Energiewende

"Effizienz ist die Option der Zukunft"

Ein Hochspannungsmast in Bayern
Die Energiewende kann nur durch mehr Sparsamkeit und Effizienz gelingen, sagt Peter Hennicke. © dpa / picture-alliance / Sven Hoppe
Moderation: Julius Stucke · 25.10.2014
Wie steht's um die Energiewende? Einer ihrer frühen Wegbereiter, der Klimaexperte Peter Hennicke, warnt: In Deutschland geht die Umstellung noch immer zu langsam voran. Nun müsse endlich konsequent Energie gespart werden.
Julius Stucke: Seit ein paar Jahren ist sie in aller Munde, die Energiewende: nachhaltige Energieversorgung, erneuerbare Energien. Seit ein paar Jahren doktert auch die Politik eifrig dran rum, aber es gibt natürlich Menschen, die haben sich schon viel länger mit dem Thema auseinandergesetzt, haben sich gefragt: Wie können wir denn Energie sparen, wie können wir die Energiegewinnung ökologischer gestalten und das Ganze auch wirtschaftlich umsetzen?
Seit Jahrzehnten befasst sich Peter Hennicke mit diesen Fragen, mittlerweile emeritierter Professor für Wirtschaftspolitik und Energiewissenschaft. Morgen wird er für seine Forschung und Arbeit ausgezeichnet mit dem Deutschen Umweltpreis, und jetzt ist er hier bei „Studio 9". Ich grüße Sie, Herr Hennicke!
Peter Hennicke: Ja, ich grüße Sie auch!
Stucke: Erst mal herzlichen Glückwunsch natürlich!
Hennicke: Vielen Dank!
Eine "tolle persönliche Ermutigung"
Stucke: Wie viel bedeutet Ihnen denn persönlich diese Auszeichnung, immerhin der höchstdotierte Preis dieser Art in Europa?
Hennicke: Das ist eine tolle persönliche Ermutigung, aber auch für alle meine Mitstreiter und vor allen Dingen auch fürs Wuppertal-Institut und das Öko-Institut – das waren meine beiden wichtigsten Wirkungsstätten.
Und ich denke, dass wir jetzt einen neuen Anlauf machen können, denn wir sind immer noch ziemlich ungeduldig: Die Energiewende geht nicht in dem Tempo, wie sich das viele wünschen, und insofern ist noch viel zu tun.
Von der Vision einer winzigen Minderheit zur Mehrheitsposition
Stucke: Sie haben mal geschrieben: „Die Energiewende ist möglich." So haben Sie in den 80er-Jahren ein Buch überschrieben. Ist es dann, auch wenn es noch zu langsam geht, doch späte Genugtuung gewesen, dass das Thema Energiewende dann irgendwann auch in der Politik angekommen ist?
Hennicke: Ja, als wir gemeinsam dieses Buch 1985 geschrieben haben im Umfeld des Öko-Instituts, war das eine Vision einer winzigen Minderheit, das muss man sehr offen und sehr pragmatisch heute so sehen. Dass es heute eine Mehrheitsposition dazu gibt und zwar nicht nur in der Politik, sondern vor allen Dingen auch in der Wissenschaft, in der Zivilgesellschaft, ist eine enorme Freude und Genugtuung.
Aber wie gesagt, Energiewende, so, wie wir sie damals vorausgedacht haben, ist weit mehr als eine Stromwende. Es ist ein gesamter Transformationsprozess, weg von Öl, von Kohle - und Uran selbstverständlich. Das heißt, der Gebäude- und der Verkehrssektor sind wesentliche Teile dieser Wende.
Paradigmenwechsel in der Politik steht gleichwohl noch aus
Stucke: Welche Punkte sind denn die, wo Sie sagen: Da ist die Politik gerade nicht so richtig dabei, das auf den richtigen Weg zu bringen beziehungsweise es dauert zu lange?
Hennicke: Ich glaube, dass wir immer noch angebotsorientiert an die Frage rangehen, das heißt, Energieversorgung als eine Option verstehen, die man prioritär behandeln muss. Wenn man sich aber Szenarien anschaut über die Zukunft, und zwar überall, nicht nur für Deutschland, dann müssen 50 Prozent des Problems durch Energie einsparen, Energieeffizienz gelöst werden.
Das heißt, es ist ein vollständiger Paradigmenwechsel in der politischen Denke, aber auch in den Institutionen, die eine drastische Energieeinsparung – und zwar mit volkswirtschaftlichem Gewinn bis 2050 – umsetzen müssen. Da sind wir leider noch weit entfernt. Aber Europa hat ja gerade ein kleines Signal gegeben, dass es mit der Energieeffizienz ernster machen möchte.
"Ärgerlich": Großbritanniens Energiepolitik
Stucke: Ist denn das ein gutes Signal gewesen? Man hat sich ja geeinigt: 27 Prozent Energie einsparen und 27 Prozent erneuerbare Stromerzeugung in den kommenden Jahren. Wie viel wert ist diese Einigung?
