Emil Mangelsdorff wird 90

Von der Sprengkraft des Jazz überzeugt

Ein weißhaariger Herr in hellem Jackett, getönter Brille und umgehängtem Altsaxofon steht vor einem herrschaftlich anmutenden alten Gebäude. Rechts im Hintergrund: blauer Himmel und kahle Bäume.
Der Jazz-Musiker Emil Mangelsdorff mit seinem Saxophon vor dem Holzhausenschlösschen in Frankfurt am Main © picture-alliance / dpa / Christoph Schmidt
Von Ludger Fittkau · 11.04.2015
Als Jugendlicher war der Frankfurter Jazz- und Swing-Musiker so unangepasst, dass er während der Nazizeit sein Leben riskierte. Zu seinem 90. Geburtstag gibt Emil Mangelsdorff ein Konzert auf dem Eisernen Steg, der für ihn eine ganz besondere Bedeutung hat.
Emil Mangelsdorff gibt zu seinem Geburtstag ein improvisiertes Konzert auf dem Eisernen Steg. Die Mainbrücke aus dem 19. Jahrhundert ist ein Wahrzeichen Frankfurts. Auch für Emil Mangelsdorff ist der Eiserne Steg ein besonderer Ort. Er symbolisiert seinen persönlichen Triumph über die Nazis, die ihn in seiner Jugend verhaftet hatten. Weil er die damals verbotene amerikanische Swing-Musik spielte. Die oppositionelle Frankfurter Swing-Jugend, zu der Emil Mangelsdorff während des Dritten Reichs gehörte, hatte am Eisernen Steg ein gefährliches Satire-Foto geschossen:
"Wo wir so den Hitlergruß persiflieren und ich haben meinen Hut ins Genick geschoben. Und da ist der Eiserne Steg auch mit drauf. Es gibt mehrere Buchveröffentlichungen, wo das Foto abgedruckt ist. Die Gestapo hat das damals kommentiert, als sie das Bild fand. Das ist ihr in die Hände gefallen irgendwie. Unser Anliegen war, nationalsozialistische Symbole zu verhöhnen."
Mehrere Wochen in Gestapo-Haft
Verhaftungen und Folter im Frankfurter Gestapo-Keller waren die Folge für die Swing-Jugend vom Main – auch Emil Mangelsdorff durchlitt mehrere Wochen Haft. Dann schickte man ihn an die Ostfront. Dass er heute mit 90 Jahren auf dem Eisernen Steg Saxophon spielt, ist also großes persönliches Glück und politische Genugtuung.
Viele Passanten bleiben auf der Brücke stehen und erkennen Emil Mangelsdorff. Der Theaterregisseur Wolfgang Kaus kommt ebenfalls zufällig vorbei und umarmt den Neunzigjährigen.
Kaus: "Emil – sage mal! Dich zu sehen. Grüß Dich!"
Mangelsdorff: "Ja Gleichfalls."
Kaus: "Wie geht es Dir? Die alten Vendetten!"
Kaus selbst ist etwas zu jung, um die gefährlichen Aktionen der Swing-Jugend während der Nazi-Zeit selbst miterlebt zu haben. Doch die große Nachkriegszeit des Jazz in Frankfurt am Main hat er gut in Erinnerung. Emil und dessen 2005 verstorbener Bruder Albert Mangelsdoff gehörten sehr früh dazu, erinnert sich der Regisseur:
"Damals waren die großen Jazzer hier. Da ist der Jazz-Keller entstanden und die sind aus dem Nichts entstanden. Und diese große Zeit gibt es ja heute nicht mehr so. Aber es gibt noch so ein paar Relikte. Und da gehört der Emil halt dazu."
Seit Jahrzehnte eine Szene-Größe
Bluesy Sound von Klaus Doldinger, mit Emil und Albert Mangelsdorff sowie Volker Kriegel in einer Aufnahme des Norddeutschen Rundfunks von 1966. Emil Mangelsdorff gehört seit Jahrzehnten zur Crème de la Crème der deutschen Jazzszene. Insbesondere, wenn sich in Frankfurt am Main etwas tut, ist er immer dabei. Ob bei der Gründung eines Jazz-Ensembles des Hessischen Rundfunks oder bei Gesprächskonzerten, die er regelmäßig mit Jugendlichen durchführt. Immer wieder geht es dabei auch um die Nazi-Zeit. Für Emil Mangelsdorff ist der Jazz stets auch politisch – überwindet Grenzen und Konventionen. Gerne variiert der 90-Jährige auch heute noch Folk-Songs um zu zeigen, welche formale Sprengkraft im Jazz steckt.
Auf dem Eisernen Steg in Frankfurt am Main fühlt sich Emil Mangelsdorff kurz vor seinem 90. Geburtstag zunehmend wohl.
Seinen eigenen Sound höre er im Freien allerdings nicht so gut wie im Saal, sagt er. Doch der Auftritt auf der Mainbrücke erinnert ihn daran, dass die Song-Jugend während der Nazi-Zeit auch immer am Wasser traf. Um sich vor den Blicken der Gestapo zu verbergen, allerdings nicht mitten in Frankfurt, sondern etwas außerhalb im Ufergestrüpp des kleinen Flüsschens Nidda:
"Als Jugendlicher habe ich erlebt, dass wir uns zum Beispiel an der Nidda an so einem Badeplatz, der das war, trafen. Das Wetter war nicht besonders gut, aber das war auch in Ordnung so. Weil dann nicht gleich welche hinliefen und riefen vielleicht die Polizei oder die Gestapo oder so. Und da haben wir dann freien Jazz gespielt und manche haben auch getanzt und so was – illegaler weise."
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