Eine Komödie über das Grauen

Von Christian Berndt · 25.10.2011
Im Moskauer Hotel Lux versammelten sich in den 30er-Jahren kommunistische Emigranten aus Furcht vor dem stalinistischen Terror. Der gleichnamige Film ist eine ungewöhnliche Mischung aus Witz und Schrecken. Bully Herbig spielt die Hauptrolle als unpolitischer Varietékünstler.
Aus dem Film: "Varieté Valetti präsentiert: Siggi Meyer ist der Führer. Hans Zeisig ist ... (Musik wird abgewürgt) - Mein Name ist Hans Zeisig, ich bin Komiker. Ich wollte eigentlich nach Hollywood, doch die amerikanischen Pässe waren aus und so kam ich mit meinen gefälschten Papieren nur bis Moskau, ins Hotel Lux. Und das ist alles andere als komisch."

Vom Regen in die Traufe. Der Berliner Varieté-Komiker Hans Zeisig muss nach einem Bühnen-Witz über Hitler aus Nazi-Deutschland fliehen. Sein Ziel ist eigentlich Hollywood, stattdessen kommt er nur bis Moskau - ins berüchtigte Hotel Lux. Hier versammeln sich in den Dreißigerjahren kommunistische Emigranten aus ganz Europa, harren aus in Furcht vor Verhaftung - der stalinistische Terror kostet die Mehrheit von ihnen das Leben. Vor diesem Hintergrund spielt Leander Haußmanns "Hotel Lux" - eine Komödie über das Grauen. Es ist eine Gratwanderung, aber für Regisseur und Drehbuchautor Haußmann eine angemessene Form, um das Überleben in der Diktatur zu beschreiben. Auch aus Erfahrung seiner eigenen DDR-Vergangenheit:

"Ich bin ja in einem Haushalt groß geworden, der war ja wirklich nicht pro DDR, ganz im Gegenteil, und ohne Humor und sehr viel Ironie hätten wir das nicht durchgestanden, so ... auf der anderen Seite glaube ich ganz fest, dass Künstler und vor allem Komiker so ein visionäres Gefühl haben können. Sie sehen manchmal Dinge voraus und sprechen die auch aus, mitunter unter Lebensgefahr, wie wir wissen. Und solchen Leuten wollte ich natürlich auch ein Denkmal setzen."

Sein Held Hans Zeisig wird auch gespielt von einem Komiker: Michael Bully Herbig. Den Regisseur und Hauptdarsteller von "Der Schuh des Manitu" hätten viele in einer solchen Charakterrolle nicht erwartet. Als Produzent Günter Rohrbach ihm die Hauptrolle für "Hotel Lux" vorschlug und das Drehbuch schickte, wollte Herbig eigentlich absagen:

Michael Bully Herbig: "Ich habe einfach für mich selbst gespürt, das war einfach ne Spur zu hart für mich. Also, ich hatte das Gefühl, dass ich das noch nicht.., ich hatte das Gefühl, die Zeit stimmt gerade nicht. Ich wollte Herrn Rohrbach absagen – das ist mir nicht gelungen. Er sagte am Telefon: 'Nein, Sie sagen nicht ab', bzw. dann kam sein charmanter Satz, einigen wir uns darauf, dass sie nicht zusagen. Ich schicke Ihnen erst mal das Buch von Leander Haußmann, die neue Fassung, und damit konnte ich dann schon etwas mehr anfangen."

Das ursprüngliche Drehbuch war dramatischer ausgerichtet. Haußmanns mehr ins Komödiantische zielender Entwurf schien Herbig passender – auch wenn ihm der historische Hintergrund eher fremd war:

"Also, ich konnte mit Ulbricht noch was anfangen, Pieck im Zweifelsfall auch noch, bei Dimitroff bin ich schon ausgestiegen. Natürlich wurde ich dann zugeschüttet mit Informationsmaterial. Aber ich habe irgendwann gedacht, das macht überhaupt keinen Sinn, das ist überhaupt nicht von Bedeutung für diese Figur, weil der Hans Zeisig auch sehr unwissend und naiv dort aufkreuzt, und dann dachte ich mir, na gut, kommt mir gerade recht, ich weiß es auch nicht."

Vielleicht ist es gerade diese Naivität, die Bully Herbig in der Rolle des unpolitischen Varieté-Künstlers so überzeugend wirken lässt. Hans Zeisig lebt auf der Bühne, die Bedrohung durch die Nazis nimmt er nicht wahr. Er ist völlig perplex, als ihm Bühnenpartner Siggi, gespielt von Jürgen Vogel, seine kommunistischen Genossen vorstellt:

Aus dem Film: "Wo bleibst Du Genosse? – Genosse? - Ich bin fertig Genossin. – Wie Genossin? – Frida van Oorten. – Hallo Genossin. - Du auch? – Ich besorg nur die Papiere. – Oh, ich will's gar nicht wissen. - Kann man ihm vertrauen? – Unter Folter verrate ich alles. – Meint er das so? – Er meint das so. – Massenparteien waren mir schon immer suspekt. – Massen interessieren ihn nur als Ausverkaufsschilder an der Abendkasse."

Zeisig ist unpolitisch, aber nicht unmoralisch. Er versucht, dem mörderischen Wahnsinn mit Humor und Menschlichkeit zu begegnen. "Hotel Lux" ist eine im deutschen Film ungewöhnliche Mischung aus Witz und Schrecken. Nächtliche Verhaftungen und willkürliche Erschießungen sind Alltag, daneben gibt es Skurriles über kommunistische Funktionäre wie Walter Ulbricht, dessen Bekanntschaft auch Hans Zeisig macht:

Aus dem Film:
" (Auf Sächsisch) "Das ist also der neue Genosse. Wir wollten bloß mal Guten Tach sagen, ich bin der Walter." "

Slapstick und kalte Brutalität wechseln sich ab in einer Weise, wie man es seit den klassischen Komödien Ernst Lubitschs und Billy Wilders selten gesehen hat. Dagegen gerät die Lovestory zwischen Zeisig und der strammen Kommunistin Frida eher sentimental als glaubwürdig. Aber eins macht "Hotel Lux" deutlich: Hier zu überleben, ohne selbst unmenschlich zu werden, ist eine Leistung. Leander Haußmanns Film erzählt zwar eine Art Schelmengeschichte, aber mit einem nicht nur komischen Helden.

Leander Haußmann: "Auf der anderen Seite finde ich es immer spannend, dass man sich überlegt, wie man selber in so einer Zeit leben oder reagieren würde, ob man es schafft, seine Integrität, sein Menschsein zu bewahren. Wenn man das schafft, dann ist man schon ein Held. Wir neigen heutzutage immer dazu, so Urteile zu fällen, ohne darüber nachzudenken, wie man selber so ... das interessiert mich halt mehr. Mich interessiert so ein Hans Zeisig mehr als der große Weltenretter."


Filmhomepage "Hotel Lux"