Eine jahrzehntelange Künstlerfreundschaft

Von Jochen Stöckmann · 13.01.2011
Über 40 Jahre waren sie befreundet - sofern man mit einem kauzigen Künstler wie Sigmar Polke im klassischen Sinne überhaupt befreundet sein konnte. Doch sein Kollege und Verleger Klaus Staeck hat sich von dem menschenscheuen Meister auch mal abwimmeln lassen. Nun ist eine Bilanz dieser Künstlerfreundschaft in der Berliner Akademie der Künste zu sehen.
Klaus Staeck ist ein kritischer Plakatkünstler, viele erinnern sich an seine Aktion "Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen!" Daneben amtiert der Heidelberger Grafiker auch als Präsident der Berliner Akademie der Künste. Aber was treibt er eigentlich als Galerist und Verleger?

Klaus Staeck: "Qualitativ etwas anzubieten, was wenig kostet. Und in dieser Absicht haben mich die meisten Künstler, von Beuys angefangen, alle unterstützt. Sie waren immer ganz froh, wenn jemand da mal dieses Dreieck Museum - Galerie - Künstler durchbrach und direkt etwas für die Freunde der Kunst lieferte."

Dafür war der im vergangenen Jahr verstorbene Sigmar Polke der richtige, der Raster-Mann: Mit Rasterpunkten verfremdete er in Siebdrucken die Bild- und Konsumwelt der Siebzigerjahre, auch eine Art kritischer Grafik. Polke half Staeck 1969 mit einer Edition aus der finanziellen Klemme.

Das war der Beginn der Direkt-Kunst - und einer mehr als 40 Jahre währenden Freundschaft.
Geliefert hatte Polke damals eine 20er Auflage seiner Kartoffelmaschine, in der eine Knolle polternd um die andere kreist. Die aufwendige Apparatur krönt jetzt in der Berliner Akademie Staecks Hommage für den Künstlerfreund:

"Er war der Spieler, aber nie verspielt - manche Leute verwechseln das. Alle, die das Politische und das Kritische aus seiner Arbeit übersehen möchten, die bezeichnen ihn sehr gerne als Spaßvogel. Das war er nicht, sondern er hat die Leute ertappt. Er hat sie mit Bildern ertappt, die eingänglich waren und die auch lesbar waren, auch für den Laien."

Das beweist exemplarisch eine Fotoserie, in der Polke 1972 verunstaltete CDU-Wahlplakate dokumentierte, vermutlich frühe Unmutsäußerungen junger "Wutbürger". Regelrecht sozialdokumentarisch gerieten die Bilder der Kölner Bettler, mit der Tristesse dieser Offsetlithografien etabliert der Grafikvirtuose Grau als Zustand.

Grell und bunt dann die Herzkammer dieser Freundschaftsschau, der Zyklus "Wir Kleinbürger": Zwischen Farbschlieren tauchen Motive aus Underground-Magazinen auf, Hippies und Anarchos stehen dem Künstler bei seiner Konsumkritik zur Seite. Und wenn es mal ganz dunkel wird, ist dank fluoreszierender Farbe eine schillernde Schlange zu sehen, als Verweis auf Polkes Credo "Seinen Augen niemals trauen". Aber wie soll man da noch lesen?

Klaus Staeck: "Viele Sachen sind ja collagiert - und gegensätzliche Dinge zusammengebracht, die einen auf den ersten Blick überraschen, jedenfalls, wenn man den Sinn nicht erkennen mag."

Für Begriffsstutzige, aber vor allem natürlich für den Connaisseur, hat Freund Staeck sein persönliches Archiv befragt, hat Ideenskizzen und ursprüngliche Entwürfe hervorgeholt, kostbares Rohmaterial, das jetzt in Vitrinen ausgebreitet wird. Soviel zum geistigen Gehalt, zur hehren Kunstgeschichte.

Aber auch das materielle Wohlergehen - oder eben die zeitweise Misere - werden nicht ausgespart. "Bargeld sofort" heißt es in Polkes Collagen, auch seine Faxe an Staeck sind handschriftlich mit kunstvollen Zahlenreihen verziert. Und der Galerist antwortet - am Kunstmarkt leise zweifelnd: "Neuer Ankauf - Ausrufezeichen. Neues Glück - Fragezeichen."

Klaus Staeck: "Diese Faxe enthalten auch viel Spielerei, viel Witz, viel Verzweiflung auch: Wenn man Wochen und Monate darauf warten muss, dass jemand die Auflage, die man jetzt endlich gedruckt hat, signiert. Und die Messe naht, wo man die Sachen anbieten möchte."

Aber dann kam Schwung in die Sache, Polke machte eine Entdeckung.

Klaus Staeck: "Also, er war ein großer Experimentator. Offenbar ist der Fotokopierapparat für ihn erfunden worden, denke ich manchmal. Und den intensivsten Kontakt hatten unser beider Faxgeräte. Wenn man in sein Atelier kam, fand man oft Berge von Kopien vor, von bearbeiteten natürlich: Verwischungen aller Art, alle Möglichkeiten der Verfremdung, die der Kopierapparat hergab."

So konnte wohl nur Polke dem blöd- bis hintersinnigen Slogan "Life is only a copy" Paroli bieten. Mit kopierten Originalen, über die man nur staunen kann - und um deren Dokumentenechtheit sich jetzt jeder Archivar sorgen muss. Da können wir nur hoffen, dass Akademiepräsident Staeck, ein manischer Sammler, sein Konvolut nach dieser überraschenden Premiere bald in fachgerechte Aufbewahrung gibt.