"Ein wichtiger konjunktureller Impuls"

Peter Clever im Gespräch mit Birgit Kolkmann · 05.12.2008
Peter Clever, Vorsitzender des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit (BA), befürwortet eine weitere Senkung der Lohnnebenkosten. Die geplante Reduzierung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung sei ein "wichtiger konjunktureller Impuls", sagte Clever. In der Rentenversicherung würden derzeit noch Rücklagen aufgebaut. Auch hier könne der Beitrag um 0,3 Prozent gesenkt werden.
Birgit Kolkmann: Die Forderung ist nicht neu. Schon seit Langem klagen Arbeitgeber und bürgerliche Politiker, die Lohnnebenkosten seien viel zu hoch und ein Investitionshindernis ersten Ranges. Und neue Arbeitsplätze zu schaffen sei vor dem Hintergrund der hohen Kosten gar nicht attraktiv. Die Bundesregierung will nun doch die Senkung, durch die Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung auf drei Prozent neue Anreize schaffen. Die Beitragszahler werden entlastet und positive Signale für die Schaffung neuer sozialpflichtiger Beschäftigungsverhältnisse gesetzt. So liest es sich im Gesetzentwurf, der heute im Bundestag zur Abstimmung steht. Zuvor wird darüber debattiert, ob das die richtigen Instrumente zur Belebung des Arbeitsmarktes oder damit die Arbeit der Bundesagentur für Arbeit behindert wird. Für den Bundesverband der Arbeitgeberverbände sitzt Peter Clever im Vorstand der Bundesagentur. Ihn begrüße ich jetzt in der "Ortszeit". Schönen guten Morgen!

Peter Clever: Guten Morgen, Frau Kolkmann!

Kolkmann: Herr Clever, welchen Effekt erwarten Sie denn durch die Senkung des Beitragssatzes auf drei Prozent?

Clever: Das ist eine Entlastung, die sogar größer ausfällt, als Sie jetzt gesagt haben. Denn das Gesetz ermächtigt den Bundesarbeitsminister, zeitlich befristet den Beitrag noch stärker abzusenken und das wird er tun. Der Beitrag wird zum 1. Januar nicht auf drei, sondern auf 2,8 Prozent sinken bis zum 30.06.2010. Und das bringt einen Entlastungsschritt von vier Milliarden Euro. Und die Bedeutung kann man erst ermessen, wenn man sich klarmacht, wo wir noch vor zwei Jahren standen, bei 6,5 Prozent. Wir hätten im nächsten Jahr den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern 30 Milliarden Euro mehr Beitrag abknöpfen müssen, wenn wir es nicht geschafft hätten, von diesen 6,5 Prozent runterzukommen. Ich glaube, das ist mit ein ganz wichtiger konjunktureller Impuls, dass wir Reserven aufgebaut werden in der BA und gleichzeitig die Belastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer deutlich abgesenkt haben.

Kolkmann: Die Frage ist ja, werden dadurch tatsächlich mehr Stellen geschaffen.

Clever: Es ist ohne Zweifel so, dass die Lohnzusatzkosten, nicht die Lohnhöhe selbst, eine Beschäftigungsbremse per Excellence ist. Und das ist auch der Grund, warum wir gerade jetzt, wo alle Welt weiß, dass wir in schwierige Zeiten kommen, ich warne vor Katastrophenszenarien, aber das nächste Jahr wird ein sehr schwieriges Jahr werden, dass wir da nicht alle Reserven nutzen. In der Rentenversicherung werden jetzt über einen Beitrag von 19,9 Prozent sogar noch Rücklagen aufgebaut in der Krise. Hier könnte man ebenfalls 0,3 Prozent absenken und 0,3 Prozent heißt auch dort etwa 2,4 Milliarden Euro. Es ist noch Spielraum drin, um die Kosten für Arbeitgeber zu senken und den Arbeitnehmern mehr Netto vom Brutto zu belassen. Gerade die Gewerkschaften sagen ja auch immer, die Menschen müssen mehr in der Tasche haben und das kann man, wenn man Steuern und Abgaben reduziert. Und das ist gerade jetzt in der Krise dringend erforderlich.

Kolkmann: Wie passt das aber zu der Meldung, die ja die Bundesagentur gestern erst herausgegeben hat, dass immer mehr Menschen, die in Lohn und Brot sind, aber darauf angewiesen sind, dass der Staat ihr Salär aufstockt, weil sie damit nicht klarkommen? Stichwort Niedriglohnbereich, der ja doch sehr stark ausgedehnt worden ist.

Clever: Das passt sehr gut dazu und da ist es auch notwendig, mal mit einem Vorurteil aufzuräumen. Die sogenannten Aufstocker, die Menschen, die ein Erwerbseinkommen haben, aber zusätzlich noch Hartz-IV-Leistungen, Arbeitslosengeld II, bekommen, die bekommen im Schnitt aus ihrer Erwerbsarbeit einen Stundenlohn von 10,50 Euro. Das ist fast die Hälfte mehr, als der Deutsche Gewerkschaftsbund sich als Mindestlohn vorstellt. Und daran schon alleine kann man erkennen, dass das Austrockerproblem nicht ein Problem völlig unangemessener, möglicherweise sogar sittenwidrig niedriger Löhne ist, sondern die Aufstockung wird gewährt, weil sie notwendig ist, um die Familienunterhaltsleistungen, die die Leistungsbezieher erbringen müssen, auch finanziert zu bekommen. Und aus diesem Grund ist es ein Zeichen dafür, dass es offensichtlich gelingt, schlecht qualifizierte Leute, die einfache Tätigkeiten im Moment nur machen können, wieder in Arbeit zu bringen, anstatt sie dauerhaft arbeitslos zu lassen. Und deshalb ist ein gutes Zeichen und wir wissen, dass viele mit dem Einstieg in Arbeit auch den Aufstieg in der Arbeit durch Qualifizierung und Bildung schaffen. Und deshalb ist das ein gutes Zeichen, dass wir viele Aufstocker haben, die Arbeit haben, statt arbeitslos zu sein.

Kolkmann: Kommen wir noch einmal zu diesem neuen geplanten Instrument der Absenkung des Beitragssatzes für die Arbeitslosenversicherung zurück. Sie haben eben mehrfach gesagt, dass das die Rücklagen und überhaupt die Finanzierung der Bundesagentur für Arbeit nicht weiter tangiert. Hat sie denn, wenn da so viele Rücklagen sind, bei den Arbeitnehmern in Deutschland in den letzten Jahren zu viel abgesahnt?

Clever: Nein, ich glaube, die Bundesagentur hat nicht zu viel abgesahnt. Sie hat allerdings einen Kurs gefahren, der mit den vielen Milliarden Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sorgsam umgegangen ist. Wir haben eine Transparenz geschaffen, die es möglich macht, die Arbeitsmarktpolitik nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit zu steuern. Und deshalb können wir trotz abgesenkter Beiträge mit mehr als 16 Milliarden Rücklagen in den Abschwung gehen. Und deshalb können wir auch jetzt das tun, was notwendig ist, einen Konjunkturimpuls setzen, indem wir den Beitrag absenken und trotzdem haben wir diese großen Reserven. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung wirklich sehr schwierig wird, für die nächsten zwei Jahre sind wir auf absolut sicherer Seite dank der guten Politik, die in den letzten beiden, drei Jahren gemacht worden ist.

Kolkmann: Peter Clever war das. Er sitzt für den Bundesverband der Arbeitgeberverbände im Vorstand der Bundesagentur. Danke für das Gespräch in der "Ortszeit"!