EM-Tagebuch (7)

DFB-Elf mit erster Nullnummer dieser EM

Der deutsche Nationalspieler Jonas Hector und der polnische Nationalspieler Jakub Blaszczykowski beim Spiel Deutschland gegen Polen im Stade de France in Paris bei der Fußball-EM.
Deutsche und Polen ließen keine Tore zu © imago sportfotodienst
Von Thomas Wheeler · 17.06.2016
Wie so häufig bei Welt- oder Europameisterschaften hat sich Deutschland im zweiten Gruppenspiel sehr schwer getan. Am Ende steht ein schmeichelhaftes 0:0 gegen Polen.
Nehmen wir es mal positiv. Anders als gegen die Ukraine stand die Abwehr diesmal in der ersten Hälfte sehr sicher. Und nach dem Seitenwechsel bis auf wenige Ausnahmen auch. Das hatte gleich mehrere Ursachen. Die Rückkehr von Mats Hummels in die Innenverteidigung brachte der Viererkette deutlich mehr Stabilität. Diesmal arbeiteten sie in der Defensive alle zusammen. Dazu kam, dass sich auch das Mittelfeld und der Sturm nicht zu schade waren, hinten auszuhelfen, wenn die Polen mal gefährlich vor dem deutschen Tor auftauchten. Das es ein Spiel der Abwehrreihen war, unterstreicht auch die UEFA-Ernennung von Jerome Boateng zum Mann des Spiels.
Auf dieser Defensivleistung lässt sich aufbauen. Vorne jedoch, wo es gegen die Ukraine noch zweimal geklingelt hatte, fehlte es gegen eine sehr gut organisierte polnische Mannschaft an der Präzision im Paßspiel, der Zielstrebigkeit und dem Tempo in den Aktionen.
Möglichkeiten für den Weltmeister waren deshalb an einer Hand abzuzählen. Zweimal Götze per Kopf in der vierten und mit einem Schuss nach 47 Minuten, sowie Mesut Özil mit der besten Gelegenheit in der 69sten und Benedikt Höwedes kurz vor Schluss. Das war es.
Das polnische Team operierte wie fast immer aus einem dicht gestaffelten Abwehrverbund und agierte in der zweiten Hälfte auch bei den Angriffen durchdachter und zwingender. In der 46. Minute verpasste Stürmer Arkadiusz Milik eine Flanke von Kamil Grosicki nur ganz knapp. Statt einfach den Fuß hin zu halten, wollte er es besonders schön mit dem Kopf machen und verpasste die Eingabe. Nach einer knappen Stunde klärte Boateng im Strafraum gerade noch vor dem einschussbereiten Robert Lewandowski, und in der 68. Minute traf Milik den Ball nach einer Flanke von Grosicki nicht richtig.
Unter dem Strich bedeutet dies eine Punkteteilung, mit der Löws Männer angesichts der polnischen Großchancen in der zweiten Hälfte hochzufrieden sein können. Damit steht die DFB-Elf noch nicht im Achtelfinale und darf am kommenden Dienstag nicht gegen Nordirland verlieren.
Nordiren mit historischem Sieg
Der nächste deutsche Gegner ließ aufhorchen. Nach einer harmlosen EM-Premiere gegen die Polen stand das Team von Michael O´Neill auch gegen die Ukraine erneut sehr tief, verteidigte aber sehr variabel, manchmal sogar mit sechs Mann auf einer Linie. Bei strömenden Regen, der erst Mitte der zweiten Hälfte aufhörte, plätscherte die Begegnung vor sich hin. Dann trauten sich die Nordiren aus ihrer geordneten Defensivhaltung auch mal nach vorn, und gingen durch ihren Abwehrrecken Gareth Mc Auley per Kopf nach 49 Minuten in Führung. Wer nun gedacht hätte, die Ukrainer würden bedingungslos auf den Ausgleich drängen, sah sich getäuscht. Bis auf einen Fernschuss von Viktor Kowalenko, der nur knapp das Ziel verfehlte, und einem weiterem Versuch von Andriy Jarmolenko kam nichts. Die Entscheidung fiel in der sechsten Minute der Nachspielzeit, die auch deshalb so lang war, weil die Partie wegen eines heftigen Hagelschauers kurz unterbrochen war. Mittelfeldmann Niall Mc Ginn setzte mit einem Rechtsschuss den Schlusspunkt. Damit hat auch die "Green and White Army", wie die nordirische Mannschaft von ihren Fans genannt wird, die Chance sich für die erste K.O.-Runde zu qualifizieren.
Last Minute-Erfolg für England
Gegen die Russen waren die Three Lions noch die Leidtragenden und kassierten in der Nachspielzeit den Ausgleich. Gegen Wales war es genau anders herum, und die Engländer erzielten quasi mit dem Schlusspfiff das 2:1 durch Daniel Sturridge. Zuvor sah es zunächst nach einer weiteren Überraschung für die Waliser aus. Nach dem Sieg gegen die Slowakei waren sie durch einen 30 Meter-Freistoß von Gareth Bale kurz vor der Pause in Führung gegangen. Englands Torhüter Joe Hart sah dabei nicht gut aus und erinnerte in dieser Szene an frühere Pannen von Schlussmännern aus seinem Land, als er den Ball durchrutschen ließ. War es in der ersten Hälfte kein ansehnliches Spiel, sondern eher eine Kick&Rush-Partie nach altem britischen Muster, wurde es nach dem Seitenwechsel spielerisch deutlich besser. Gleich mehrfach tauchten die Engländer im Waliser Strafraum auf, trafen allerdings das Tor nicht. Bis auf Jamie Vardy von Meister Leicester City, der in der 56. Minute das 1:1 markierte. Lange sah es so aus, als ob es beim Remis bleiben würde, aber dann war eben Sturridge da und schoss England auf die Siegerstraße. Damit braucht der Weltmeister von 1966 im abschließenden Vorrundenspiel gegen die Slowakei ein Unentschieden, um die Runde der besten 16 zu erreichen. Wales trifft zum Abschluss auf Russland und kann mit einem Punkt ebenfalls das Achtelfinale klar machen.