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Rheinland-Pfalz
Rechtsruck in der Provinz?

Kurz vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz machen rechte Parteien Stimmung gegen die Flüchtlingspolitik der Landesregierung. Mit Demonstrationen und Wahlveranstaltungen gehen sie auf Stimmenfang in der Provinz. Prominente Unterstützung erhalten sie von Pegida-Anhängern aus Dresden.

Von Marina Schweizer | 07.03.2016
    Die ersten Flüchtlinge sind am 29.10.2015 im Lager Stegskopf auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Daaden (Rheinland-Pfalz) angekommen.
    Stegskopf im Westerwald: Hier können bis zu 5000 Flüchtlinge untergebracht werden. (dpa/picture alliance/Thomas Frey)
    "Das sind Baracken, das sind zum Beispiel schon Unterbringungsgebäude. Sie sehen, hier ist alles eingezäunt. Was eingezäunt ist, sind ungefähr 26 Hektar."
    Der Stegskopf – die zweitgrößte Erhebung des Westerwaldes, am Nordrand von Rheinland-Pfalz. Heinz Dücker, ein älterer Herr im dunklen Anorak, führt über den Parkplatz vor dem ehemaligen Kasernentor, heute der Eingang zur Erstaufnahmeeinrichtung Stegskopf. Der Aufschrei in den umliegenden Gemeinden war groß, als die Landesregierung im vergangenen Oktober erklärte, hier könnten bald 3.000 bis 5.000 Geflüchtete angesiedelt werden.
    "Das hat die Leute unwahrscheinlich aufgeschreckt"
    Heinz Dücker ist Bürgermeister von Emmerzhausen, der Gemeinde, auf deren Gebiet die ehemalige Kaserne liegt. Man sei nicht gegen die Flüchtlinge. Dücker verweist immer wieder auf die vielen freiwilligen Helfer in der Region. Aber:
    "Das ist hier eine sehr dünn besiedelte Region. Wenn oben 5.000 Leute wären und wir hier unten mit 640. Keine Gemeinde drum herum hat mehr als 1.300 Einwohner."
    Ärger über schlechte Kommunikation
    Die Zahlen am Stegskopf schwanken. Vergangene Woche wohnten dort weniger als 300 Flüchtlinge. Die Kommunalpolitik ist hauptsächlich über Kommunikation und Vorgehensweise der Landesregierung verärgert, fordert die Zusage einer Obergrenze von 1.500 Flüchtlingen: Deshalb liegt Dücker, SPD-Mitglied, mit der rot-grünen Landesregierung im Clinch. Mitten im Wahlkampf.
    Ängste hätten sich inzwischen abgebaut, sagt der Bürgermeister. Die Ereignisse am Abend in Westerburg, eine halbe Autostunde von Emmerzhausen entfernt, sprechen eine andere Sprache.
    Der Platz vor der Westerburger Stadthalle ist trotz eisiger Temperaturen gut gefüllt. Nach Angaben der Polizei sind es um die 400 Menschen. Eine Gruppe mit dem Titel "Bekenntnis zu Deutschland. Stegskopf – wir sagen nein." hat zur Demonstration aufgerufen. Die fünfte dieser Art in der Region.
    "Heimat und Freiheit lassen wir uns nicht nehmen. Nicht von Asylmutti Merkel, nicht von den roten Teufeln in Mainz und erst recht nicht von ihren regionalen Steigbügelhaltern und Stiefelleckern."
    Unterstützung von Pegida aus Dresden
    Man wolle nicht im Namen einer Partei sprechen. Der Organisator war AfD Mitglied. Ob er es noch ist, ist unklar. Pegida im Westerwald: Als Gastrednerin geladen ist eine der umstrittenen Dresdner Protagonisten: Tatjana Festerling:
    "Liebe Freunde, wir verfolgen in Dresden mit großer Aufmerksamkeit, was Politiker euch hier im Westerwald zumuten."
    Der Stegskopf und die anfänglichen Ängste als Anknüpfungspunkt für die Rechten – wenige Wochen vor der Landtagswahl. In Westerburg wird viel über extra angereiste Teilnehmer spekuliert, die hier gezielt Stimmung machten, nach Erkenntnissen der Polizei stammen durchaus viele Demonstranten aus dem Westerwald. Die AfD kommt in Wahlumfragen in Rheinland Pfalz auf 10 Prozent und die Polizei im Westerwald bestätigt: In diesem Ausmaß hat es solche Demonstrationen im oberen Westerwald noch nicht gegeben.
    Wenige Hundert Meter entfernt auf dem Marktplatz demonstrieren etwa 500 Menschen für Menschlichkeit und Toleranz. Dort steht auch Ralf Seekatz, der Bürgermeister von Westerburg. Für den CDU-Politiker geht es um den Wiedereinzug in den Landtag. Heute sei Wahlkampf tabu sagt er, doch er will auch die Menschen, die ein paar Hundert Meter weiter demonstrieren, nicht herschenken:
    "Die Menschen, die Fragen haben, sind offen für Argumente. Es gibt viele Mitläufer, und es wird immer irgendwelche Knallköpfe geben. Aber gerade die Mitläufer, die die Einzelheiten und Hintergründe nicht kennen, das ist unser Job als Politiker, mit denen zu reden, damit sie nicht zu den Rechten überlaufen."
    AfD verdrängt etablierte Parteien
    Eine Möglichkeit der Abgrenzung zur SPD, deren Spitzenkandidatin Dreyer den Dialog mit der AfD in einer TV-Debatte verwehrt. Und die in der Flüchtlingspolitik eher den Kurs der CDU-Kanzlerin fährt als CDU-Frau Klöckner. Die versucht sich in der Flüchtlingspolitik forsch mit neuen Konzepten zu profilieren. Für viele sind das wichtige Nuancen, für einige Wähler genügt das nicht. Durch die Politik am Stegskopf würden Politiker der großen Parteien von einigen abgestraft, fürchtet Seekatz‘ Bürgermeisterkollege Heinz Dücker aus Emmerzhausen:
    "Ich glaube auch, dass die AfD, hier bei uns in der Gegend, zumindest die Leute den etablierten Parteien einen Denkzettel verpassen."
    An der Hauptstraße in seiner Gemeinde hat inzwischen auch die rechtsextreme Partei Der Dritte Weg ihre Wahlplakate aufgehängt. Man hat wohl Potenzial erkannt. Und für den Wahltag hat sich in diesem kleinen Nest im Westerwald ein Meinungsforschungs-Institut angemeldet.