"Ein Zugpferd muss immer dabei sein"

Oliver Mahrdt im Gespräch mit Frank Meyer · 20.06.2010
Die deutsche Filmwirtschaft sei in den vergangenen zehn Jahren mit wenig Mitteln "sehr, sehr erfolgreich" auf dem amerikanischen Markt gewesen, sagt Oliver Mahrdt vom Filmexportbüro German Films für die USA und Kanada. Der nächste Schritt sei, "viel aggressiver Koproduktionen mit den USA anzuregen".
Frank Meyer: Und für den Erfolg von "Vincent will meer" in den USA arbeitet Oliver Mahrdt. Er ist der Vertreter des deutschen Filmexportbüros German Films für die USA und Kanada, und jetzt ist Oliver Mahrdt für uns am Telefon. Herr Mahrdt, seien Sie herzlich willkommen!

Oliver Mahrdt: Ich grüße Sie!

Meyer: Herr Mahrdt, Sie haben "Vincent will meer", den Film, nun bei der 25. Ausgabe der deutschen Filmpremieren in den New Yorker Tribeca Cinemas gezeigt. Ich nehme an, weil der Film in Deutschland so erfolgreich ist, oder gibt es noch andere Gründe, die Sie glauben lassen, der Film hat gute Chancen auf dem amerikanischen Markt?

Mahrdt: Es ist ja ein Roadmovie, und das ist was, was die Amerikaner fasziniert. Ich denke da an den Erfolg von "Thelma & Louise" oder auch den deutschen Film von Wim Wenders "Paris, Texas". Das ist einfach eine Spur, die hier funktioniert, und ich glaube, dass der Film hier wirklich eine Chance hat, in die USA verkauft zu werden.

Meyer: Und was haben die amerikanischen Filmeinkäufer und -verleiher nun gesagt bei der Premiere?

Mahrdt: Nein, das hat denen alles ganz gut gefallen. Da waren auch ein paar Filmfestival-Programmchefs anwesend, die dann gesagt haben, das interessiert uns sehr. Ist der Film frei für unser Festival? Das sind Indikatoren, wo man dann schon sagen kann, ja, das funktioniert in den USA. Es gibt dann auch Leute, die sind an Remake-Rechten interessiert, also dass man das Drehbuch kauft und neu verfilmt dann mit amerikanischen Stars, und da gibt es anfängliche Gespräche. Man darf ja nicht vergessen, sie haben den Film zum ersten Mal gesehen und sind danach ja dann nicht gleich willens zu sagen, hier, ich zücke jetzt das Scheckbuch und ich kaufe den Film.

Meyer: Weil Sie das Thema Remakes gerade ansprechen, da hört man ja immer wieder, dass die Amerikaner eigentlich immer ihre eigenen Stars sehen wollen in Filmen und deswegen ausländische Filme eher nicht so mögen und die lieber noch mal nachdrehen. Ist das tatsächlich ein Hindernis auch für deutsche Filme, um auf den amerikanischen Markt zu kommen?

Mahrdt: Ich weiß nicht. Ich meine, Quentin Tarantino war ja mit seinem Film "Inglorious Bastards" das beste Beispiel, dass es nicht unbedingt so sein muss, aber es ist halt, ein Zugpferd muss immer dabei sein. Und da ist die Namensliste aus Europa doch sehr, sehr gering.

Meyer: "Inglorious Bastards" sprechen Sie an, weil da viele deutsche und österreichische Schauspieler mitgespielt haben und einer sogar einen Oscar dafür bekommen hat?

Mahrdt: Ja.

Meyer: Was waren denn in den letzten Jahren überhaupt die erfolgreichsten deutschen Filme auf dem amerikanischen Markt?

Mahrdt: Das war natürlich "Das weiße Band", das war "Inglorious Bastards", es gab auch ein paar interessante Geschichten, vielleicht "Metropolis" ist neu ins Kino gekommen und ist immer noch im Kino, das finde ich eigentlich ziemlich erstaunlich. Es gibt schon eine ganze Menge Filme, die in Kinos laufen. Wie erfolgreich die dann natürlich sind, das ist eine andere Geschichte.

Meyer: Wo werden diese Filme überhaupt gesehen, werden die auch auf dem platten Land gesehen, im mittleren Westen oder dann doch nur in den Intellektuellen-Hochburgen an der Ostküste?

