Erna Rots Debütalbum "Ode an die Feude"

Reisen in die Ferne und zu sich selbst

Ein Saxofon
Musik jenseits von Schubladen, bevorzugt Erna Rot. © picture alliance / dpa / Foto: Stephanie Lecocq
Von Kerstin Poppendieck · 27.10.2015
Chanson, Jazz, Swing, Avantgard-Pop: Diese Mischung ist auf Erna Rots Debütalbum "Ode an die Freude" zu hören. Inspiriert wurde die 30-Jährige zuvor auf einer musikalischen Tour durch Osteuropa und die USA.
Musik: Ode an die Freude
Erna Rot: "Ich bin Erna Rot. Ich kann keine Pferde malen. Ich kann dafür total gut Kekse backen. Ich nutze die Möglichkeit, um Songs zu schreiben, um den Menschen und den kurzen Sequenzen einen Raum zu geben, die sonst nicht beachtet werden."
Musik: Ode an die Freude
Erna Rot, 30 Jahre alt, schulterlange braune Haare. Eigentlich heißt sie Constanze Klaue, aber diesem Namen fehlt die Leichtigkeit, findet sie. Erna klingt dagegen frech und witzig und Rot ist einfach knackig. Es hat nicht lange gedauert, da stand der Künstlername fest.
Die Suche nach ihrem musikalischen Stil hat da etwas länger gedauert. Sie hat zwar Jazzgesang studiert, aber dieses eher technische Singen, das dort unterrichtet wurde, war nicht ihr Ding. Außerdem hat ihr das musikalische Geschichtenerzählen gefehlt.
Erna Rot: "Ich hab' irgendwann gemerkt, dass ich mich total verstelle, dass das gar nicht ich bin. Dass ich mit 'ner Stimme singe, die gar nicht zu mir gehört, viel zu hoch singe oder viel zu hauchig. Und ich hatte das Gefühl, dass die Texte, die ich singe, dass ich die selber gar nicht verstehe, sondern doch eher nach den Tönen gehe. Und dann hat mir tatsächlich irgendwann so der Inhalt gefehlt. Dass ich so dachte, hach, ich bin doch eigentlich so jemand, der gerne Geschichten erzählt und auch gerne schreibt."
Musik: Ohne Dich
Hang zu alten Wörtern
Erna Rot spielt gerne mit Worten und Formulierungen. Sie mag alte Wörter, die sonst kaum noch jemand verwendet. Scharlatan zum Beispiel. Ein Seminar, wo man lernt, wie man Lieder schreibt, hat sie nie besucht. Die Geschichten sprudeln einfach aus ihr heraus, sagt sie selbst über sich.
Nachdem sie sich vom klassischen Jazzgesang verabschiedet hat, hatte sie zum ersten Mal das Gefühl, ihr musikalisches Zuhause gefunden haben. Aber schon gab es ein neues Problem. Für ihre Musik gab es noch keine Schublade.
Erna Rot: "Es ist immer die Frage, was ist es denn nun? Ist es Jazz, ist es Pop, ist es Chanson? Ich denke, wenn's keine deutschen Texte wären, wenn´s einfach englische Texte wären, würde mich das keiner fragen. Es ist Jazzmusik, die natürlich vielleicht ein bisschen kommerzieller ist, die ein bisschen klassischer ist von den Harmonien her und natürlich nicht ganz frei ist. Aber ich glaube auch durch diese deutschen Texte, kriegt das auf einmal die Möglichkeit, dass es eben auch Chanson sein kann. Wo ja auch die Frage ist, was ist überhaupt Chanson. Oder dass es Pop sein kann."
Musik: Moskau
Erna Rot experimentiert gern mit Tempi und Instrumenten. Was als melancholische Ballade anfängt, wandelt sich plötzlich und animiert mit treibender Geschwindigkeit zum Tanzen. Dazu spielen eine Trompete, ein Akkordeon, Kontrabass, Gitarre, Ukulele und Schlagzeug. Auch diese Mischung sorgt für genreübergreifende Abwechslung.
"Ich mag die Melancholie in Osteuropa"
Um sich inspirieren zu lassen, ist Erna Rot durch die musikalischen Zwanzigerjahre in Berlin gereist und das 21. Jahrhundert der Jazzmusik in den USA. Dazwischen gab es immer wieder Abstecher nach Osteuropa, zum Beispiel nach Moskau, eine Stadt der sie ein ganzes Lied auf ihrem Album gewidmet hat.
Musik: Moskau
Erna Rot: "Ich reise sehr gerne nach Osteuropa. Ich mag diese Melancholie verbunden mit dieser Offenheit. Ich fahr total gerne nach Kroatien, nach Slowenien oder nach Prag und mag die Musik dort, mag dass man da in den Keller gehen kann und dann spielt da ne Live-Band. Und dass es so eine Jugendkultur gibt, die sich auch mit so 'ner Musik identifizieren kann. Und ich mag die Melodien sehr gerne, vor allem diese Mischung zwischen Melancholie und diesem Jazzähnlichen, das ist jetzt nicht Swing, aber es geht ja schon sehr in die Richtung."
Hochintellektuelle Texte mag Erna Rot nicht. Ironie und sprachliche Bilder dagegen sehr. Ihre Texte sind voller Doppeldeutigkeit und Sprachwitz. In dem Lied "Hawai" heißt es zum Beispiel: Der Grad in deiner Scheu ist in der Hoffnung ganz verkehrt. Dem Elend bist du treu, dem Glück recht unversehrt. Und gleichzeitig ist ihr wichtig, dass ihre Lieder positiv und lebensbejahend klingen.
Erna Rot: "Was ich sehr, sehr gerne mag, sind Texte, die einfach verständlich sind und die überhaupt nicht kompliziert geschrieben sind, aber so 'ne Metaebene haben. Also komplizierte Gedanken einfach formuliert. Und ich find's auch interessant, weil sie dadurch total doppeldeutig sind. Meine Texte, die verstehen die Ironie nicht und nehmen die Texte genau so, wie ich sie geschrieben habe und finden sie toll. Es gibt so ein Lied, das heißt Ahoi."
Musik: Ahoi
Erna Rot: "Das handelt eigentlich wo einer Frau, die auf ihren Mann wartet, der sie die ganze Zeit alleine lässt und sie mit ihrem Kind zu Hause ist und letztendlich sich sogar umbringt. Das hört keiner. Keiner hört, dass diese Frau auf ihren Mann wartet und aus Sehnsucht, weil er nicht zurück kommt sich dann das Leben nimmt. Also eigentlich ist es eine tragische Geschichte. Aber Ahoi-das Lied klingt so nett, dass alle mitschunkeln und alle denken, ach ist das ein tolles Lied, ein Seemannslied, so fröhlich, so lebensbejahend."
Auch wenn man sich beim Hören manchmal vielleicht an Bertolt Brecht oder Kurt Weill erinnert fühlt, alle Texte stammen von Erna Rot, bis auf "Liebesleid" von Fritz Kreisler. Aber das interpretiert sie so eigenwillig, dass man kaum glaubt, es schon mal gehört zu haben.
Es ist genau dieses Unvorhersehbare, Überraschende - sowohl in ihrer Musik als auch in ihren fast ausschließlich deutschen Texten, die dieses Debüt von Erna Rot zu etwas Besonderem macht. Ein Album voller Reiseerlebnisse, Außenseiter und Verliebte, voller Chanson, Jazz und soviel mehr.
Musik: Liebesleid
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