Einwurf

Der Leistungsfetisch macht uns fertig

Deutschlands Mittelfeldspieler Toni Kroos schießt während des EM-Qualifikationsspiels gegen Irland in Gelsenkirchen.
Das 1:1 der DFB-Elf in der EM-Qualifikation gegen Irland hat eine Diskussion über überforderte Profifußballer entfacht. © afp / Odd Andersen
Von Thomas Jaedicke · 26.10.2014
Das "Wir-geben-alles-Mantra" ist das Problem. Für Profifußballer genauso, wie für die Anforderungen in vielen anderen Bereichen unserer Gesellschaft. Der Fehler liegt im System, kommentiert Thomas Jaedicke.
Sicher, es stimmt schon: Immer öfter fehlt Deutschlands Starkickern die geistige Frische, wie Bundestrainer Löw nach dem enttäuschenden 1:1 in der EM-Qualifikation gegen Irland gerade wieder beklagte. Auch die Trainer Guardiola, FC Bayern, und Klopp, Borussia Dortmund, stöhnen unermüdlich über Motivationslöcher und verletztes Spitzenpersonal. Aber liegt die Überforderung tatsächlich an einer immer größeren Anzahl von Einsätzen?
Die Fakten: Manuel Neuer, Deutschlands bester Keeper, stand in der vergangenen Saison in 61 Pflichtspielen zwischen den Pfosten. Sein Vorgänger Oliver Kahn musste in der Spielzeit 2001/2002, als Deutschland ebenfalls ein WM-Finale erreichte, sogar 67-mal ran.
Der Griff in den Medikamentenschrank drängt sich auf
Das Problem liegt ganz woanders. Es ist der omnipräsente Top-Leistungsfetisch unserer Zeit, das permanente Todes- und Hammergruppenlos, das uns alle – inklusive der Kicker – so schrecklich schlaucht. Das immerzu von neunmalklugen Philip-Lahm-Strebern mit Babyface heruntergeleierte "Wir-geben-alles-Mantra". Das macht uns so fertig! Die topfitten Best Ager, den passenden Muntermacher immer zu Hand, legen die Latte mit ihrem Zeugnis vom erfolgreichen Kampf gegen den Verfall doch so hoch und immer höher. Wir alle sind schuld an unserer Müdigkeit: "Uns hat die absolute Gier gefehlt", jammert Klopp. Na und?!
Von Klopps Fehleranalyse zum Griff in den Medikamentenschrank ist es nicht weit. In Ost wie West wurde und wird uns das "Niemals nachlassen, niemals aufgeben" von Kindesbeinen an eingetrichtert. Der Profisport spiegelt diesen gesellschaftlichen Auftrag überdeutlich wider. Der Fehler liegt im System! Doper - hüben wie drüben - stehen exemplarisch für diesen pervertierten Leistungsgedanken. Prominente Beispiele sind der gerade verstorbene DDR-Gewichtheber Gerd Bonk oder die westdeutsche Leichtathletin Birgit Dressel.
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