Einsatz von Robotern in Kitas

Sie langweilen sich nicht

Der Roboter "Nao" mit einem Kind
Roboter mit Kind: eine sinnvolle Kombination - bei zeitlicher Beschränkung, sagt die Lernforscherin Elsbeth Stern © CITEC/Universität Bielefeld
Elsbeth Stern im Gespräch mit Nana Brink · 11.01.2016
In Japan werden schon Alte und Kranke von Robotern gepflegt. Forscher arbeiten nun daran, die künstlichen Helfer auch für die Betreuung von Kindern nutzbar zu machen. Die renommierte Lernforscherin Elsbeth Stern empfiehlt Roboter als Sprachtrainer.
Die renommierte Lernforscherin Elsbeth Stern von der ETH Zürich hält den Einsatz von Robotern in Kindergärten und -tagesstätten für sinnvoll. Im Deutschlandradio Kultur sagte sie, Roboter seien zum Bespiel als Sprachtrainer in jedem Fall eine gute Idee. Im Endeffekt sei ein Roboter nichts anderes als ein Computer, "nur etwas flexibler", sagte die Lernforscherin. Mit einem Roboter könne man sicherlich Defizite im sprachlichen Bereich korrigieren. Dass Roboter keine soziale Bindung ersetzen könnten, sei klar, so Stern weiter. Das könne ein Stofftier aber auch nicht. Man müsse keine Angst vor Sozialstörungen haben, wenn der Roboter "in Maßen" genutzt werde, betonte sie: "Es muss immer klar sein, dass das zeitlich begrenzt ist und dass die Kinder auch die Möglichkeit zur echten sozialen Interaktion haben."

