Eine Stadt der Zukunft?

Von Conrad Lay · 04.06.2013
Im Freiburger Stadtteil Vauban ist das Leben auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Die "grüne" Siedlung gilt global als Zukunftsmodell einer nachhaltigen Stadt. Steigende Immobilien- und Mietpreise verhindern aber, dass Vauban auch als Vorzeigemodell im sozialen Bereich gelten kann.
"Ist das die grünste Stadt der Welt?", fragt der britische Observer. Vielerorts wird der Freiburger Stadtteil Vauban, der seinen Namen einem französischen Festungsbauer verdankt, als Vorbild dafür gesehen, wie Städte in Zukunft aussehen sollten. Das ökologische Modellviertel ragt in Sachen Energieversorgung und Mobilität so sehr hervor, dass der grüne Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon es 2011 auf der EXPO-Weltausstellung in Shanghai präsentierte.

Niedrigenergie-, Passiv-, Plusenergiehäuser - die ganze Palette des technisch Möglichen ist hier zu finden. Kein Wunder, dass sich jedes Jahr 100.000 Besucher aus aller Welt für das ehemalige Kasernenviertel interessieren. Und so war denn auch schon ein Schild zu lesen: "Modellstadtteil, Bewohner bitte nicht füttern!"

Bis 1992 rollten hier französische Panzer die Straßen entlang, Soldaten marschierten im Gleichschritt über das Gelände. Bobby Glatz muss lächeln, wenn er an das Jahr 1990 zurückdenkt. Damals wollte der junge Architekturstudent die Kasernen fotografieren und wurde von zwei mit Maschinenpistolen bewaffneten Soldaten der französischen Alliierten festgenommen.

Bobby Glatz: "Ich bin quasi nur in diesen Zellentrakt reingeführt worden und hab mich dann aufgehalten und musste halt warten."

Bis das Missverständnis mit der Fotoerlaubnis geklärt war, konnte Bobby Glatz die massiven Wände des Bunkers von innen studieren. 20 Jahre später ist aus der Kasernenpforte ein alternatives Café geworden. An die Außenwand hat die SUSI, die Selbstorganisierte Unabhängige Siedlungsinitiative, ihr Motto gepinselt: "Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt." Das Gebäude ist inzwischen energetisch gedämmt, neue Fenster sind eingebaut, die großen Gemeinschaftsküchen haben Balkons erhalten; aus dem Zellentrakt wurde ein Versammlungssaal.

"Kasernen zu Wohnraum!"

Heute leben in den verbliebenen vier Kasernen 250 Menschen und noch einmal 20 in einer Wagenburg zwischen den Gebäuden. Bobby Glatz schwebte ursprünglich eine Art Christiania vor, ein alternatives Viertel wie in Kopenhagen. Auf Widerstand stieß er bald:

"Da wurde tatsächlich damals gesagt: So ehemalige Nazi-Gebäude, die muss man doch abreißen, die erhält man doch nicht. Da haben wir gesagt: Das ist doch Quatsch, es geht nicht darum, Nazi-Gebäude als solche zu erhalten, sondern zu zeigen, dass man mit so einer Substanz was ganz anderes machen kann, und diejenigen würden sich eher im Grabe rumdrehen, die in dem Geist damals das haben erbauen lassen - wenn die jetzt sehen würden, was wir draus machen, mit basisdemokratischen Strukturen und kunterbuntem Leben - das ist, glaube ich, eine gute Umwandlung. Das Thema, also die Überschrift hieß ja auch: Kasernen zu Wohnraum, so wie: Waffen zu Pflugscharen, so kann man das übertragen, ja."

Hauptwidersacher der SUSI in der Freiburger Stadtverwaltung war Sven von Ungern Sternberg. Der CDU-Politiker, der von 1978 bis 1998 Baudezernent und Erster Bürgermeister in Freiburg war, danach Regierungspräsident in Südbaden, setzte sich von vornherein für einen modernen, ökologischen Stadtteil ein. Auch wenn heute die meisten vom "Erfolgsmodell Vauban" schwärmen, so erinnert er sich durchaus an die Auseinandersetzungen der vergangenen zwei Jahrzehnte.

