Einblick ins Jugend-forscht-Labor

Die stehende Welle

Eine kleine Kugel Styropor, darauf eine Fliege
Eine kleine Kugel Styropor, darauf eine Fliege © picture alliance / dpa / Caroline Seidel
Von Dietrich Mohaupt · 29.05.2015
Mit Schallwellen Dinge schweben lassen: Das untersuchen die Schülerinnen Jule, Anna und Jule-Anna in ihrer Physik-AG. Und mit dieser "akustischen Levitation" sind sie ins Finale von "Jugend forscht" gelangt.
Anna Hölterhoff sucht den geeigneten "Schwebstoff“ – sie kramt in einer Plastikkiste mit Tüten, Gläsern und kleinen Schachteln, in denen sich ihre bisherigen Versuchsobjekte befinden:
"Ja – das sind noch die ganzen anderen Schwebekör... ähh… Schwebe--, wie soll man das sagen - ...teilchen? Schwebeteilchen, die wir halt noch haben schweben lassen. Also mit anderem Volumen oder anderer Dichte, z.B. Qinoa oder – was haben wir hier noch … ich kenne mich mit diesem ganzen Gemüse nicht so aus, was hatten wir noch? Sesam, Bulgur – schwebt auch gut – oder die Zuckerperlen, die haben auch schon geschwebt, oder dieses grüne Zeug, das ist auch ganz gut! Ist das das grüne Zeug oder anderes grünes Zeug? Es ist das grüne Zeug, das schwebt auch gut.“
Das grüne Zeug – ist eine Art Knetmasse, die an der Luft schnell aushärtet und eine geringe Dichte hat. Quinoa ist auch bekannt als Inka- oder Andenreis, Bulgur ist vorgekochter Weizen – alles tolle "Schwebstoffe“, aber … am Ende greift die Schülerin doch wieder zu den bewährten, etwa Stecknadelkopf großen Styroporkügelchen:
- "Ja … die haben von Anfang an eigentlich am besten funktioniert, weil die Dichte am geringsten ist und da geht das immer am besten. Styropor ist schon am coolsten.“
- "Kannst Du einmal den Stecker reinstecken, bitte?“
Schweben in der AG
Anna ist 17, und besucht zusammen mit ihren Freundinnen Jule und Jule-Anna die Physik-AG der Ricarda-Huch-Schule in Kiel. Die beiden anderen haben im Physiklabor längst mit dem Aufbau des Versuchs begonnen, mit dem die drei Nachwuchsphysikerinnen das Finale des bundesweiten Wettbewerbs "Jugend forscht“ erreicht haben.
Auf einem großen Tisch steht jede Menge Elektronik bereit, Jule-Anna kämpft mit diversen Kabeln und Steckern. Die "Jule ohne Anna" erklärt unterdessen, was da alles vor ihr steht:
"Wir haben zum einen den Funktionsgenerator, der unser Wechselspannungssignal erzeugt, mit einer ganz bestimmten Frequenz, die wir brauchen. Dann haben wir unseren Schallwandler mit den Piezokristallen und einen Verstärker, der nochmal das Signal verstärkt, damit genug Schallleistung entsteht – und wir haben auch noch ein Oszilloskop, um das Ganze dann anzugucken und zu überwachen."
All das ist mittlerweile ordentlich verkabelt, die Styroporkügelchen liegen bereit. Mit zwei, drei Handgriffen startet Jule die Geräte – kleine Ventilatoren laufen an … sonst ist aber nichts zu hören – Ultraschall eben, die Schülerinnen arbeiten normalerweise mit Frequenzen von mehr als 20 KHz, die kann das menschliche Ohr nicht wahrnehmen. Jule Anna, die dritte im Bund der jugendlichen Forscherinnen, kennt aber einen Trick – mit einer Pinzette berührt sie die Metallplatte des Schallwandlers:
"So hört man es ein bisschen. Aber wir könnten jetzt auch die Frequenz verändern, und das würde man dann auch hören – sollen wir das mal machen?“
"Ja, das sind jetzt 13 KHz, das hört man schon ganz gut und das sind jetzt 8 KHz – so hatten wir es am Anfang.“
"Okay – wir sind jetzt bei 25 KHz, das ist für menschliche Ohren nicht mehr hörbar und deswegen ganz angenehm."
Es wird also ein Ultraschallsignal erzeugt – und wieso schwebt da was? Weil die angelegte Wechselspannung dazu führt, dass die Piezokristalle sich periodisch ausdehnen – das erzeugt an der Metallplatte des Schallwandlers Wellen, die von einem darüber montierten Spiegel reflektiert werden, und wenn alles richtig justiert ist, dann entsteht eine sogenannte stehende Welle, erläutert Jule-Anna.
"Das sind zwei Schallwellen, die sich überlagern – eben die ausgesendete von der Bewegung der Piezokristalle, also die Platte, die dann schwingt, und die reflektierte. Und die überlagern sich dann eben und dann entsteht eine stehende Welle und in den Knotenpunkten schwebt es dann.“
Zwischen dem Schallwandler und dem Reflektor
An bestimmten Punkten zwischen dem Schallwandler und dem Reflektor heben sich also bestimmte Kräfte gegenseitig so auf, dass kleine Teilchen schweben. Hochkonzentriert versucht Jule Anna ein Kügelchen mit einer Pinzette an die richtige Stelle zu bugsieren – und es klappt tatsächlich, es schwebt.
"Ja – man sieht schon, dass es am unteren Knotenpunkt schwebt. Wenn man die jetzt anhebt, dann kann man die übereinander positionieren.“
Mit ein bisschen Geduld und ruhiger Hand gelingt es ihr tatsächlich, vier Kügelchen übereinander schweben zu lassen – die junge Physikerin strahlt.
"Also – ich bin von uns dreien die, die es am faszinierendsten findet, dass es schwebt – und ich finde einfach, dass es allein schon cool ist, sich das anzugucken, wie es schwebt.“
Physik kann ja so faszinierend sein, aber um bei "Jugend forscht" erfolgreich zu sein, reicht Faszination allein natürlich nicht, betont Jule.
"Nee, nee… also das ist auch schon interessant, weil wir ja Messreihen machen, und wir haben unterschiedliche Teilchen schweben lassen und dann Fotos davon gemacht, und wenn man sie dann am Computer auswertet und ganz genau die Position des Teilchens analysiert und dann noch ausrechnet, wo wir erwartet hätten, dass es schwebt und wo diese Knotenpunkte liegen – das ist auch, finde ich, ziemlich interessant, dass man dann am Ende ein ausgewertetes Ergebnis hat, womit man dann auch weiter arbeiten kann und das man dann interpretieren kann.“
Für das Bundesfinale von "Jugend forscht" haben die drei Schülerinnen aus Kiel ihr ursprüngliches Experiment übrigens etwas erweitert – sie wollen jetzt nicht nur die Teilchen einfach schweben lassen, sondern sie auch durch Veränderungen in der Frequenz und dem Abstand zwischen Schallwandler und Reflektor hin und her bewegen. Daraus könnten ganz konkrete Anwendungen in der Chemie oder der Elektrotechnik entstehen.
"Also eine Anwendung wäre, wenn man Flüssigkeiten schweben lassen könnte – und auch transportieren könnte. Dann könnte man z.B. chemische Reaktionen durchführen, die dann ohne Reagenzglas einfach in der Luft stattfinden – eben im Schwebezustand. Man könnte aber auch andere Teilchen transportieren, z.B. Werkstücke in der Platinenfertigung, die nicht statisch aufgeladen aber auch nicht berührt werden dürfen.“
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