Ensemble "Sanstierce"

Marienlieder als christlich-islamisches Projekt

Die Musikgruppe "Sanstierce": Maria Jonas, Bassem Hawar, Dominik Schneider (v.l.n.r.)
Die Musikgruppe "Sanstierce": Maria Jonas, Bassem Hawar, Dominik Schneider (v.l.n.r.) © Sanstierce
Von Simon Schomäcker  · 24.04.2016
In der aktuellen Debatte wird oft vergessen, dass Christentum und Islam viel gemeinsam haben und sich auch auf gemeinsame Quellen beziehen. Das Ensemble "Sanstierce" möchte musikalisch darauf hinweisen – mit außergewöhnlichen Arrangements.
Ein Probenraum im Zentrum für Alte Musik in Köln-Ehrenfeld. Die drei Musiker vom Ensemble "Sanstierce" haben sich hier getroffen, um Stücke für ein anstehendes Konzert einzustudieren.
Sängerin Maria Jonas und Dominik Schneider an der Flöte und der lautenartigen Quinterne kennen sich durch die Arbeit: Beide sind Dozenten für Mittelaltermusik an der Essener Folkwang-Universität. Seit 2014 spielen sie zusammen mit Bassem Hawar aus Bagdad. Er spielt die Djoze – eine irakische Kniegeige. In dem Konzertprogramm "Nostre Dame" geht es um Gemeinsamkeiten von Christentum und Islam. Als Grundlage dafür dienten Stücke aus dem 13. Jahrhundert. Sie stammen aus der Pariser Notre-Dame-Schule, erläutert Dominik Schneider:
"Wir haben aus dem Notre-Dame-Repertoire eben 'Nostre Dame' gemacht, also 'unsere liebe Frau', die natürlich sowohl in der Bibel als auch im Koran eine Rolle spielt. Und man sieht auch da schon bei den alten Schriften, dass die Figuren gar nicht so weit auseinander sind, wie vielleicht von einigen Leuten behauptet wird."
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Bad Orb, katholische Kirche St. Martin, Innenaufnahme des Marien-Altars© picture alliance / dpa / Friedel Gierth

Von Artemis über die Muttergöttin bis zur Muttergottes

In Kleinasien wurde schon seit der Antike in der griechischen Mythologie die weibliche Gottheit Artemis verehrt. Im Konzil zu Ephesos wurde im Jahr 431 n. Chr. schließlich die Gottesmutterschaft Mariens zum Glaubenssatz erhoben. Auf dem Gebiet von Ephesos, an der türkischen Westküste, liegt heute die Stadt Selcuk. Hier befindet sich mit dem "Haus der Mutter Maria" ein Wallfahrtsort. Sowohl Christen als auch Muslime betrachten ihn als zeitweiligen Wohnort Mariens, weiß Maria Jonas:
"Auf diesem Landstrich hat sich der Marienkult im Prinzip entwickelt, heraus aus der heidnischen Muttergöttin. Und es ist eben unglaublich interessant und spannend, dass sowohl das Christentum als auch der Islam das adaptiert haben. Und das wollte ich nochmal ins Bewusstsein rufen, weil im Moment doch die Situation da ist, dass man mehr die Gegensätze aufzeigt."
Mit ihrer Musik möchten "Sanstierce" die religiösen und musikalischen Gegensätze in Ost und West verschwimmen lassen. Das zeigt auch der Name des Trios: "Sanstierce" bedeutet "ohne Terz", also die Aufhebung der strikt notierten Dur- und Moll-Raster in der westlichen Musik. Das stilprägende Instrument ist dabei die Djoze mit ihrem nasalen, durchdringenden Klang. Bassem Hawars arabische Wurzeln prägen die Arbeit des Ensembles auf besondere Art und Weise, erklärt Maria Jonas:
"Er richtet sich nicht nach Noten, sondern er lebt ja in einer anderen Musikwelt, die nicht notiert ist. Und davon müssen wir auch im europäischen Mittelalter ausgehen, dass sämtliche Musiker, die Sänger begleitet haben, das ohne Noten gemacht haben."
Die Kniegeige sieht aus wie ein Miniatur-Cello mit Banjo-Korpus, das auf dem Knie stehend mit einem Bogen gestrichen wird.

Entdeckung maurischer Instrumente und Klänge

"'Djoz' heißt Nuss und der Körper von der Djoze ist gebaut aus einer Kokosnuss-Schale",
erläutert Bassem Hawar.
"Die Djoze kommt aus Indien und ist etwa 5.000 Jahre alt. Das Fell ist aus Fischhaut. Zuerst spielte man das Instrument mit einer Saite und danach wurden es langsam vier."
Die Quinterne hat ihren Ursprung im Jemen, obwohl sie auch in Europa weit verbreitet war. Dominik Schneider zeigt das kleine, lautenförmige Zupfinstrument mit fünf Nylon-Doppelsaiten.
"Die Stimmung, die ist so ein bisschen verwandt mit dem Oud. Und so schließt sich da für mich der Kreis, weil es eigentlich genau das ist, was damals passiert ist: Damals hat man die Instrumente von den Mauren zu uns gepackt. Und wir gehen oder ich gehe jetzt wieder dort hin zu den Ursprüngen und suche die Wurzeln dieses Instrumentes heraus."
Konzertreisen führten die drei Profimusiker schon in Kirchen und Klöster in ganz Europa. Bei seinen Konzerten betont das Trio nicht nur die musikalische Schnittmenge, sondern stellt auch die Gemeinsamkeiten der beiden Religionen heraus. Gerne würde das Ensemble auch Konzerte im arabischen Raum spielen. Doch das ist zurzeit schwierig, erklärt Bassem Hawar:
"Wo können wir momentan spielen? Also man sieht ja, was in den Kulturländern Syrien, Irak und Ägypten passiert, leider. Aber wir hoffen, bald in marokkanischen Ländern Projekte zu machen und dort spielen zu können."

Alles über "Sanstierce" im Internet
www.sanstierce.de

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