Elektronische Zigaretten auf dem Prüfstand

Von Michael Engel · 27.01.2013
Sind elektronische Zigaretten schädlich für den Konsumenten? Und welche Gefahren bestehen für den Passivraucher? Diese Fragen sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Wissenschaftler der Fraunhofer-Gesellschaft in Braunschweig haben den Test gemacht.
Die sogenannten "Prüfkammern" des Braunschweiger Fraunhofer Instituts für Holzforschung liegen im Kellergeschoss. Sechs sind es an der Zahl, rund zweieinhalb Meter hoch und ebenso breit. Der Innenraum hat ein Volumen von acht Kubikmetern, sagt Tobias Schripp und öffnet eine Türfront. Der Wissenschaftler ist Experte für die Analyse unserer Atemluft:

"Sie sehen hier, dass der gesamte Raum mit Edelstahl ausgekleidet ist, um jegliche Emission in den eigentlichen Prüfraum zu verhindern. Das ist besonders wichtig, da nur damit eine wirkliche Einschätzung der wirklichen Freisetzung der Emission erfolgen kann."

Verantwortlich für die "Freisetzung der Emission" war Doreen Markowitz, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts. Über Stunden saß die Raucherin als "Versuchsperson" im Hohlraum der winzigen "Prüfkammer", um die elektronischen Zigaretten verschiedener Hersteller zu rauchen.

"Ich musste innerhalb von sechs Minuten quasi im Abstand von einer Minute einen tiefen, gleichmäßigen Atemzug durchführen. Ich hatte eine Stoppuhr in der Kammer und somit habe ich das ganz genau unter Kontrolle gehabt."

Unter Kontrolle war die Situation auch außerhalb der Prüfkammer. Durch ein kleines Fenster in der Tür hatte Tobias Schripp immer Sichtkontakt zur Kollegin. Der Wissenschaftler wollte herausfinden, welche Substanzen in die umgebende Luft gelangen, wenn eine elektronische Zigarette geraucht wird.

"Es gab die Theorie, dass Formaldehyd durch die Vernebelung entstehen könnte. Durch einen 'Verbrennungsprozess' sozusagen, der an der Heizwendel stattfindet. Dies konnten wir nicht nachweisen. Wir haben kein Formaldehyd bei unserer Analytik gefunden. Und das ist natürlich ein wesentlicher Unterschied zur normalen Tabakzigarette, die selbst sehr viel Formaldehyd durch den Verbrennungsprozess freisetzt."

Eine elektronische Zigarette besteht aus einem Akku, einem Verdampfer, einer Heizspirale, sowie einem Depot mit den Betriebsflüssigkeiten, auch "Liquids" genannt. Letztere werden im Verdampfer erhitzt und bei 65 bis 120 Grad Celsius verdampft. Es gibt die Liquids mit oder ohne Nikotin, zudem enthalten sie Aromen wie Amaretto, Mandel, Vanille oder Apfel. Trägerflüssigkeit ist Propylenglykol, das beim Ausatmen vernebelt wird und den sichtbaren Dampf erzeugt. Nach den Angaben des Krebsforschungszentrums in Heidelberg kann Propylenglykol die Atemwege reizen und akute Entzündungen hervorrufen.

Tobias Schripp: "Beispielsweise war die Propylenglykol-Konzentration in der Kammer bei der normalen Tabakzigarette größer als bei der Benutzung der eZigarette. Also in unserer Studie haben wir das Propylenglycol im Bereich von einem Mikrogramm pro Kubikmeter gefunden, während also etwas das Hundertfache in der normalen Tabakzigarette der Fall war."

Auch die eZigarette ist nicht unproblematisch
Propylenglycol in den herkömmlichen Tabakzigaretten soll verhindern, dass sie austrocknen. Dass aber 100 mal mehr davon in der Atemluft enthalten ist als bei der eZigarette mit Propylenglycol im Liquid, das hat die Wissenschaftler schon überrascht. So gesehen, kommt die elektronische Zigarette - chemisch analytisch – besser weg als die Tabakzigarette. Und die Stoffe sind auch lange nicht so gefährlich.

Gleichwohl ist nach Ansicht der Braunschweiger Wissenschaftler auch die elektronische Zigarette nicht unproblematisch, allein schon deshalb, weil mit ihr Substanzen in die Atemluft gelangen, die normalerweise dort nicht hingehören.

Tobias Schripp: "Im Prinzip müsste man sagen, ein Produkt ist ja nicht ungefährlich, nur weil man seine Gefährlichkeit noch nicht bewiesen hat. Das heißt, im Prinzip müsste man jetzt die Reihenfolge etwas umkehren. Die Hersteller müssten jetzt in der Pflicht sein, nachzuweisen, dass ihre Werbeaussage, dass sie ein gesünderes Produkt auf den Markt bringen, dass sie dies schlicht und ergreifend noch einmal objektiv beweisen. Und dann werden wir natürlich trotzdem über epidemiologische Studien diskutieren müssen, die dann sicherlich ein paar Effekte auch auf die eZigarette zurückführen werden."

Völlig unbekannt ist zum Beispiel die Wirkung der Aromastoffe in den Liquids. Vanille- oder Apfelaromen werden bisher in der Regel den Nahrungsmitteln zugemischt. Sie landen dann im Magen, bei der eZigarette hingegen in der Lunge. Erst in vielen Jahren werden Wissenschaftler wirklich wissen, ob die eZigarette ungefährlich ist oder eben nicht: Wissenschaftler werden es in Zukunft an den Erkrankungen der eZigaretten-Raucher ablesen. Entwarnung kann und will die Fraunhofer Gesellschaft nicht geben.
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