EM-Tagebuch (15)

Salut Frankreich, jetzt bin ich auch da!

Polnische Spieler feiern den Sieg gegen die Schweizer Mannschaft bei der EM 2016.
Polen feiert den Viertelfinaleinzug © imago sportfotodienst
Von Thomas Wheeler · 26.06.2016
Zwei Wochen EM sind es nun bereits. Allerdings immer nur aus der Ferne. Da ist es Zeit für Impulse von vor Ort. Und so fahre ich hin, nach Toulouse. Die Betonung übrigens liegt auf "Fahren" - mit dem Zug quer durchs Land der großen kontinentalen Titelkämpfe.
19 Stunden für ein Fußballspiel?! Das macht nicht Jeder. Aber ich fliege nun mal nicht gern, und so steige ich am Freitagabend in den Nachtzug Richtung Zürich. Weil ich bei langen Strecken nicht völlig platt ankommen will, fahre ich mit dem Schlafwagen - so lange es noch geht, denn die Deutsche Bahn will die Nachtzugverbindungen im kommenden Jahr komplett einstellen.
Wie so oft an besonders heißen Tagen funktioniert die Klimaanlage nicht. Kein Problem. Erst mal duschen. Dann Fenster im Abteil auf und schnell eingeschlafen, denn um kurz nach fünf klingelte bereits mein Wecker. Aus- und Umstieg Offenburg. Weiter mit dem Regionalzug nach Strasbourg. Dort angekommen: Tristesse um kurz nach sieben. Es regnet, was mich jedoch nicht davon abhält, mir mein erstes original französisches Croissant zu genehmigen.

Zehn Stunden bis Toulouse

Der TGV ist mindestens so schnell wie der ICE, aber von Strasbourg bis Bordeaux dauert es trotzdem einen knappen halben Tag. Es geht vorbei an überfluteten Feldern und Straßen. In Nordfrankreich ist das Wetter seit Wochen extrem schlecht. Auffällig: viele TGV-Bahnhöfe sind auf dieser Strecke untertunnelt.
Je weiter wir Richtung Süden fahren, desto blauer wird der Himmel. Glücklicherweise. Und die Sonne strahlt. Die zahlreichen weißen Steinhäuser sind ein echter Blickfang. Von Fußballfans allerdings findet sich auf dieser Tour keine Spur. Kurz vor drei dann endlich die Ankunft in Bordeaux. Vor mir liegen allerdings noch zwei Stunden, bevor ich endlich in Toulouse bin. Ein hartes letztes Stück.

Per iPhone beim 1. Achtelfinale

In einem abgeranzten Intercity, in dem ich wirklich gar nichts anfassen will, vertreibe ich mir die Zeit mit dem Live-Ticker vom ersten Achtelfinale Schweiz gegen Polen. Die Polen legen mächtig los und führen zur Pause mit 1:0 durch ein Tor von Jakub Blaszczykowski, alias Kuba. In der zweiten Hälfte aber sind dann die Schweizer am Drücker und verdienen sich den Ausgleich durch einen herrlichen Fallrückzieher des Ex-Bayern-Spielers Xherdan Shaqiri.
Als die Verlängerung beginnt, bin ich endlich am Ziel: Toulouse. Ich erkundige mich bei ein paar netten und hilfsbereiten Volunteers, wie ich zu meinem Hotel komme und mache gleich meine erste Stadtrundfahrt. Mit der Métro in ein heruntergekommenes Studentenviertel und von dort weiter zu Fuß. Ein symphatisches, einheimisches Paar zeigt mir den richtigen Weg, und gegen 18 Uhr erreiche ich endlich meine Herberge für die nächsten zwei Nächte: gegenüber vom Hippodrome, also der Pferderennbahn und unweit des Stadions Municipal.
Bei meinem Blick auf den Live-Ticker stelle ich fest: Im ersten Achtelfinale war es nach dem Ausgleich noch richtig dramatisch zugegangen: Polen gewinnt im Elfmeterschießen. Welch eine Freude bei all meinen polnischen Freunden.

Fußballabend im Hotel

Im Hotel gönne ich mir erst mal eine Dusche und sehe mir dann im Zimmer das Großbritannien-Duell Wales gegen Nordirland an: In einer ganz, ganz mauen Partie bringt ein Eigentor des nordirischen Abwehrchefs Gareth Mc Auley kurz vor Schluss die Entscheidung zugunsten der Waliser. Es hätte nicht viel gefehlt, und ich wäre bei dieser lauen Nummer vor dem Fernseher eingeschlafen.
Aber ich will ja unbedingt noch den vermeintlichen Knaller Kroatien gegen Portugal genießen. Ein Leckerbissen aber ist es leider wieder nicht, sondern wie so viele Spiele bei dieser EM meist Rasenschach und allenfalls kontrollierte Offensive. Da sich aber die Portugiesen in der zweiten Hälfte immer besser auf die Spielweise des Gegners einstellen und sehr gut in der Defensive stehen, gibt es kaum Torschüsse und Torraumszenen. 0:0 nach 90 Minuten und damit ab in die Verlängerung. Dort dasselbe Bild bis zur 117. Minute. Dann urplötzlich attraktiver Fußball. Erst köpft der Kroate Ivan Perisic an den Pfosten, und im Gegenzug köpft der eingewechselte Portugiese Ricardo Quaresma nach Vorlage von Cristiano Ronaldo das einzige, das entscheidende Tor.
Damit spielen die Südeuropäer am kommenden Donnerstag in Marseille gegen Polen um den Einzug ins Halbfinale. Wales wartet noch auf seinen Viertelfinalkontrahenten, der bei meinem ersten Live-Spiel bei dieser Euro zwischen Ungarn und Belgien ermittelt wird. Und vorher noch - na was? - natürlich der Weltmeister gegen die Slowakei.
Los geht es um 18 Uhr. Und davor der Gastgeber gegen Irland. Anstoß um 15 Uhr.
Mehr zum Thema