Erkenntnisse mit kurzer Halbwertszeit

Von Ralf Krauter · 20.03.2011
Mehr als 7000 Physiker haben sich diese Woche in Dresden zum Physikertreffen in diesem Jahr geladen. Kernenergie spielte im Konferenzprogramm nur eine Nischenrolle, war auf den Fluren aber ein viel diskutiertes Thema.
Mehr als 7000 Physiker aus aller Welt haben sich diese Woche in Dresden versammelt: Die deutsche physikalische Gesellschaft hatte zum weltweit größten Physikertreffen in diesem Jahr geladen. Das Konferenzprogramm der Veranstaltung war so dick wie ein Telefonbuch. Und obwohl Kernenergie darin eigentlich nur eine Nischenrolle spielt – die Experten dafür treffen sich kommende Woche in Münster – war sie auf den Fluren natürlich ein viel diskutiertes Thema.

Die versammelten Fachleute wurden von den nicht abreißenden Hiobsbotschaften über außer Kontrolle geratene Kernreaktoren und Kernschmelzen ebenso überrollt wie alle anderen auch. Die Halbwertszeit ihre Einschätzungen betrug oft nur Stunden. Dann machten neue Ereignisse neue Bewertungen erforderlich.

Weil Kernphysiker auf der Dresdener Konferenz nur spärlich vertreten waren und die japanischen Behörden und Kraftwerksbetreiber Informationen nur häppchenweise publizierten, taten sich die Fachleute genauso schwer, die Brisanz der Situation einzuschätzen, wie Otto-Normalbürger. Und bei der Frage, welche energiepolitischen Konsequenzen aus der Atomhavarie in der Hightech-Nation gezogen werden sollte, zeigten sie sich ebenso uneinig. Zwar war Konsens, dass erneuerbaren Energien die Zukunft gehört und Atomkraft ein Auslaufmodell ist. Aber wie schnell die Energiewende in Deutschland zu schaffen ist, da klafften die Meinungen auseinander.

Für den wahlkampftaktischen Wankelmut der Politiker zeigte die Mehrheit der Physiker kein Verständnis. Obwohl viele der Forscher an Wind- und Sonnenstrom, an Speicher-, Netzwerk- und Übertragungstechnik tüfteln, waren die Befürworter einer radikalen Energiewende eher in der Minderheit. Ein sanfter kontrollierter Übergang scheint den meisten cleverer als politische Schnellschüsse.