Hennicke: Das ist einer dieser Kompromissschritte, die wir aus der Union kennen und die wahrscheinlich unumgänglich sind. Richtig ärgerlich finde ich das Argument von David Cameron, dass Energiesparen zu teuer sei. Er baut ja ein Atomkraftwerk mit elf Cents garantiert über 30 Jahre.
Und Energie sparen – da gibt es viele, viele empirische Belege – kostet so ungefähr zwei bis drei Cents pro Kilowattstunde, wohlgemerkt für die gleiche Energiedienstleistung. Also wenn Herr Cameron mal die Berichte seiner eigenen Forschung, aber auch die internationale aus Amerika, aus Deutschland zur Kenntnis nehmen würde, dann würde er aus ökonomischen Gründen auf die Kernkraft verzichten.
Ein Schritt zur risikovermeidenden Energiewirtschaft
Stucke: Nun ist es ja eine Sache, wie die Politik ans Energiesparen rangeht, aber eine andere ist die, dass es uns auch alle betrifft, also uns Menschen und unseren Energiehunger. Nun ist es vermutlich eines der schwersten Dinge überhaupt, die Gewohnheiten der Menschen zu ändern. Ist das ein Grund, warum Energiewende eben auch in den kommenden Jahren besonders schwierig wird, weil keiner so richtig gerne Energie spart und darauf jeden Tag achtet?
Hennicke: Ja, das ist eine dieser vielen Legenden, dass Energiesparen bedeutet den Gürtel enger schnallen oder vielleicht sogar höhere Kosten aufzubringen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir könnten unsere Energiekostenrechnungen dramatisch entlasten von Belastungen. Wir können unsere Versorgungssicherheit als Volkswirtschaft verbessern.
Wir können Risiken vermeiden, nicht nur bei der Atomenergie, sondern natürlich auch beim Klima. Also von daher ist Energieeffizienz nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern in Richtung einer wirklich risikovermeidenden Energiewirtschaft die Option der Zukunft.
700 Euro Stromkosten sparen durch neue Haushaltsgeräte
Stucke: Aber welchen Schritt muss trotzdem jeder Einzelne von uns mitgehen, damit das funktioniert?
Hennicke: Also ein Beispiel: Wenn man seine Haushaltsgeräte auf den heute verfügbaren technisch möglichen Stand bringt und zwar immer dann, wenn ohnehin angeschafft wird, dann kann man zwei Drittel seiner Stromrechnung vermeiden. Das kostet am Anfang ein bisschen mehr, aber wenn Sie zwei Drittel Strom einsparen, dann sparen Sie ungefähr 700 Euro pro Jahr. Das reicht nach zwei Jahren, um alle Mehrkosten zu refinanzieren.
Also hier ist dringend Nachholbedarf in der Aufklärung, in Anreizen, in Informationskampagnen, dass die Haushalte, aber auch kleinere und größere Unternehmen wissen, dass Energiesparen für sie eine wichtige Option ist, auch um Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
Stucke: Ist fehlende Aufklärung auch der Grund, warum doch viele Menschen im Moment so das Gefühl haben: Energiewende, Ökostrom – das alles ist Schuld daran, dass wir eine höhere Stromrechnung zahlen?
Hennicke: Also die Stromrechnung ist, teilweise politisch motiviert, zu hoch nach oben gegangen, gerade weil die Stromrechnung aber auch bei der Energiewende am Anfang eine gewisse Vorfinanzierung verlangt. Das ist nicht wirklich offen kommuniziert worden von der Politik. Gerade deshalb ist das Energiesparen so wichtig, weil es auch bei höheren Preisen die Energierechnung stabilisiert.
Wir brauchen eine "Bundeseffizienzagentur"
Stucke: Herr Hennicke, eine Einschätzung: Ihr Buchtitel „Die Energiewende ist möglich" aus den 80er-Jahren – wann schreiben Sie das Buch „Die Energiewende ist erfolgreich abgeschlossen"?
Hennicke: Wenn die Energieeffizienz ernst genommen wird, würde ich gern in zehn Jahren sagen: Wir sind noch nicht am Ziel, aber jetzt ist die Energiewende unumkehrbar. Ich habe noch Zweifel, ob dieser Richtungswechsel tatsächlich ernst genommen wird. Er verlangt auch neue Institutionen – wir schlagen eine Bundeseffizienzagentur mit einem Energiesparfonds vor. Und die Politik ist noch zögerlich, ob sie solche Vorschläge wirklich offensiv aufnimmt. Aber ich bin ziemlich optimistisch: In zehn Jahren wird das Energiesparen die Rolle spielen, die ihm eigentlich aus wirtschaftlichen und auch aus versorgungstechnischen Gründen zukommt.
Stucke: Sagt Peter Hennicke, er war lange Jahre Präsident des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie, und Energieeffizienz, das war Jahrzehnte lang sein Thema, ist es bis heute, und morgen wird er für seine Arbeit mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet. Herr Hennicke, danke fürs Gespräch und einen schönen Tag!
Hennicke: Ja, ich bedanke mich auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema