Konzert mit dem Titel "Fernes Licht" (Tala gaisma): Gut fünf Jahre nach der Emanzipation der baltischen Staaten entstand in den Jahren 1996 /97 im Auftrag der Salzburger Festspiele Vasks' erstes und bislang umfangreichstes Werk für Solovioline und Streichorchester .... Formgebend ist hier die Abfolge stark kontrastierender Episoden, die teilweise von der lettischen Volksmusik geprägt sind. Der Solist hat drei Kadenzen zu bestreiten, die hohe Anforderungen an seine Virtuosität stellen. Der Titel verweist auf den Vorschein einer besseren zukünftigen Welt in der Ferne, noch nicht zu erkennen, aber zu erahnen. „Ohne das ereignisreiche Jahr 1991 und ohne das Wiedersehen mit meinem Freund aus Kindertagen, Gidon Kremer, würde dieses Konzert nicht existieren", sagt der Komponist zum Hintergrund der Entstehung. „In diesem Werk verbinden sich Freude und Trauer wie so oft in meiner Musik, aber zuletzt siegt die Hoffnung." Nicht nur die jüngere Vergangenheit, auch Kindheitserinnerungen hat der Komponist in diesem Stück festgehalten, Bilder, die durch die Begegnung mit dem Jugendfreund und die Lektüre von Kremers autobiographischen Mitteilungen „Kindheitssplitter" (1993) in dem Komponisten aufstiegen. Vasks verarbeitet sie in den Passagen aufgewühlter, expressiver Ausbrüche, durch die zunächst die Solovioline, gegen Ende auch das Streichorchester bis an den Rand eines aleatorischen Chaos geführt werden und in die ein wild stampfender, aggressiver Valse Macabre einbricht. Doch Chaos und Aggression behalten nicht das letzte Wort, sondern sind nur ein Durchgangsstadium. Danach kehrt die Musik zur Ruhe, zur Harmonie zurück, in der noch einmal leise der Walzer zu hören ist, nun aber in mildem, fernem Licht.
Mozartfest Würzburg – Eröffnungskonzert
Live aus dem Kaisersaal der Würzburger Residenz
Johann Sebastian Bach
Konzert für Violine, Streicher und Basso continuo a-Moll BWV 1041
Wolfgang Amadeus Mozart
Sinfonie D-Dur KV 297 ("Pariser")
Pēteris Vasks
Konzert für Violine und Streichorchester - "Tala Gaisma (Fernes Licht)"
Wolfgang Amadeus Mozart
Rondo für Violine und Orchester C-dur KV 373
Mahler Chamber Orchestra
Leitung und Violine: Renaud Capuçon