Eine verzweifelte Vitalität

Von Agnese Grieco · 03.03.2012
Pier Paolo Pasolinis Wirken als passionierter Volksschullehrer und junger Kommunist im italienischen Landstädtchen Casarsa della Delizia nach Kriegsende währte nur kurz: Nach dem öffentlichen Bekanntwerden seiner Homosexualität wurde er als Lehrer suspendiert und wegen "bürgerlicher Verkommenheit" aus der Kommunistischen Partei Italiens ausgeschlossen.
Seine Nähe zu den einfachen Leuten, zum Milieu der Vorstädte, hat sein künstlerisches Leben seither bestimmt, das Zugang zu den Tiefen seiner Seele suchte.

In der Spannung zwischen ungezähmter Sinnlichkeit und moralischem Denken, zwischen lyrischer Nostalgie und scharfem soziologisch-politischem Blick erkundete Pasolini als "Dichter der Asche" auch Indien und Afrika.

In der von ihm geliebten neuen alten Dritten Welt spiegelt sich das dunkle Herz des Lebens, das Ewige und die Zukunft.

Am Strand von Ostia, im Jahr 1975, in der Nacht von Allerheiligen auf Allerseelen, wurde Pier Paolo Pasolini ermordet.

In einer Zeitreise spürt diese "Lange Nacht" den Lebensstationen eines außergewöhnlichen Künstlers, des gefeierten und umstrittenen Dichters, Schriftstellers und Filmregisseurs nach.

"Ich bin in eine für die italienische Gesellschaft typische Familie hineingeboren: Ich bin das Ergebnis einer echten Kreuzung, Produkt des italienischen Einheitsstaates. Mein Vater stammt aus einer alten Adelsfamilie aus der Romagna, meine Mutter hingegen kommt aus einer Bauernfamilie aus dem Friaul, die sich allmählich bis in den Kleinbürgerstand hochgearbeitet hat. Seitens des Vaters meiner Mutter verdienten sie sich den Lebensunterhalt mit Schnapsbrennen. Meine Großmutter mütterlicherseits war Piemonteserin, was sie aber nicht daran hinderte, gleichermaßen auch Familienbindungen nach Sizilien und in die Gegend um Rom herum zu haben"

mehr: Pier Paolo Pasolini - Vita

Hans Ulrich Reck
Pier Paolo Pasolini
Wilhelm Fink Verlag
München 2010
Kritik im Deutschlandradio Kultur

Pier Paolo Pasolini - Poetisch-Philosophisches Porträt
2 Audio-CDs
von Reck, Hans U.;
140 Min.. Gesprochen v. Hans U. Reck, Josef Tratnik u. Isabella Lewandowski .
2012 Edition Apollon
Am 5. März 2012, 37 Jahre nach seiner Ermordung, wäre Pier Paolo Pasolini, Poet, Autor, Publizist, Philosoph, Filmemacher und Theoretiker in manchen Gebieten, 90 Jahre alt geworden.
Als radikaler Künstler, aber auch als Regisseur, Autor und Dichter thematisierte er in seinem nicht zuletzt durch zahlreiche Polemiken polarisierenden Werk den Zerfall gesellschaftlicher Strukturen und das Verschwinden besonderer Lebensformen. Die gesellschaftliche Umwälzung, die Pasolini als erster überhaupt wahrnahm und die heute umfassend unter dem Stichwort 'Globalisierung' diskutiert wird, beschrieb drastisch als 'konsumistischen Völkermord'. Pasolinis besonderes Interesse galt sozial Benachteiligten, Rebellen und Außenseitern.

In einem poetisch-philosophischen (Hör-)Porträt beleuchtet der Pasolini-Biograf Hans Ulrich Reck mittels Auszügen und Annäherungen das Leben und vielschichtige Werk Pasolinis.