Sven von Ungern Sternberg: "Also sie waren schon ziemlich hart. Es war so, dass ich persönlich von Anfang an Wert auf bestimmte Formen der Bürgerbeteiligung, diese small-is-beautiful-Philosophie, gelegt habe. Es gab einen Konflikt, wo ich mich nicht habe durchsetzen können: Ich war der Auffassung, dass möglichst viele der Kasernen abgerissen werden sollten, weil ich einfach auch den linken Gruppen gesagt habe: 'Also hört mal zu, ich verstehe das nicht, faschistischer Wohnungsbau, der hat mit Ökologie und modernen Wohnformen nichts zu tun, das kann doch wohl nicht die Wohnform des 21.Jahrhunderts sein?' Dann wollen wir lieber die Dinger abreißen und wirklich neue Wohnformen entwickeln, anstatt diese ziemlich stumpfsinnigen, platten Kasernengebäude, die in den 30er-Jahren hochgebaut worden sind. Aber da habe ich mich nicht durchsetzen können."

Der "Kampfbegriff", den die Studenten dem Baubürgermeister entgegenhielten, lautete "Erhaltung preiswerten Wohnraums". Auf jeden Fall aber wollte Sven von Ungern Sternberg sicherstellen, dass die Stadt bei der Entwicklung neuer Stadtteile nicht draufzahlte:

"Es ist ja so, dass auch finanziell gesehen bei allen Infrastrukturmaßnahmen bis hin zum öffentlichen Nahverkehr, der Straßenbahn usw., sich die Stadtteile durchaus gerechnet haben."

Weniger Autos als im Bundesdurchschnitt
Für 40 Millionen D-Mark konnte die Stadt Freiburg das Gelände dem Bund abkaufen. Die dichte Bebauung mit drei- bis vierstöckigen Gebäuden brachte viel Geld und verbrauchte wenig Fläche: Finanzielle und ökologische Bedingungen ließen sich in Übereinstimmung bringen.

"Man konnte sich den Partner aussuchen; derjenige, der am ehesten diese und jene ökologische Hürde übersprungen hat oder auch im sozialen Bereich das und das gemacht hat, der ist dann der Partner gewesen, und dann konnte man privatisieren, das war eine gute Sache eigentlich."

Das Konzept eines Stadtteils mit ökologischer Bebauung, Energiesparkonzepten und alternativer Mobilität ist weithin aufgegangen. In dem Vorzeigestadtteil mit seinen 5.500 Bewohnern gibt es eine Straßenbahn, viele Fahrräder und Fahrradanhänger - und ansonsten viermal weniger Autos als im Bundesdurchschnitt.

Autobesitzer sind verpflichtet, in einer der Quartiersgaragen einen Stellplatz für 18.000 Euro zu kaufen. Nur wer sich "autofrei" meldet, ist davon ausgenommen. Der Straßenraum ist Lebensraum, alle Wohnstraßen sind Spielstraßen. Das Vauban ist vielleicht das kinderreichste Viertel Deutschlands, 15 Jahre nach dem ersten Spatenstich ist jeder dritte Bewohner ein Jugendlicher, der Altersdurchschnitt liegt bei 28 Jahren.

Dieter Salomon: "Dieser Ehrgeiz war da, auch ein kinderfreundliches Stadtteil zu entwickeln. Meine Frau und ich, wir sind atypisch, wir haben acht Kinder, und haben eigentlich die ganzen Jahrzehnte eine Kinderunfreundlichkeit unserer Städte, unserer Gemeinwesen am eigenen Leibe erfahren. Kinderfreundliche Stadtteile zu entwickeln, ist sowohl im Vauban wie im Rieselfeld sehr gut gelungen."

Rolf Disch: "Wir bauen seit 20 Jahren nur Plus-Energie-Häuser, nur Häuser, die sich selbst versorgen."

Im Jahr 1994 bezog Solararchitekt Rolf Disch am Rande des Vauban das sogenannte Heliotrop, das erste Plus-Energie-Haus der Welt, ein Haus also, das mehr Energie erzeugt, als es verbraucht. Die Besonderheit des Heliotrops: Das Haus lässt sich je nach Stand der Sonne drehen, im Winter wendet man ihr die Südseite zu, im Sommer die Nordseite. Inzwischen hat der Stararchitekt in direkter Nachbarschaft eine ganze Solarsiedlung mit über 50 Häusern gebaut.

