Endstation Kondome schlucken

02.09.2010
Sefi Atta, gebürtige Nigerianerin, liegt das Schicksal der Frauen in ihrer Heimat am Herzen. In ihrem zweiten Roman "It’s my turn!" geht es um die beiden Freundinnen Tolani und Rose, die beide in einer Bank in der nigerianischen Großstadt Lagos arbeiten.
Sie versuchen in diesem großen, dreckigen und korrupten Moloch zu überleben und teilen sich eine Wohnung. Das Leben ist hart, die Bezahlung mies und mit den Männern haben die Freundinnen auch kein Glück. Als beide Frauen kurz hintereinander ihren Job verlieren und Tolanis Freund Sanwo, statt sie endlich zu heiraten ihre gesamten Ersparnisse durchbringt, wird die Lage der beiden Frauen prekär.

Rose beginnt eine Beziehung mit dem zwielichtigen, aber smarten OC Okonkwo – einem Mann mit Geld. Er macht den beiden Freundinnen das Angebot, für ihn als Drogenkurier zu arbeiten. Sie sollen mit Kokain gefüllte Kondome schlucken und nach London schmuggeln. Sie üben eifrig das Schlucken, doch dann entscheidet sich Tolani - von Ekel und Schuldgefühlen getrieben - für einen anderen Weg, während Rose ihren bis zum bitteren Ende geht.

Sefi Atta schreibt die Geschichte aus Sicht der Ich-Erzählerin Tolani. Dabei geht es ihr nicht nur um die beiden Einzelschicksale der Frauen. Sefi Atta entwirft ein realistisches und erschreckendes Bild Nigerias unter der Militärherrschaft und vom häufig brutalen Überlebenskampf in der Großstadt Lagos.

In Rückblenden zu Tolanis Familie werden die Veränderungen innerhalb von zwei bis drei Generationen deutlich. Dabei stellt sie wie schon in ihrem ersten Roman "Sag allen, es wird gut!" die Position der Frauen in Frage.

Ihre Heldinnen überlegen, ob die alleinlebende emanzipierte Frau ein besseres Leben führt als die Frauen in den polygamen Großfamilien und welche Opfer Frauen bringen, wenn sie zumindest äußerlich eine monogame Ehe führen. Doch meistens haben die Frauen gar keine Wahl.

Sefi Atta sucht keine Patentantworten, aber allein den Finger in die Wunde zu legen und die Verhältnisse offen zu beschreiben und anzusprechen, ist erhellend. Dabei gelingt es der Autorin einen recht lockeren Ton zu behalten und nicht in Selbstmitleid zu versinken. Knapp und präzise ist ihre Sprache und führt die Geschichte mit Leichtigkeit und Tempo voran.

Damit gehört sie zur jungen Generation der afrikanischen Autoren, die sich nicht mehr in mystischen Bildern und verwobenen Sätzen ausdrücken. Dies ist sicher auch ihrer Ausbildung in England und den USA geschuldet und ihrem Creative-Writing-Studium in Los Angeles.

Die 44-jährige Autorin, die mit ihrer Familie in Meridan, Mississippi lebt, schaut von außen mit viel Empathie auf die Verhältnisse ihrer Heimatstadt, die ihr durch viele Reisen und Kontakte gut vertraut sind. So hat sie denn auch für ihren ersten Roman den Wole Soyinka Price for African Literature erhalten.

Besprochen von Birgit Koß

Seffi Ata: "It’s my turn!"
Aus dem Englischen von Eva Plorin
Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2010, 270 Seiten, 19,90 Euro