Erfrischender Museumsneubau

Von Rainer Zerbst · 09.01.2006
Das LiMo in Marbach ist kein Erfrischungsgetränk, sondern das Kürzel für das Literaturmuseum der Moderne. Den Museumsneubau kann man jetzt vor der eigentlichen Eröffnung im Sommer besichtigen und so die Raffinessen des Architekten David Chipperfield auskosten.
Zugegeben: der Anblick von außen ist erst einmal gewöhnungsbedürftig. In der Mitte des großen Platzes das alte Literaturarchivgebäude, daneben nun der neue Bau, eindeutig ein modernes Gebäude mit rechtwinkligen Kanten, viel Glas und viel Beton. Für die Architekten, so Projektarchitekt Alexander Schwarz, der das Gebäude unter der Ägide von David Chipperfield realisiert hat, eine besondere Herausforderung.

"Wir haben versucht, unser Gebäude so zu entwickeln, dass es immer, wenn es zusammen mit dem alten Gebäude in den Blickwinkel kommt, eher klein und zurückhaltend wirkt, und von den anderen Ansichten sieht man dann, dass es sich am Ende doch um ein großes Gebäude handelt."

Die Größe! In der Tat wirkt der neue Bau zunächst erstaunlich klein. Man sieht nur das oberste Geschoss, und das enthält das Foyer sowie einen kleinen Vortragsraum. Vom eigentlichen neuen Museum ist da erst einmal nichts zu erkennen. Dazu muss man hinuntersteigen, gewissermaßen in die Katakomben mit den großen Ausstellungsbereichen.

Aber schon der erste Eindruck von außen macht deutlich, dass die Architekten ein Gebäude voller architektursymbolischer Anspielungen errichtet haben, Anspielungen nicht auf die Architekturgeschichte, was ja auch denkbar wäre, sondern Anspielungen auf die Funktion des Gebäudes. So ist dieses erwähnte Obergeschoß geprägt durch riesige Glasflächen - Transparenz also. Aber: Dieser Glaswürfel ist umrahmt von lauter Betonsäulen, gesichert wie ein Tresor - wie es passender für ein Museum nicht sein könnte, das ja innen große Schätze birgt, in diesem Fall tief unten, in den Berg hineingebaut.

"Unterkellert bis zum Styx hat einer mal gesagt über die Marbacher Lagerstätten der Literatur. Es ist dann aber immer wichtig für den Besucher, dass er nicht den Außenraumbezug verliert. Wir haben das über kleine Tageslichträume realisiert und über die Durchblicke ist auch die Größe des Museums für den Besucher jederzeit abschätzbar."

Auf den ersten Blick scheint das Gebäude extrem nüchtern, ganz dem rechtern Winkel unterworfen - und doch erweist sich das Innere ausgesprochen rhythmisch. Es beginnt mit dem Entree, von dem aus man den Blick über das Neckartal hat, dann geht es hinunter, fast hat man den Eindruck, in die Katakomben - und auch dort rechtwinklige Ausstellungsräume, aber nicht in derselben Aufteilung wie das obere Geschoß. So hat man zunehmend den Eindruck, in ein Gewirr von Gängen und Räumen zu gelangen. Das Haus entwickelt zunehmend einen Sog nach innen, hin zu den Exponaten.

"Alle Ausstellungsräume haben unterschiedliche Deckenhöhen, die finden alle ihre eigenen Proportionen und dann eben der Übergang von den Terrassen zur Eingangsloggia, die Treppe hinunter, das ist nun ein sehr fließender Raum, der dann auch in der unteren Halle einmal sehr dramatisch wird, wo ein elf Meter hoher Raum sich dem Besucher eröffnet, der die volle Höhe des Gebäudes genießt."

Dieser Wechsel wirkt geradezu erlösend. Immer wieder hat man Ausblicke nach oben in den Himmel oder in den Umgängen hinaus in die Landschaft. So lösen einander konzentrierter Ausstellungsraum und Rekreationsraum ab. Diese Räume sind hell, warm und mit weichen Filzbänken ausgestattet, während die Ausstellungsräume mit ihren lichtempfindlichen Exponaten dunkel sind, so dunkel wie selten in einem Museum. Die Dunkelheit der Raumgestaltung lenkt die Konzentration ganz auf das Wesentliche.

"Diese Konzentration, die die Exponate erfordern, und dem gegenüber der Ausblick über das Neckartal mit all seiner der Kulturlandschaft geschuldeten Merkmale von Weinbau bis Kraftwerk sind die beiden Pole, die das Museum versucht auszukosten."