Eine unmögliche Liebe

"Venice Beach" ist eine Verneigung vor der amerikanischen Traumfabrik.
"Venice Beach" ist eine Verneigung vor der amerikanischen Traumfabrik. © Jan-Martin Altgeld
05.04.2012
Venice Beach ist in Kalifornien ein Treffpunkt für Hedonisten und Heroinsüchtige, Trinker und Touristen. Der französische Autor Philippe hat seinen neuen Roman "Venice Beach" genannt, herausgekommen ist eine Mischung aus Roadmovie, Krimi und schwuler Liebesgeschichte.
Der französische Autor Philippe Besson interessiert sich für "Abschied" und "Abwesenheit" - beides Begriffe aus den deutschen Titeln früherer Bücher. Von einer Leerstelle erzählt auch der Protagonist in Bessons neuem Roman "Venice Beach": vom Fehlen der großen Liebe. Und was so süßlich klingt, wie manche Besson-Bücher es tatsächlich sind, entpuppt sich diesmal als eine Mischung aus Roadmovie, Krimi und Geschichte einer Amour fou unter Männern.

"Venice Beach" spielt in Kalifornien. Der namenlose Erzähler, Anfang dreißig, ist ein "unbeschriebenes Blatt": Mit einer Bibliothekarin verheiratet, die ihr erstes Kind erwartet, Polizist im Reichenviertel Beverly Hills. Der Dienst bei den Hollywoodstars ist normalerweise ruhig, aber eines Morgens wird die Leiche eines jungen Drogendealers gefunden. In seinem Kalender ist für den Vorabend des Todes eine Verabredung mit dem "neuen Schwarm von Hollywood" notiert, dem Schauspieler Jack Bell. Als der Erzähler ihn befragt, wird er "vom Blitz getroffen".

Die beiden Männern verlieben sich Hals über Kopf, vielleicht weil sie aus ganz unterschiedlichen Welten kommen: "Wir waren darauf programmiert, uns nicht zu begegnen." Erst setzt der Polizist sich noch zur Wehr, weil er mit der Affäre nicht nur seine Ehe und sein ungeborenes Kind, sondern auch seinen Job riskiert. Doch schließlich kapituliert er vor der "unbestreitbaren, unverständlichen, unentschuldbaren Notwendigkeit" und lässt der Tragödie ihren Lauf: Die gleißende kalifornische Sommersonne leuchtet diese hitzige Affäre aus: "Venice Beach" endet im Sommer 1991, in dem schwere Rassenunruhen in Los Angeles toben - deren Lärmen hallt aber nur von Ferne in das Leben des Erzählers.

Die Übersetzung von Caroline Vollmann hat nur einzelne, ungeschickte Stellen - auf Deutsch sagt man zum Beispiel für eine Partnerin nicht "kleine Freundin". Ansonsten trifft sie den lakonischen Ton, der etwas von Jack Kerouac und Philippe Djian hat: Philippe Besson liefert - ganz ohne Larmoyanz - den fast nüchternen Bericht eines Mannes, dessen Leben plötzlich aus dem Ruder läuft.

Hinweise darauf, woher der Riss kommt, durch den Jack Bell in das bis dahin so klar strukturierte Leben des Erzählers eindringt, gibt es nur wenige: Scheidung der Eltern, als Kind Streicheleinheiten vom Besitzer des Lebensmittelladens - kleine Andeutungen, die nahelegen, dass der Erzähler sich selbst zu wenig kannte. Ansonsten ist "Venice Beach" völlig unpsychologisch, erzählt nur fiebrig die Chronik des "Wahnsinns" nach, dem die beiden Männer verfallen. Darüber hinaus ist "Venice Beach" eine Verneigung vor der amerikanischen Traumfabrik, zum Beispiel vor der unmöglichen Liebe zwischen den beiden Cowboys in "Brokeback Mountain".

Deshalb spielt der Roman in L.A. und Hollywood, deshalb sind die beiden Hauptfiguren klassische, männliche Leinwandikonen: Cop und Schauspielstar. Und deshalb ist das Buch wohl auch fast wie ein Drehbuch geschrieben: schnörkellos, in atemlosen, kurzen Sätzen, manchmal nur Satzfetzen.

Patrice Chéreau hat übrigens schon einmal einen Besson-Roman verfilmt ...

Besprochen von Dina Netz

Philippe Besson: Venice Beach
Aus dem Französischen von Caroline Vollmann
dtv premium, München 2012
180 Seiten, 14,90 Euro
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