Eine Lange Nacht über das besetzte Warschau

Untergründe

Zeichenunterricht in der Ingenieursschule "Wawelberg und Rotwand". Erster von rechts ist Jan Bytnar, genannt "Rudy", Pfadfinder und jugendlicher Widerstandskämpfer im besetzten Warschau, 1943 verstorben an den Folgen der Foltern während einer Inhaftierung durch die Gestapo, von seinen Freunden im März 1943 während der "Aktion vor dem Arsenal" befreit, Held des polnischen Widerstandsromans "Steine auf die Schanze"
Zeichenunterricht in der Ingenieursschule „Wawelberg und Rotwand“. Erster von rechts ist Jan Bytnar, genannt „Rudy“, Pfadfinder und jugendlicher Widerstandskämpfer im besetzten Warschau. © Muzeum Powstania Warszawskiego, Warschau
Von Martin Sander · 27.08.2016
Eine junge Polin eilt immer wieder durch die Straßen der polnischen Hauptstadt. Im doppelten Boden ihrer Handtasche verbirgt sie die Druckvorlage für "Biuletyn Informacyjny", die wichtigste polnische Untergrundzeitschrift. Sie wird verhaftet und von der Gestapo verhört, doch sie überlebt.
Ein Mann in den besten Jahren, Historiker, Verleger und Pfadfinderausbilder, bringt seinen Zöglingen bei, wie man Widerstand organisiert. Noch während des Krieges verewigt er seine Helden in einem Roman, der heute als Klassiker gilt.
Maria Straszewska, Literaturforscherin, war von 1939 bis 1944 Redaktionsekretärin der größten polnischen Untergrundzeitung "Biuletyn Informacyjny"..
Maria Straszewska, Literaturforscherin, war von 1939 bis 1944 Redaktionsekretärin der größten polnischen Untergrundzeitung "Biuletyn Informacyjny".© PAP
Ein junger Mann, der sich nicht als Jude sieht, wird als Jude verfolgt. Ihn retten Vertreter einer Untergrundgruppe der antisemitischen Rechten. Kurz darauf werden diese Retter als Spione der Deutschen von einem Kommando der Heimatarmee erschossen.
Autor und Korrespondent Gerhard Gnauck
Autor und Korrespondent Gerhard Gnauck. Enkel des Widerstandskämpfers Bronislaw Filipowicz, der nach Ende des Warschauer Aufstands mit vielen anderen zur Gestapo-Zentrale geführt wurde.© Martin Sander
Ein Chemiker, der sich für den Pazifismus begeistert und im Krieg versucht, etwas von seiner bürgerlichen Existenz zu retten, produziert Sprengstoff für den Widerstand. Sieben Jahrzehnte später wandelt sein Enkel, ein deutscher Journalist, mit den unveröffentlichten Erinnerungen des Großvaters in der Hand auf dessen Spuren durch Warschau.
Der Chemiker Bronislaw Filipowicz im Freundeskreis beim Tennis.
Der Chemiker Bronislaw Filipowicz im Freundeskreis beim Tennis. Unter deutscher Besatzung beteiligte sich Filipowicz, der sich selbst als Pazifist verstand, an der Waffenproduktion des Untergrundstaats.© Gnauck
Vom Herbst 1939 bis zum Winter 1945 herrschten in Polens Hauptstadt die Deutschen. Sie teilten die Stadt in zwei Hälften, das Getto und den sogenannten arischen Teil. Beide Hälften trennte eine Mauer, die auch in den Köpfen vieler Menschen wuchs. Auf beiden Seiten setzte man sich gegen den Terror der Deutschen zur Wehr, doch gemeinsam kämpfte man selten.
Die Lange Nacht erzählt von Alltag und Widerstand im besetzten Warschau aus der Sicht unterschiedlicher Protagonisten - und beleuchtet die Debatten, die sich heute um dieses Kapitel der deutschen und polnischen Geschichte ranken.