Die Nachfrage nach den Plus-Energie-Häusern war enorm, obwohl die Solarsiedlung sehr eng bebaut ist. Aber, beeilt sich Rolf Disch hinzuzufügen, sie sei nicht so eng wie ein Altbauviertel aus der Jahrhundertwende, und solche Viertel seien ja auch sehr beliebt:

"Mit der Solarsiedlung haben wir sehr gute Erfahrungen, also es ist eigentlich all das eingetreten, was wir vorausgeplant und -berechnet haben. Die Häuser produzieren Energie, in den Häusern fühlt man sich wohl, das haben wir schon festgestellt, als die ersten Häuser standen und wir Tag der offenen Tür gemacht haben, Beratungen gemacht haben, die Menschen zu uns reingekommen sind. Es gab Menschen, die reingekommen sind und gesagt haben, 'Mensch, ist da ein tolles Klima, da kann ich da mal zwei Stunden bleiben, einfach nur so, um dieses Klima zu genießen'."

Zukunft gehört nicht dem Individualverkehr
Insbesondere legte Disch Wert darauf, dass die Mehrkosten eines Plus-Energie-Hauses durch die Einsparung an Energiekosten sowie die Einnahmen der Photovoltaik-Anlagen wettgemacht werden:

"Die zusätzlichen Investitionen, die natürlich notwendig sind, die rechnen sich dadurch, dass ich mehr Einnahmen oder Einsparungen habe, als ich für die Finanzierung ausgeb'. Also bin ich blöd, wenn ich das nicht mache, wenn ich ein billigeres Haus baue."

Rolf Disch plädiert dafür, bei der Entwicklung neuer Stadtquartiere nicht stehenzubleiben: er möchte Mobilitätskonzepte so weiterentwickeln, dass Car-Sharing-Angebote in Verbindung mit dem Öffentlichen Nahverkehr attraktiver sind als ein eigenes Auto. Die Zukunft der Städte gehöre nicht dem Individualverkehr:

"Also ich hab' ja seit zwei Jahren kein Auto mehr, also weder ein betriebliches Auto noch ein privates, weil ich auch sage, ich kann nicht nur planen und hier in die Zukunft gucken, sondern ich muss das auch selbst erleben, und ich muss sagen: Ich vermisse nichts - habe allerdings auch Car-Sharing-Autos vor der Tür stehen. Ich könnte, wenn ich wollte. Ich nutze es kaum, aber ich könnte jederzeit ins Auto steigen. Ich habe eine Karte und die halte ich an das Auto, dann geht die Tür auf, und ich könnte losfahren, muss noch nicht mal etwas aufschreiben, nicht abrechnen, sondern ich kriege dann die Monatsrechnung zugeschickt, besser geht es eigentlich nicht, ja."

Der Erfinder des "Konzept Vauban"
André Heuss ist Mitbegründer des Bürgervereins Forum Vauban, Mitbegründer der Wohnungsgenossenschaft GENOVA sowie Gründer und heutiger Geschäftsführer der Bürgerbau AG, die das Modell der Bürgerbeteiligung professionalisiert hat und als Dienstleistung anbietet. Auf ihn geht maßgeblich das "Konzept Vauban" zurück:

André Heuss: "Unser Konzept, das ist ja letztendlich das Konzept auf dem Vauban gewesen, die Bürger haben sich sehr intensiv eingebracht in die Entwicklung des Stadtteils, also die gesamte Entstehungsgeschichte des Bebauungsplans. Da gab es eine intensive Bürgerbeteiligung, die war von der Stadt initiiert. Da haben sich Bürger eingebacht. Es war also ein transparentes und sehr breit angelegtes Verfahren. Danach sind die Bürger nicht nur hingegangen und haben gesagt: Jetzt haben wir einen schönen Bebauungsplan. Sie sind hingegangen und wollten auch die Grundstücke kaufen und hier die Gebäude errichten - nach eigenen Vorstellungen und das nicht irgendwelchen Dritten überlassen."

Interessierte Bürger taten sich bereits in der Planungsphase zu Baugruppen zusammen. Sie konnten nicht nur ihre eigenen Vorstellungen umsetzen, sondern auch billiger bauen. Nach den Erfahrungen im Vauban kommt das Bauen in einer Baugruppe rund 20 Prozent günstiger. Wer sind die Aktivisten der Baugruppen? Viele von ihnen haben früher gegen das geplante Atomkraftwerk in Wyhl am Kaiserstuhl demonstriert - in Zahlen ausgedrückt: bei den Kommunalwahlen 2009 haben im Vauban die grünen, linken und alternativen Listen zusammengenommen über 75 Prozent der Stimmen erhalten. Die Platzbesetzer von damals sind heute Hausbesitzer, die in Ökohäuser investieren. "Aus Idealisten sind Unternehmer geworden", sagt dazu der Vauban-Bewohner André Heuss:

"Vauban war - damit haben wir angefangen - ganz klar ein Konzept für untere und mittlere Einkommensschichten, die sich in den unterschiedlichen Formen Eigentum bilden können. Ein politisches Konzept, wo ihnen 95 Prozent aller Stadträte in Deutschland sagen würden: Gut, sinnvoll! Und das Konzept ist zu 100 Prozent hier erfolgreich umgesetzt worden. Es wird aber zum Teil diskreditiert. Wir haben natürlich eine Eigentümerstruktur, ganz klar, aber man muss da wirklich auch etwas differenziert hinter die Kulissen schauen: In den Jahren, wo hier die große Bautätigkeit war, da gab es in ganz Baden-Württemberg nicht einen Pfennig Geld für geförderte Mietwohnungen. Und ich kriege eine Miete von vier oder fünf Euro nur dann dargestellt, wenn entweder die Stadt oder das Land oder der Bund oder alle zusammen Geld dazutun. Und es gab keines. Es gab kein Geld. Es gab kein Geld für wirklich günstige Mietwohnung im geförderten Bereich, und deswegen hat Vauban diesbezüglich einen stark unterrepräsentierten Anteil, was sehr ärgerlich ist und sehr schade auch, weil das ein wesentlicher Bestandteil war, den man von vorherein im Konzept dabei hatte."

Ulrike Schubert: "Wir selber haben zum Beispiel, um uns das mit den anderen zusammen leisten zu können, sehr, sehr viele Nächte und Wochenenden geackert und gearbeitet, verputzt und Kabel gezogen und alles, was man will."

Die Baugruppe "Triangel" gehört zu eine der ersten im Vauban, erzählt Ulrike Schubert. Die ehemalige Buchhändlerin sitzt seit neun Jahren im Freiburger Gemeinderat, und zwar für die Linke Liste-Solidarische Stadt, einem Bündnis von Mieter- und sonstigen Bürgerinitiativen.

"Dadurch war es einigermaßen bezahlbar, aber trotzdem ist es natürlich so: Viele konnten das nicht bezahlen und sind dann entsprechend auch nicht hierhergekommen. Was ich wirklich sehr bedauere."

"Häuslebauer - haut ab"
Heute machen sich die Kosten des Erfolgs bemerkbar: Je attraktiver die "Green City" Freiburg wird und ganz besonders das Vauban, umso stärker steigen die Grundstückspreise und Mieten. Von vornherein gab es in dem Vorzeigestadtteil wenige Sozialwohnungen, und nach zehn Jahren läuft bei ihnen die Sozialbindung aus.

Ulrike Schubert: "Ich frag' mich ganz ehrlich, ich selber bin mein Leben lang Buchhändlerin im Einzelhandel gewesen, ich frage mich, wer solche Mieten überhaupt bezahlen kann. Das Ganze führt dazu, es fallen jetzt auch viele Wohnungen aus der Bindung raus die nächsten Jahre, führt dazu, dass die ersten Leute wegziehen müssen. Ganz klar, es ist nicht mehr bezahlbar für viele, und das ist dramatisch."

Wer sich anderswo eine teure Altbauwohnung nicht leisten konnte, hatte im Vauban die Möglichkeit, sich einer Genossenschaft oder einer Baugruppe anzuschließen. Das sind Bedingungen, um die die Bewohner von vielen beneidet werden. Das Vorzeigeviertel polarisiert. Ein junger Punk hat, bevor er sich einen wohldotierten Job ergatterte, an eine Wand geschrieben: "Häuslebauer - haut ab", und an einer anderen Wand ist zu lesen: "Vauban - I hate you".

Hartmut Wagner: "Ich verstehe das sogar, wenn die solche Inschriften hinmalen. Weil auch in mir zwei Seiten existieren: Die eine Seite ist, dass ich das genießen kann, hier zu wohnen, die Ruhe zu haben, dass keine Autos vorbeidonnern, kein Gestank, dass Kinder hier spielen können, dass die Straßen nicht den Autos, sondern den Kindern wieder gehören."

Mit knapp 74 Jahren gehört Hartmut Wagner zu den wenigen Oldies im Vauban.

"Und die andere Seite sagt: Ist das nicht alles eine Utopie? Wenn ich lese, was einer der Mitautoren des Buches 'Die Grenzen des Wachstums', Dennis Meadows, vor kurzem geäußert hat, der sagt, eigentlich ist alles schon zu spät. Alles, was wir machen, sind kleine kosmetische Korrekturen, vielleicht ist auch das Vauban nur eine kosmetische Korrektur."

