Enzyklika zum Duellwesen

"Ehre und Töten sind sittlich nicht vereinbar"

Das undatierte Szenenfoto zeigt Edmont Dantes (r), gespielt von Jim Caviezel, im Duell mit seinem früheren Freund Fernand Mondego (Guy Pearce) im Film "Monte Christo".
Szene aus dem Film "Monte Cristo". © dpa / Spyglass_Entertainment_Group
Von Jürgen Bräunlein · 12.09.2016
Viele berühmte Persönlichkeiten starben bei einem bewaffneten Duell, von Puschkin bis Lassalle. Jahrhundertelang kämpfte die katholische Kirche gegen diese Praxis, so auch Papst Leo XIII. In seiner Enzyklika "Pastoralis officii" verurteilte er 1891 das Duellwesen.
(Film "Effi Briest") "Bereit, meine Herren? - Eins! Zwei! Feuer!"
Duell in den Dünen. Baron von Instetten erschießt Major von Crampas, den ehemaligen Liebhaber seiner Frau, und verteidigt so erfolgreich seine Ehre in Theodor Fontanes Roman "Effi Briest", inspiriert von einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 1886. Zu dieser Zeit haben Duelle in Europa Hochkonjunktur, besonders im Deutschen Kaiserreich. Zeitungen, die davon berichten, verhelfen dem Thema zu Popularität. Duellratgeber und Ehrenbreviere überschwemmen den Buchmarkt. Für Adelige, Offiziere und Studenten, später dann auch standesbewusste Bürgerliche, ist das Duell zum Männlichkeitsbeweis par Excellence geworden. Der eigene Tod wird dabei willentlich in Kauf genommen.
"Die Logik liegt erstens darin, dass man den anderen als satisfaktionsfähig anerkennt, man kann sich nicht mit jedem duellieren. Also wir können uns nur duellieren, wenn wir anerkennen, wir sind auf einer Ebene, quasi aus einem Stand. Zweitens: wir überlassen es nicht den Gerichten. Es geht nicht um wahr oder falsch, sondern es geht um Ehre erhalten und Ehre bewahren oder nicht. Beide, auch der Verlierer, hat seine Ehre verteidigt. Auch wenn er dabei sozusagen untergegangen ist."
... so der Historiker Winfried Speitkamp. Andere sahen das schon damals zynischer. Spöttisch schrieb Nietzsche 1881 in seinem Buch "Morgenröte":
"Das Duell ist der letzte übrig gebliebene, völlig ehrenvolle Weg zum Selbstmord, leider ein Umschweif und nicht einmal ein ganz sicherer."
Anton Tschechow war in seinem Drama "Drei Schwestern" noch boshafter. Der greise Militärarzt und Quartalssäufer, der sich hier als Duellbeistand zur Verfügung stellte, kommentiert:
"Ein Baron mehr oder weniger – ist das nicht völlig egal?"
Katholiken im Dilemma
Seit dem 16. Jahrhundert bürgerte sich das Duell als Form des männlichen Zweikampfs in Europa ein, nach dem Dreißigjährigen Krieg vermehrt auch in den deutschen Territorien. Seinen Höhepunkt erreichte dieser Brauch im Kaiserreich: Allein zwischen 1882 und 1912 wurden 2111 Strafverfahren gegen Duellanten eingeleitet. Doch war das nur die Spitze des Eisbergs, denn die meisten Duelle wurden nie aktenkundig. Verurteilt wurde milde. Die Höchststrafe war eine Festungshaft von wenigen Monaten. Das Reichstrafgesetzbuch von 1871 verbot zwar den Zweikampf mit tödlichen Waffen, wertete ihn aber andererseits als Sondertatbestand mit geringer Strafandrohung.
Vor allem Katholiken gerieten in ein Dilemma: Folgten sie den Gesetzen der Standesehre und duellierten sich, stellten sie sich außerhalb ihrer Kirche. Gehorchten sie dem katholischen Duellverbot, verloren sie ihr gesellschaftliches Ansehen, und das zählte viel im Kaiserreich. Schließlich hatte auch Reichskanzler Bismarck Duellerfahrung und behauptete:
"Das Duell ist pietistisch."
Drei Seiten Text nach langem Schweigen
Katholische Geistliche, die um Rat gefragt wurden, waren vielfach überfordert. So baten die Bischöfe des Deutschen Reichs und Österreich-Ungarns Papst Leo den Dreizehnten im Jahr 1890 um eine Stellungnahme, denn Rom hatte schon länger zum Thema Duell geschwiegen. Am 12. September 1891 antwortete der Papst mit der Enzyklika "Pastoralis officii". Darin stand jedoch nichts Neues. Auf drei Seiten wurden lediglich alle bisherigen Argumente der Kirche für ein Duellverbot zusammengetragen. Der Kernsatz lautete:
"Ehre und Töten sind sittlich nicht vereinbar."
In Kontinentaleuropa hielt sich das Duell noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Erste Weltkrieg zerstörte den Mythos eines Heldentums "Mann gegen Mann" endgültig. In der Weimarer Republik hatte man so viel Abscheu vor Ehrenritualen, dass man sogar die Verleihung von Orden verbot. Das mutmaßlich letzte Degenduell Europas ereignete sich schließlich am 21. April 1967 in Paris, als sich der sozialistische Fraktionschef Gaston Defferre und der konservative Abgeordnete René Ribière duellierten. Einer der Sekundanten war Jean-Marie Le Pen, späterer Rechtspopulist und erzgläubiger Katholik.