Mahrdt: Also Sie müssen sich das so vorstellen, Herr Meyer: Sie haben die zwei Testmärkte, Los Angeles und New York. Da schauen sich dann alle Leute an, wie funktioniert ein Film. Wenn der Film sagen wir mal für eine Woche läuft, das ist so der Standard, und der läuft gut, dann wird eine Woche drangehängt. Ab dem Moment überlegen sich die großen Kinoketten und die kleineren Häuser eben in anderen Städten, ob das was für sie ist. Und aufgrund der Zahlen und aufgrund der Einschätzung von diesen Leuten werden dann die Filme eingeladen, eben auch in anderen Kinos zu spielen. Und dann wandert der Film schon. Also es gab sehr viele Filme, die das geschafft haben, eben außerhalb New York und Los Angeles in den USA gezeigt zu werden. Aber in 92 Prozent der Kinos können wir nicht reinkommen, weil die einfach den Studios gehören, und die haben nur Interesse, ihre eigenen Produktionen zu zeigen.

Meyer: Sie haben ja "Das weiße Band" gerade erwähnt als erfolgreichen Film, und etwas, was man auch immer wieder hört, ist, dass sich die Amerikaner besonders für Filme, die sich mit deutscher Geschichte auseinandersetzen, interessieren. Bestes Beispiel ist ja der Oscar-Erfolg der Stasigeschichte "Das Leben der anderen". Sie haben in dieser Filmreihe, die für uns heute auch der Anlass ist für das Gespräch auch den Film "Napola" von Dennis Gansel gezeigt über eine nationalsozialistische Kaderschmiede. "Sophie Scholl" von Mark Rotermund wäre ein anderes Beispiel. Ist das so ein kleines Erfolgrezept für deutsche Filme, sich mit Geschichte auseinandersetzen?

Mahrdt: Ja, das ist natürlich eine Geschichte, die die Leute fasziniert, gerade die Nazizeit. Es waren ja viele amerikanische Soldaten im Krieg, die dann natürlich zu Hause erzählt haben, es gibt Leute, die stationiert sind in Deutschland, die haben natürlich traditionell ein relativ großes Interesse an Deutschland.

Meyer: Gibt es so etwas Grundsätzliches, wo Sie sagen, das muss ein Film haben, den ich hier in New York potenziellen Kunden vorstelle, eine grundsätzliche Qualität eines deutschen Films, die Sie immer im Auge haben?

Mahrdt: Es gibt natürlich Anspruchskriterien, und dann, um zu einer German Premier sich zu qualifizieren, da gibt es eine ganze Menge von Geschichten, wo wir eben draufgucken. Man darf natürlich nicht vergessen, Amerikaner wachsen anders auf, und viele Filme haben natürlich zeitgenössische deutsche Probleme, die besprochen werden, die für einen amerikanischen Kinobesucher fremd sind. Hier ist ein anderes Schulsystem, hier geht es an den Unis einen Tick anders. Das sind alles Sachen, die dann eben deutsche Filme auch ausschließen, sodass man am Schluss eben nur sehr internationale Themen hat.

Meyer: Tut die deutsche Filmwirtschaft genug, um sich auch mit ordentlicher Marketingbemühung auf den amerikanischen Markt zu drängen?

Mahrdt: Man kann jetzt sagen, dass man mit sehr wenig Mitteln sehr, sehr erfolgreich die letzten zehn Jahre war. Ich glaube, der nächste Schritt wäre dann eben, viel aggressiver Koproduktionen mit den USA anzuregen, und das ist aber mit sehr viel mehr Geld verbunden. Das ist halt eine Frage, die man sich stellen muss. Und wenn es funktioniert, klar, wollen es alle gewesen sein, nur wenn es nicht funktioniert, wer zahlt dann dafür? Und das ist dann doch eine Geschichte, das muss man sich sehr genau überlegen.

Meyer: Aber das wäre der Weg, den Sie am ehesten empfehlen würden?

Mahrdt: Ja. Man kann nur in die 92 Prozent der Kinos kommen, wenn man eben was zusammen mit den Studios macht. Das ist dann einfach eine Geschichte, die man angehen muss.

Meyer: Arbeiten für den deutschen Film auf dem amerikanischen Markt, im Moment für den Film "Vincent will meer", das macht Oliver Mahrdt, der Vertreter des deutschen Filmexportbüros German Films für die USA und Kanada. Herr Mahrdt, vielen Dank für das Gespräch!

Mahrdt: Ich danke Ihnen!
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