Eine Krähe hackt der andern kein Auge aus …

09.05.2008
Diesmal geht es um die Redensarten: Eine Krähe hackt der andern kein Auge aus, Jeder Vogel singt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, Der frühe Vogel fängt den Wurm Du hast nen Vogel! u.a.
Eine Krähe hackt der andern kein Auge aus

Schlau sind sie, die Krähen, gelehrig dazu und treffsicher erst recht. Wer ihnen in die Quere kommt, der muss mit einem zielsicheren Angriff rechnen, auf die Augen nämlich. Untereinander dagegen führt die Zielsicherheit dazu, dass sich Krähen zwar hacken, aber die empfindlichen Augen selbst bei Kopftreffern verschonen. Weiß man dann noch, dass die Krähe als Saatenverzehrer, Kleintierräuber und Galgenvogel einen sehr schlechten Ruf hat, verwundert die Verwendung bei der mangelnden Selbstkritik und Selbstaufklärung innerhalb bestimmter Berufsgruppen wie Ärzte, Polizisten, Juristen, Professoren, Lehrer etc. nicht. Wie die Krähen tun sich die Angehörigen derselben Berufsgruppen nichts zu leide.
Den Galgenvögeln Krähe und Rabe sagte man übrigens auch nach, dass sie sich mit Vorliebe auf die Augen der Gehenkten stürzten, dem Leckerbissen an dem Rabenaas.

Friss, Vogel, oder stirb!

Wenn man klein beigeben muss, um weiterzuleben oder den Job zu behalten, dann benutzt man gern diese Redensart. Es gibt offensichtlich keine Alternative. Die Wendung war schon vor fünfhundert Jahren beliebt und stammt aus dem Bereich der Vogeldressur. Um Vögel kirre – das mittelhochdeutsche Wort für "zahm" – zu machen, gab man ihnen nur eine spezielle Art von Futter, das sie von dem Menschen, der sie zähmen wollte, nehmen mussten – oder eben krepieren.

Jeder Vogel singt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist

Zu den unglaublich vielen Wörtern für "Mund" gehört auch das abschätzige "Schnabel". Man nahm an, dass dessen Form und Art das Singen der Vögel beeinflusse, und übertrug es auf das unverblümte Sprechen ganz ohne Rücksicht auf Konventionen und nach eigener Art.

Der frühe Vogel fängt den Wurm

Die Bedeutung versteht man sofort: Wer früh aufsteht und als erster sich einer Sache widmet, der bekommt den Lohn, wohingegen die Spätaufsteher und Langschläfer leer ausgehen. Interessanterweise setzte sich dieses Sprichwort erst in den vergangenen zwei Jahrzehnten ganz langsam gegen das immer noch gebräuchliche, aber altmodischere "Morgenstund hat Gold im Mund" durch. Es handelt sich quasi um einen zugewanderten Vogel, denn das Sprichwort stammt aus dem angloamerikanischen Raum und wurde längere Zeit in der Originalsprache hier verwendet: "The early bird catcheth the worm."

Du hast nen Vogel / ne Meise!

Was hat die Meise nur getan, um als Geistesschwäche auslösendes Tier zu dienen? Eigentlich nichts. Nur kommt sie häufig genug vor, um als Variante für die ursprüngliche Redensart "einen Vogel haben" zu dienen. Die lässt sich aus der Tatsache erklären, dass man sich die Verrücktheit, Dummheit, Unverschämtheit eines Menschen damit erklärte, dass in seinem Kopf ein Tier hause, das die Gedanken verwirre. Da gab es den Hirnwurm, Grillen und Vögel. Die boten sich deshalb an, weil sie in einem Hohlkopf besonders gut nisten konnten – der leere Hirn- quasi als Starenkasten. So kam es zu dem Piepmatz, den jemand hatte, der "Meise unterm Pony" oder dem Ausdruck "bei dir piept’s wohl" und weiteren Varianten. Andererseits verstand man die Seele früh als einem Vogel vergleichbar, weshalb man den ganzen Menschen als Vogel bezeichnen konnte, woher die Ausdrücke "ein loser / rarer / lustiger Vogel" kommen.

