Ein weltoffener Denker und politischer Maler

Von Rainer B. Schossig · 12.02.2013
Über die Herkunft des deutschen Malers und Kupferstechers Albrecht Altdorfer ist kaum etwas bekannt. Umso populärer sind die weltlichen und religiösen Bilder dieses großen Renaissance-Künstlers, der die Landschaft zum eigenständigen Bildthema erhob.
Ein Ozean aus Blattwerk, der alle Bildgrenzen überflutet, ungezähmt, wild wuchernd: Lediglich an einer Stelle lichtet sich das Grün, aber nur um einen Ausblick auf weitere waldige Höhen freizugeben. Ein monumentales Bild, obwohl seine Maße gerade mal 22,5 × 28,2 Zentimeter betragen. Albrecht Altdorfer hat es um 1510 gemalt; Titel: "Waldlandschaft mit St. Georgs Drachenkampf". Doch der kleine, schwarz geharnischte Ritter auf seinem Schimmelchen verliert sich nahezu im Unterholz. Der Kunsthistoriker Thomas Noll hat über die Kunst Altdorfers publiziert. Er verortet dessen Werk an der Schwelle zur Moderne:

"Modern ist, dass die Landschaft als eigenständiges Bildthema auftritt. Eher traditionell wäre, anders auch als Dürer, dass er nicht vor dem Motiv genau studiert, sondern dass diese Landschaften künstlerische Überformungen natürlicher Gegebenheiten darstellen; auch, dass die Landschaft Bedeutung hat im Kontext von humanistischen Überlegungen, im Hinblick auf die Bedeutung des deutschen Waldes als einem nationalen Sinnbild."

Altdorfer dachte weltoffen und malte politisch - Beispiel: Die "Alexanderschlacht", ein allegorisches Wimmelbild, auf dem sich Hunderte von Kämpfern und Reitern zusammendrängen – es zeigt die legendäre Schlacht bei Issos, wo Alexander der Große im Jahr 333 vor der Zeitrechnung den Perserkönig Dareios III. besiegte.

"Das Faszinierende an diesem Bild ist, dass er sehr genau die damaligen geografischen Kenntnisse einfließen lässt, sodass man tatsächlich in diesem Bild hat lokalisieren können, welche Region - Berge, Flüsse, Nildelta etwa - zu sehen ist, das heißt, ein Historienbild, dass Raum und Zeit fassen kann, und als Kunstwerk auch das herausragende Werk von Altdorfer ist."

Altdorfer malte die "Alexanderschlacht" als kosmisch-weltgeschichtlichen Showdown: Am Himmel triumphiert die rot glühende Sonne des Abendlandes über die verblassende Sichel des Morgenlandes, den Halbmond der Türken, die 1529 vor Wien standen.

So präsent Altdorfers Bilder sind, so wenig weiß man über Jugend und Herkunft des Künstlers. Das niederbayerische Altdorf bei Landshut beansprucht zwar, dass der Meister um 1480 hier geboren worden sei, doch beurkundet ist dies nicht. Erwähnt ist ein gewisser Hanns Altdorfer, Ratsherr in Landshut und herzoglicher Kämmerer. Dessen Sohn Georg war um 1480 Bischof von Chiemsee. Es darf bezweifelt werden, ob Albrecht Altdorfer, der 1517 in den Regensburger Rat gewählt wurde, eines Bischofs Sohn war. Zweifelsfrei bezeugt ist, dass er zu jenen Ratsherren gehörte, die anno 1519 die Ausweisung der Regensburger Juden anordneten. Nach dem Pogrom entstand anstelle der Synagoge eine Wallfahrtskapelle, auch Altdorfer profitierte davon: Er gestaltete eine Pilger-Fahne und das Altarbild dafür, freilich nur Nebenwerke. Das Markenzeichen des souveränen Renaissancemeisters ist, dass seine Bilder immer eigenständig und reflektiert sind, gleich ob religiös oder weltlich, märchenhaft-stimmungsvoll oder allegorisch-bedeutsam.

"Die ältere Forschung hatte Altdorfer eher vor dem Hintergrund seiner Landschaftsdarstellungen als etwas naiven, heiteren Wandervogel begriffen. Davon kann keine Rede sein. Es ist ein Künstler, der sehr genau die Kunst in dieser Zeit reflektiert hat, der mythologische Themen, religiöse Themen hat, ein Künstler von enormer Spannweite."

Albrecht Altdorfer starb am 12. Februar 1538 in Regensburg. Neben seinen Gemälden sind über 200 Zeichnungen sowie zahlreiche Grafiken, Kupferstiche und Holzschnitte von ihm erhalten, darunter Beiträge für den "Triumphzug Maximilians I.". Altdorfer steuerte für den Triumphzug eine farbige Holzschnitt-Folge geschmückter Prunkwagen, defilierender Landsknechte und fantastisch uniformierter Fahnenträger bei.