Eine neue Heimat durch die Musik

Von Moritz Behrendt · 02.04.2009
Er war 22 Jahre alt, als er das erste Mal eine Oper gesehen hat. Heute - nur 16 Jahre später - dirigiert der Indonesier Adrian Prabava selbst Opern. Seine Liebe zur klassischen Musik hat ihn nach Deutschland geführt. Zurzeit steht Prabava am Dirigentenpult der "Komischen Oper" in Berlin. Dort wird die Kurt-Weill-Oper "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" aufgeführt.
Proberaum 3A der Komischen Oper in Berlin: Die Orchestermusiker und Chorsänger rücken ihre Stühle zurecht und plaudern. Kaum erhebt Adrian Prabava seinen Taktstock, kehrt Ruhe ein. Der stämmige, nicht besonders groß gewachsene Dirigent in Jeans und hellblauem Hemd ist mit seinen 37 Jahren jünger als die meisten der Musiker. Die Sorge, dass er deswegen nicht über genügend Autorität verfügt, kennt er nicht.
"Die Angst habe ich nie gehabt, weil ich glaube: Das ist auch ein Charakter, was ein Dirigent haben muss, besitzen muss - an sich selber glauben und denken, dass, was man von den anderen verlangt, auch seine Richtigkeit hat. Man muss schon davon sehr überzeugt sein."

Dafür, dass der Indonesier Adrian Prabava einmal in Deutschland Opern dirigieren würde, sprach eigentlich wenig. Klassische Musik hat in seinem Heimatland keine große Tradition. Ein Opernhaus hat er bis zu seinem 22. Lebensjahr noch nie besucht. Dennoch stand für ihn bereits in seiner Kindheit fest, dass er Dirigent werden wollte.

"Ich habe im Fernsehen ein Konzert gesehen - ich war vielleicht drei - und ich habe dann diesen Mann gesehen und der wedelt mit seinen Armen - und die Musiker spielten nach diesen Zeichen. Ich war sehr fasziniert von diesem Konzert. Ich habe gedacht, das möchte ich vielleicht auch werden - später."

Auch wenn er spricht, gestikuliert Prabava mit seinen kräftigen Armen, als würde er dirigieren. Inzwischen erzählt er ganz entspannt von seinem Werdegang. Aber der Weg des kleinen Jungen aus Jakarta in die Konzertsäle und Opernhäuser Europas war nicht ohne Hindernisse. Zunächst musste er seine Eltern überzeugen, dass er ein Instrument lernen durfte: Geige sollte es sein.

"Ich war sofort angetan von diesem Instrument und wollte unbedingt Geige spielen. Und meine Eltern waren total schockiert. Sie haben gedacht, etwas stimmt nicht mit unserem Sohn, er wollte einfach Geige spielen. Ich habe zwei Jahre gekämpft, damit ich das Instrument bekommen konnte."

Die Eltern stellen mit der Zeit fest, dass es ihrem Sohn ernst ist mit seinem Wunsch, Musiker zu werden. Die katholische Familie aus der Mittelschicht Indonesiens schränkt sich finanziell ein, um Adrian ein Studium in Deutschland zu ermöglichen: Mit 21 kommt Prabava an die Musikhochschule in Detmold - ohne Sprachkenntnisse und mit dem Gefühl, ganz viel aufholen zu müssen.

"In Deutschland habe ich alles absorbiert, hab alles aufgesaugt, was ich aufsaugen konnte. Ich war kein Geiger, der einfach nur in seinem Zimmerlein hockt und Geige acht Stunden übt. Ich war in jedem Konzert. Ich bin immer viel herumgefahren, um viel zu erleben."

Mit großem Eifer erschließt sich Prabava die deutsche Musiklandschaft. Er spielt in Kirchen, Konzerthäusern und Kneipen.

Auch neben der Musik integriert er sich gut. In Berlin lebt er in einer musikalischen Wohngemeinschaft - gemeinsam mit einer Cellistin aus Südkorea. Außerdem ist Prabava großer Fußballfan. Soweit die Arbeit es zulässt, verpasst er kein Spiel seines Lieblingsvereins "Hannover 96". Bei aller Begeisterung für das kulturelle und sportliche Leben in Deutschland, in Europa, verspürt er nicht manchmal Heimweh nach Jakarta?

"Nein, nein. Ich bin glücklich hier, ich bin sehr froh. Ich fühle mich zu Hause, wo ich meine Musik machen kann. Zu Hause kann ich das nicht machen. Das ist unmöglich - im Moment."

In Europa, so scheint es, lässt er dagegen keine Gelegenheit aus, die sich ihm bietet. 2002 nimmt er in Hannover sein Dirigierstudium auf, später erhält er den Posten des Ersten Kapellmeisters am Theater Gera-Altenburg. Er wird nacheinander musikalischer Assistent von Kurt Masur in Paris und Bernard Haitink am Concertgebouw Amsterdam.

In diesen Tagen gilt seine ganze Aufmerksamkeit der Oper "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" von Kurt Weill, mit dem Libretto von Bertolt Brecht.

"Für mich ist es natürlich sehr interessant, die Musiksprache von Kurt Weill kennenzulernen. Die kannte ich vorher nicht so gut, aber jetzt entdecke ich sehr viele schöne Sachen drin. Wenn so eine gewisse Spannung, was nicht mehr zu ertragen ist, plötzlich kommt, so ein berühmter Song. Also: ein sehr, sehr schöne Song, der die Spannung wieder auflöst - und geht weiter in die nächste Situation."

Die Geschichte der lasterhaften Stadt Mahagonny passe sehr gut in die heutige Zeit, findet der Dirigent.

"Das Thema ist natürlich im Moment sehr aktuell. Die Beziehung zwischen Menschen und Geld - ja dass das Geld am Ende die Menschen beherrscht und nicht umgekehrt."