Nachtigall, ik hör dir trapsen

Wenn jemand den Braten riecht, die Absicht spürt und merkt, dass da was im Anzug ist, dann äußert er diesen – immer in Berlinischer Form gebrauchten – Spruch. Ein Liedlein aus der Sammlung "Des Knaben Wunderhorn", das sehr beliebt war, steht an der Wiege der sprichwörtlichen Wendung.

Nachtigall, ich hör dich singen,
Das Herz möcht mir im Leib zerspringen;
Komme doch und sag mir bald,
Wie ich mich verhalten soll.

Nachtigall, ich seh dich laufen,
An dem Bächlein tust du saufen,
Du tunkst dein klein Schnäblein ein,
Meinst, es wär der beste Wein.

Der Witz bei der Sache liegt nun darin, dass man im Volksmund die ersten Zeilen der ersten und der zweiten Strophe verquickte. Das passt auch zu der Ersetzung des "laufen" durch "trapsen", denn ein Vöglein wie die Nachtigall hörte man nur sehr leise sich fortbewegen, wohingegen "trapsen" von "trappen" kommt, und dies Wort bezeichnet einen schweren und schwerfälligen Gang. In dieser Version wird aus der leichten Sängerin also eine schwergewichtige Soubrette, die – wie die bemerkte böse Absicht – nicht zu überhören ist.

Da brat mir einer nen Storch

Überraschungssprüche gibt es wie Sand am Meer, man denke nur an den Hund in der Pfanne, die Pferde vor der Apotheke oder eben den gebratenen Storch. Was ist an dem so ungewöhnlich, frisst die Menschheit sonst doch so allerlei, was kreucht und erst recht, was fleucht. Der Storch gilt aber seit Alters als sehr besonderer Vogel, meist als einer, der Gutes ankündigt oder Erwünschtes bringt. Dem Alten Testament aber glich er der Fledermaus darin, dass er zu den Tieren gezählt wurde, die in den Speisevorschriften als nicht koscher, also unrein klassifiziert wurden. Das wusste die Christenheit natürlich auch, die ihn – siehe oben – aber als Glücksboten sowieso nicht verzehrt und also nicht gebraten hätte. Wenn jemand dennoch den Scheinwunsch äußert, dann geht es um die Bezeichnung von etwas Unerhörtem, womit sie sich vorzüglich eignet, Überraschung auszudrücken.

Man hat schon Pferde vor Apotheken kotzen sehen

Aus dem Straßenbild der Flecken, Dörfer, Städtchen und Städte waren sie noch vor hundert Jahren nicht wegzudenken, die Pferde. Deshalb wusste man allgemein viel über das schätzbare Tier, beispielsweise auch, dass es, selbst wenn es ihm schlecht geht, sich – rein physiologisch – nicht übergeben kann. So bezeichnet die Wendung vom kotzenden Pferd etwas Unmögliches. Und zuerst hieß die Formel, mit der man etwas ganz unerwartet Geschehendes beschrieb, auch nur "man hat schon Pferde kotzen sehen". Die Unmöglichkeit wurde nun noch gesteigert, indem das unmögliche Ereignis am bestmöglichen Ort geschah, da, wo das Pferd sich ein Mittel gegen die Übelkeit besorgen könnte. Die scherzhafte Absicht ist klar, die weitere Ausbaumöglichkeit auch. Bei uns in der Familie hieß es zum Beispiel: "Man hat schon grüne Pferde vor der Apotheke kotzen sehen." Die Farbe bezog sich gleichzeitig auf die Verfärbung bei Übelkeit und die Unmöglichkeit eines grünen Pferdes.

