Energiepolitik

USA halten deutsch-russischen Gashandel für gefährlich

Die Bohranlage 27 in den Weiten des Urengoj-Gasfeldes nahe der Stadt Nowy Urengoi, aufgenommen am 03.12.2014. Hier fördert das russisch-deutsche Unternehmen Achimgaz aus 4000 Metern Tiefe Gas auch für den europäischen Markt.
Eine Gasförderanlage nahe der russischen Stadt Nowy Urengoi © picture alliance / dpa / Ulf Mauder
Von Eleni Klotsikas  · 11.05.2015
Die USA schauen mit großer Skepsis auf die engen wirtschaftlichen Beziehungen, die Deutschland mit Russland im Energiesektor unterhält. Doch können Flüssiggas-Lieferungen aus den USA eine Alternative für russisches Gas sein?
Im Büro des US-Politinstituts German Marshall Funds in Washington herrscht an jenem Dienstag Anfang März reger Betrieb: Der Politikberater Steven Szabo stellt den geladenen Gästen aus Politik und Wirtschaft sein neustes Buch vor. Der Titel: "Deutschland, Russland und das Aufstreben der Geo-Ökonomie".
Darin rechnet Szabo gnadenlos mit der deutschen Außenpolitik ab. Szabo gilt in Amerika als ausgezeichneter Kenner der deutsch-amerikanischen Beziehungen, als Direktor der Transataltic Academy steht er in regem Austausch mit Politikern auf beiden Seiten.
"Deutschland hat seine Außenpolitik bisher ausschließlich an ökonomischen Interessen ausgerichtet, vor allem gegenüber Russland. Sicherheitsfragen spielten vor der Ukraine-Krise keine Rolle. Doch Deutschland kann nicht ewig auf dem US-Sicherheitsticket mitreisen und sich darauf verlassen, dass wir die Drecksarbeit machen."
"Deutschland muss umdenken"
Politikberater Szabo gehört zu den gemäßigten Stimmen im amerikanischen Politikbetrieb. Deutsche Unternehmen hätten über Jahrzehnte die Russlandpolitik der deutschen Bundesregierung bestimmt. Die hätte bei Menschenrechtsverletzungen weggeschaut, kritisiert er. Nun sei es an der Zeit, dass Deutschland seine ökonomischen Interessen zurückstelle, fordert Szabo:
"Russland stellt für uns alle eine große Gefahr dar. Wir müssen die Nato aufrüsten und ein klares Zeichen senden. Die ökonomischen Beziehungen mit Russland, vor allem im Energiesektor, scheinen es Deutschland besonders schwer zu machen, auf die strategische Herausforderung zu reagieren. Doch Deutschland muss umdenken."
Deutschlands enge Energiebeziehungen zu Russland stehen im Zentrum seiner Kritik.

Gazprom Germania, nebenbei auch Sponsor des Fußballclubs Schalke 04, kontrolliert 38 Prozent des deutschen Erdgasmarktes. Mehr als ein Drittel aller deutschen Öl- und Gasimporte stammen aus Russland. Amerika sieht darin seine Einflusssphäre in Europa gefährdet, glaubt Jacopo Pepe, vom Berlin Centre for Caspian Region Studies der Freien Universität Berlin:
"Das politische Interesse der USA besteht darin, Europa möglichst unabhängig von Russland zu machen bis hin zu einer Abkopplung Europas von den Energie- und Handelsbeziehungen mit Russland."
Als Folge der Ukraine-Krise mehren sich in den USA die Forderungen, durch Fracking gewonnenes Erdgas nach Europa zu exportieren:
"Wir arbeiten mit der EU daran, die Energielandschaft Europas sicherer zu machen",
verspricht Victoria Nuland, Europa-Beauftragte der US-Regierung bei einer Anhörung zur Ukraine-Krise im Congress. Sie will den Ausbau von Flüssiggas-Terminals in Nordeuropa und den Baltischen Staaten vorantreiben, damit das verschiffte Gas aus den USA importiert werden kann. Doch ökonomisch ist das gar nicht sinnvoll, sagt Severin Fischer, Energieexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, denn die Transportkosten von Erdgas aus den USA seien viel zu hoch:
"Sie müssen das Gas ja zuerst in Flüssigkeit verwandeln und dann auf dem Empfängermarkt das Gas wieder regasifizieren, das ist ein energieintensiver Prozess auch die Kühlung während dieser Fahrt und eine Transatlantikfahrt wäre ein teures Unterfangen."
"Russland kann man nicht ersetzen"
Mittel- bis langfristig wird es also keine Alternative zu Gaslieferungen aus Russland geben, glaubt auch Jacopo Pepe von der Freien Universität Berlin:
"30 Prozent der Lieferungen an Europa werden weiterhin durch Russland gedeckt, das heißt Russland kann man nicht ersetzen. Das heißt, die erneuerbaren Energien werden weiterhin eine große Rolle spielen. Zum Teil werden, wenn es dazu kommt, die Exporte aus den USA dazu beitragen, dass die Anzahl der Gaslieferanten sich diversifizieren wird. Aber es wird nichts dazu kommen, dass Russland keine oder eine sehr geringe Rolle in dem europäischen Gas- und Energiemix spielt."
Moskau am 9. Mai, Russland protzt mit der größten Militärparade seiner Geschichte. Der politische Konflikt verschärft sich indes zusehends. So haben die USA Tausende Panzer und Soldaten nach Osteuropa verlegt und ließen sie vor einigen Wochen in einem Militärkonvoi entlang der östlichen NATO-Grenze aufmarschieren. Trotz des militärischen Muskelspiels strömt weiterhin Gas aus Russland nach Europa, gut die Hälfte durch die Ukraine. Die Energiebeziehungen zwischen Europa und Russland zu politisieren oder gar in Frage zu stellen, wäre falsch, glaubt der Vertreter der Stiftung Wissenschaft und Politik Severin Fischer:
"Diese Abhängigkeit oder dieses Verhältnis ist ja auch immer ein gegenseitiges gewesen. Und das stabilisiert auch meiner Meinung nach politische Beziehungen. Man muss miteinander reden, weil man ja auch Geschäfte miteinander macht und das bietet immer einen Zugang für politische Akteure zur Gegenseite."
Der Transit-Vertrag zwischen der Ukraine und Russland läuft bis 2020. Russland hat angekündigt, ihn nicht zu verlängern. Ob es dabei bleibt und wie ein Teil des Gases dann nach Europa kommt, scheint unklar. Als sicher gilt nur: Auch Russland hat ein Interesse daran, Europa als Absatzmarkt nicht zu verlieren.
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