Der ehemalige Pädagoge und Erwachsenenbildner lässt sich auf der Sonnenterrasse seines Passivhauses nieder; die gelbe Markise hat er weit heruntergelassenen: In der Tat, hier lässt sich's leben. Weit und breit ist kein Autogeräusch zu hören: Wagner freut sich, dass die Bewohner das Konzept des autoreduzierten Stadtteils angenommen haben. Gerade hat er in Zusammenarbeit mit der Gruppe "Transition Town" eine neue Initiative gestartet: "Urbanes Gärtnern in Vauban":

Wagner: "Treu der alten Devise vom Voltaire, nachdem er lange seine Erfahrungen geschildert hat durch all die Katastrophen, die es damals schon im 17., 18.Jahrhundert gab, am Schluss seines Lebens: 'il faut cultiver son jardin', damals war es ein sehr individualistischer Ansatz, heute ist es ein gemeinschaftlicher Ansatz, das ist etwas, worauf ich eventuell etwas Hoffnung setzen kann."

Zwar gebe es im Vauban eine Reihe von sozialintegrativen Gemeinschaften, erzählt Hartmut Wagner, wie etwa die "Vaubanaise", ein gerade fertiggestelltes Gebäude, in dem behinderte mit nicht-behinderten Menschen zusammenleben werden, ferner die Wohngenossenschaft GENOVA oder eine Demenzgruppe. Doch die drei "A"s - Arme, Alte, Ausländer - seien nach wie vor nur selten im Stadtteil anzutreffen:

"Es gibt also eine Reihe von Institutionen, es gibt wenig Menschen, ich glaube, es sind 11 Prozent, die Migranten, Ausländer sind. Meine Frau betreut hier ein türkisches Mädchen, das in der Grundschule ist, gibt ihr Nachhilfe, wir sind aktiv im Flüchtlingsbereich, ein Roma-Kind kommt uns öfters besuchen und mit der haben wir engen Kontakt. Da gibt es auch nach außen viele Kontakte in die Stadt rein, wo Menschen sich sozial engagieren. Meine Frau geht ab und zu spazieren mit einer Frau aus dieser Demenzkranken-Gruppe und singt mit ihr schlesische Lieder, weil sie beide aus Schlesien kommen. Und versucht mit ihr Gedächtnistraining zu machen. Also da gibt es viele Aktivitäten von Einzelnen, die so nicht berücksichtigt werden."

Doch insgesamt wurde das Ziel nicht erreicht, einen sozial durchmischten Stadtteil zu schaffen. Das Vauban ist - auch - Opfer seines eigenen Erfolges geworden:

"Manchmal finde ich es gut, manchmal finde ich es auch - tja, beschämend, wenn das so als Vorzeigequartier in der ganzen Welt dargestellt wird, zuletzt bei der Expo in Shanghai, als das deutsche Vorzeigemodell für Freiburg, aber es ist kein Vorzeigemodell im sozialen Bereich."

Grundstück an den Meistbietenden
Das Zukunftsprojekt Vauban ist ein großer Experimentierkasten. Ökologisch ist hier vieles geglückt, sozial hat sich die Kluft nach unten hin vertieft. Die politischen Rahmenbedingungen, insbesondere die mangelnde Förderung des sozialen Wohnungsbaus, sind 15 Jahre nach dem ersten Spatenstich deutlich spürbar.

Hartmut Wagner: "Wenn weitere Vaubans einmal irgendwo gebaut werden sollten, was im Augenblick in dieser Komplexität nicht der Fall ist - einer der Gründer sagte, ein zweites Vauban scheint es so nicht zu geben in Deutschland -, aber wenn das wirklich mal in den Blick genommen würde von einer vorwärtsdenkenden Stadt oder Landespolitik, dann müsste man das sicher bedenken und andere Stellhebel, andere Weichenstellungen bringen."

Die Stadt Freiburg scheint wenig daraus gelernt zu haben. Im vergangenen Jahr wollte sie die letzten Vauban-Grundstücke an die Meistbietenden verkaufen: die finanziell Bestgestellten sollten den Zuschlag erhalten. Hartmut Wagner kommt da das alemannische Widerstandmotiv vergangener Tage in den Sinn:

"Da haben wir uns wiederum an der Basis auf die Beine gestellt und gesagt: das wollen wir nicht! Dafür gibt’s eben diese Bürgerbewegung, die sagt, 'Nai hämmer gsait', wie bei den alten Gegnern gegen Wyhl. Da sieht man die kleinen Erfolge, wenn man sich wirklich stark macht als Basisinitiative."