Elektronische Kunst

Wo Papageien Robotern die Schau stehlen

Von Simone Reber  · 13.11.2014
Seit 1997 wird in Dresden Hellerau computergestützte Kunst gezeigt. In diesem Jahr dreht sich das Festival Cynet-art um die Berührungspunkte zwischen Lebewesen und Technik, eindrucksvoll dargestellt anhand von Papageien und Ameisen.
Pauli ist ein leidenschaftlicher Tüftler. Mit seinem Schnabel zerrt er an Kabeln und Klemmen oder pickt in die Verteilerkästen. Pauli gehört zu dem Orchester von sechs Graupapageien, die bei der diesjährigen Cynetart im Festspielhaus von Hellerau elektronisch Musik erzeugen. Seit zwei Jahren bastelt Norbert Math mit seinen beiden Kollegen vom österreichischen Künstlertrio alien productions an idealen Instrumenten für Graupapageien.
"Wir haben verschiedene Instrumente entwickelt. Zum Teil sind es Instrumente, die in einer Schüssel eingebaut sind, wo es rausdröhnt, sobald man etwas bewegt. Wir haben auch ein Instrument mit einem Touchscreen, wo die Vögel mit dem Schnabel drauf klopfen können und sich verschiedene Klänge aussuchen. Und wir verstärken diese Geräusche und machen eine Klangebene darüber." Der Mensch im Dialog mit anderen Lebewesen Von Seiten der Papageien funktioniert die Interaktion ganz ohne Elektronik. Am liebsten lärmen die lebhaften Vögel in ihrer großen Voliere, wenn die Künstler sprechen. Schweigen die Menschen, bleiben auch die Papageien still. Arne Nowak von der Trans Media Akademie Hellerau, die das Festival mit veranstaltet, will mit der Cynetart 2014 die Besucher für Berührungspunkte zwischen Lebewesen und Technik sensibilisieren. "Bei uns fliegen ja zum Beispiel Pflanzen und zwar aus eigenem Antrieb, das ist eben unser Missverständnis möglicherweise, dass wir Menschen auch in einer Anmaßung gelegentlich geneigt sind zu sagen, wir seien die einzigen, die sich selbst erkennen. Wir wollen ganz bewusst diesen Dialog auch mit Lebewesen antreten, von denen wir wissen, dass sie viel länger existieren als wir. Dass sie möglicherweise denn auch mehr wissen als wir."
Vom Menschen verlangt der Dialog mit anderen Organismen Anpassungsleistungen. In seiner Installation "Playing with ants and other insects" hat der Künstler Kuai Shen aus Glasrohren eine futuristische Ameisensiedlung angelegt. Sein Assistent Ping Lu hütet das Volk. Er muss sein Leben nun nach den Bedürfnissen südamerikanischer Blattschneideameisen ausrichten."Zuerst kann ich nicht in meinem Zimmer rauchen. Es ist sehr gefährlich für die Ameisen. Und ich muss auch ständig sauber machen. Und jeden Tag muss ich neue Blätter pflücken. Sie können nicht immer das Gleiche essen."
Höhepunkt: Ein 3D-Kuppelkino
Auf einem Sockel kann das Publikum alle elektronisch verfügbaren Informationen über Ameisen abrufen. Der Reiz der Installation besteht aus dem Widerspruch zwischen dem archaischen Miniaturstaat und dem bombastischen Wissensspeicher der Gegenwart.
Der technische Höhepunkt des Festivals aber ist der Full Dome, der im Festsaal von Hellerau errichtet wurde. Wie in einem 3D-Kuppelkino können die Besucher in dem 360-Grad-Panorama Zeit und Raum vergessen. Tänzer werden das Publikum durch die trügerische Endlosigkeit geleiten, verspricht die kanadische Choreographin Marie-Claude Poulin.
"Alles, was wir machen, ist in Referenz zu diesem leeren Raum. Wir haben zum Beispiel Transportkisten und in diese Kisten haben wir Mikrofone eingestellt. Und die Tänzer haben die Kisten am Kopf und spielen mit der Stimme. Und diese Stimme ist dann noch mal in die große Kuppel gespielt."
Menschlicher Körper faszinierender als Technik
Bis die bewegten Hintergründe und der Rundumklang konfiguriert sind, überprüfen die Künstler mit einer Spezialbrille am Bildschirm die Wirkung ihrer Werke. Da treiben die Besucher durch märchenhafte Tropfsteinhöhlen oder schweben zu fremden Galaxien. Eine Täuschung aller Sinne will Martin Kusch mit den Experimenten im Full Dome herstellen.
"Wir sind ja gewohnt, in den letzten 100 Jahren Bilder im quadratischen oder rechteckigen Format wahrzunehmen. In einem Panorama gibt es ja nicht mehr die Zentralperspektive, sondern es passiert hinter uns auch etwas, über uns passiert auch etwas. Dadurch kommen wir in einen Zustand, den man Immersion nennt, also wir sind eingebettet in das Bild."
Neben dem Dome wummern im Festsaal die Beats. Zwei Tänzerinnen zeichnen mit Sensoren an ihren Beinen Linien auf die große Leinwand. Doch trotz des Getöses kann die anspruchsvolle Technik nicht immer mit dem Wunderwerk des lebendigen Körpers und seiner fünf Sinnen konkurrieren.
Auch tritt der ästhetische Anspruch mitunter hinter der elektronischen Machbarkeit zurück. So stehlen in Hellerau die neugierigen Papageien und stoischen Ameisen den Rechnern und Robotern die Schau.

Das Festival cynet-art ist noch bis zum 19. November 2014 im Festspielhaus Hellerau zu sehen.

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