Das Gespräch im Wortlaut:
Nana Brink: Am Fließband in der Fabrik sind Roboter ja nun wahrlich nichts Neues und vielleicht haben ein paar von uns ja auch schon einen Staubsaugroboter zu Hause oder einen Rasenmäher, der von selbst über die Wiese flitzt! Putzig anzusehen und meistens auch ziemlich effektiv!
Aber natürlich geht die Entwicklung auch bei den Robotern weiter, vielleicht weiter, als wir uns je träumen lassen. In Asien werden ja schon erste Exemplare bei der Pflege und Betreuung und auch zur Unterhaltung von Senioren eingesetzt. Und das Bedürfnis nach intensiver Pflege und Zuwendung, das haben ja nicht nur alte Menschen, sondern vor allem auch Kinder. Da ist es naheliegend, Roboter auch für Kinder einzusetzen. (Bericht)
Jetzt im Januar beginnen zum Beispiel Forscher der Uni Bielefeld ein Projekt, in dem sie prüfen, ob es möglich ist, Roboter in Kitas als individuelle Sprachtrainer für Kinder mit Problemen einzusetzen. Einen Namen hat der Kleine auch schon, Nao heißt er, ist 60 Zentimeter lang, hat große Lautsprecherohren und sieht ein bisschen aus wie ein Michelin-Männchen. In anderthalb Jahren soll er zur Testphase in eine Kita. Aber macht das wirklich Sinn? Das will ich jetzt mit der Psychologin Elsbeth Stern diskutieren, sie ist eine der renommiertesten Verhaltens- und Lernforscherinnen in Deutschland, sie lehrt an der Universität in Zürich momentan. Ich grüße Sie!
Elsbeth Stern: Ja, guten Morgen!
Brink: Ist denn Nao zum Beispiel, der Roboter als Sprachtrainer, eine gute Idee?
Im Endeffekt ist ein Roboter nichts anderes als ein Computer
Stern: Ja, auf jeden Fall, zur Ergänzung kann er ja den Kindern Anregungen geben, er kann vielleicht Rückmeldung geben, er kann Sprachübungen vorgeben. Es gibt ja auch viele andere Techniken, die eben den Spracherwerb unterstützen, Computer ... Im Endeffekt ist es nichts anderes als ein Computer, nur etwas flexibler, und es spricht überhaupt nichts dagegen, so etwas in der Kita einzusetzen, weil man eben vielleicht hier stärker die individuelle Förderung voranbringen kann.
Brink: Sie haben es wahrscheinlich schon so ein bisschen an meiner Frage gemerkt, wir gehen so ein bisschen mit spitzen Fingern daran, weil wir vielleicht so ein negativ aufgeladenes Bild davon haben: Kleine Kinder und dann Roboter, wo bleibt da die Bindung?
Stern: Ja gut, also, dass sie keine soziale Bindung ersetzen können, das ist ganz klar, das kann auch ein Stofftier nicht. Kinder entwickeln ja auch eine bestimmte Beziehung zu einem Stofftier, aber sie ist immer anders als zu ihren Eltern oder zu anderen Personen. Oder zu einem Tier entwickelt man auch eine etwas andere Bindung. Also, von daher muss man jetzt nicht Angst haben, dass hier Sozialstörungen auftreten, wenn es in Maßen geschieht.
Genauso wenig wie ein Kind den ganzen Tag am Computer verbringen sollte oder den ganzen Tag allein in seinem Zimmer mit seinem Stofftier, sollte es natürlich nicht immer nur allein mit dem Roboter sein. Aber man kann mit dem Roboter tatsächlich einige Defizite sicherlich korrigieren. Und was ich mir auch gut vorstellen kann, ist, dass es in der Gruppe passiert, dass man vielleicht drei, vier Kinder zusammen mit einem Roboter hat und dort Sprachspiele macht. Da ist überhaupt nichts gegen zu sagen.
Brink: Warum in einer Gruppe?
Roboter sind nicht böse und ungeduldig
Stern: Ja, dass natürlich auch die individuelle und die natürliche Interaktion ergänzt wird. Die Computer zeigen keine Mimik in dem Sinne bisher, sie können, wie eben schon gesagt wurde, reagieren, aber sie sind nicht initiativ, sie sind nicht mal böse und ungeduldig, es sei denn, man würde sie so programmieren, aber das würde sehr artifiziell sein. Von daher wäre es natürlich gut, wenn natürliche Interaktionen mit einem Roboter ergänzt werden.
Brink: Das heißt, man muss ja dann noch einen Schritt weitergehen. Was muss der Roboter können? Also, muss er auch Reaktionen zeigen, so was wie ...
Psychologin Elsbeth Stern
Elsbeth Stern, Psychologin und Professorin für Lehr- und Lern-Forschung an der ETH Zürich © privat
Stern: Da gibt es Untersuchung von Patricia Kuhl aus Seattle, die eben auch schon dazu geforscht hat, ob man eben Spracherwerb unterstützen kann. Wie vieles elektronische Spielzeug fliegt auch ein Roboter in kurzer Zeit in die Ecke und die Kinder verlieren das Interesse, wenn er eben überhaupt nicht reagiert. Wenn man hingegen Roboter hat, die zum Beispiel kichern, wenn man sie kitzelt und so weiter, dann finden die Kinder das interessanter. Also, von daher spricht viel dafür, dass man sie interaktiv so programmiert, dass sie sozusagen einen Teil der menschlichen Interaktion eben mit abbilden. Aber wie gesagt, wenn ein Kind auch andere Bezugspersonen hat, sehe ich überhaupt keine Gefahr, dass hier Bindungsstörungen auftreten.
Brink: Kann dann vielleicht ein Roboter sogar auch mehr leisten als ein Mensch, ihn da ersetzen, der dann für andere Dinge da ist, die dann wichtig sind?
"Es gibt immer Tätigkeiten, die man besser elektronisch macht"
Stern: Ja, Computer können immer ... Computer langweilen sich nicht und ein Roboter ist nichts anders als ein Computer. Will ich zum Beispiel stundenlang Vokabeln abhören, dazu haben Eltern selten Lust und vielleicht können sie es auch nicht so gut. Also, es gibt auch immer Tätigkeiten, die man besser elektronisch macht, egal ob mit einem herkömmlichen Computer oder mit einem Roboter. Und das ist tatsächlich, wenn es eben um Übung geht. Und hier würde ich denken oder bin ich sicher, dass eben eine elektronisch gesteuerte Übungssequenz mehr bringt als eine natürliche. Aber noch mal: Es muss immer klar sein, dass das zeitlich begrenzt ist und dass die Kinder auch die Möglichkeit zur echten sozialen Interaktion haben.
Brink: Na, dann sind wir ja gespannt auf die ersten kleinen Lerntrainer in den Kitas und Schulen. Vielen Dank! Die Lernforscherin Elsbeth Stern, danke für Ihre Zeit!
Stern: Ja, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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