Auf keinen grünen Zweig kommen

Grün ist sowieso eine in der Regel positiv besetzte Farbe, der grüne Zweig erst recht ein Zeichen für Fruchtbarkeit und Wachstum, doch kann man sogar noch einen Rechtsbrauch hinter der oberflächlichen Erklärung finden: Wenn jemand ein Grundstück erwerben wollte, so wurde ihm als sinnfälliges Zeichen dafür, dass das Rechtsgeschäft vollkommen abgeschlossen war, ein Rasenstück mit einem Zweiglein drin vom Voreigentümer überreicht. Wer auf den grünen Zweig gekommen war, hatte also alle Komplikationen des Immobilienerwerbs hinter sich. Wer dagegen auf "keinen grünen Zweig kommt", der strengt sich vergeblich an, bleibt in seinem Bemühen fruchtlos und bekommt schon gar keinen Grundstückskauf unter Dach und Fach.

Die Spendierhosen anhaben

Wenn jemand in Geberlaune ist, dann freut sich alle Welt, jedenfalls die Eingeladenen. Weil das nicht so häufig vorkommt, jedenfalls nicht so häufig, wie man es sich wünscht, suchte man – scherzhaft – nach Erklärungen für die Freigebigkeit und fand sie nicht im Charakter, sondern in den besonderen Beinkleidern, die den Spendierer in die entsprechende Laune versetzten.

Schwitzen wie ein Brunnenputzer

Im Frühjahr sang man – und singt vielleicht noch – sehr gern das schöne Volkslied: "Wenn alle Brünnlein fließen". Damit sie gut fließen und reines Wasser bieten, stellte man in den Zeiten lange vor der Einführung städtischer Wasserleitungssysteme und Kanalisationen extra Menschen an. Die Brunnen waren ja extrem wichtig für die Versorgung der dörflichen oder kleinstädtischen Bevölkerung. So gab es den Beruf des Brunnenmeisters, der sich als Leitungskraft um alles frische Wasser und Abwasser kümmerte, für die schwierigen, anstrengenden und schmutzigen Arbeiten aber seine Hilfskräfte hatte, zu denen die Brunnenputzer gehörten. Die Menschen waren ja schon im Mittelalter oft genug Schweine und entsorgten allerlei Abfall einfach, indem sie ihn in den Brunnen warfen, nach dem Motto: "Aus den Augen, aus dem Sinn". Das waren keine Brunnenvergifter, nur faule Leute. Dann tranken auch Tiere aus dem Brunnen, viele Sachen wurden darin – oft gegen ausdrückliches Verbot – gewaschen. Die Leitungen, wenn es welche gab, verstopften leicht, wenn sich zuviel Algenbewuchs bildete, und auch die Brunnenwände mussten stabil und sauber gehalten werden. Das alles war eine sehr anstrengende und immer wieder zu verrichtende Arbeit, die deshalb auf alle möglichen Tätigkeiten übertragen wurde, um deren besondere Qualität oder besonderes Ausmaß oder besondere Intensität auszudrücken. Deshalb gibt es außer "schwitzen" auch "arbeiten" oder "trinken wie ein Brunnenputzer ".

Pünktlich wie ein / die Maurer

Fast jede Sparte des Handwerks muss sich irgendwann mal Berufsspott gefallen lassen – die Dachdecker, die Köhler, die Besenbinder; also sollten sich die Maurer nicht beschweren, sondern lieber mitlachen. Man behauptete von ihnen früher, sie machten besonders pünktlich Feierabend und ließen auf den Glockenschlag die Kelle fallen. Das klingt ja – je nach Perspektive – nicht nur bös. Aber es gab noch eine Steigerung des Neckens, denn man erzählte sich verschiedene Maurergeschichten, bei denen die absolute Feierabendpünktlichkeit selbst dann bewahrt wurde, wenn sie … Na, lesen Sie selbst: Ein Maurer fiel eines Tages in den Rhein. Nicht faul, fing er an zu schwimmen und näherte sich schon dem rettenden Ufer. Da hörte er die Glocken den Feierabend einläuten. Er legte darauf sofort die Hände in den Schoß und ertrank.
Die neckende Redensart verwendete man dann auch ironisch, wenn jemand sich einfach pünktlich zum vereinbarten Termin einstellte, denn der andere wusste früher ja, dass Spott dahintersteckte.