"Ein völlig falsches Signal aus Brüssel"

27.05.2010
Der Stahl-Unternehmer und Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome, Max Schön, hat Rückschritte der EU bei der Reduzierung ihrer Klimaziele scharf kritisiert. Langfristig gesehen halte er die Brüsseler Entscheidung für einen herben Fehler, sagte Schön. Ähnlich wie in der Wirtschaftskrise werde auch in der Klimapolitik zu stark auf kurzfristige Vorteile geschaut.
Moderatorin: Statt möglicher 30 Prozent weniger CO2 jetzt also wie bisher nur 20 Prozent weniger, und das auf Druck der Industrie, der Unternehmer. Auch Max Schön ist Unternehmer. Seine Firma stellt Kamintüren her, Gartenscheren, Beschriftungsgeräte, im weitesten Sinne also alles, was Maschinen und Werkzeuge sind. Max Schön ist aber auch Chef des Club of Rome und somit der Nachhaltigkeit verpflichtet. Guten Morgen, Herr Schön!

Max Schön: Guten Morgen! Wobei bei der Firmenrecherche muss ein kleiner Fehler passiert werden, wir sind Stahlgroßhandel und Werkzeugmaschinengroßhandel.

Moderatorin: Ich habe mich auf Ihre Internetseite bezogen. Dann sollten Sie da vielleicht noch mal nachschauen.

Schön: Wir haben 150.000 Artikel, sei es drum.

Moderatorin: Wie dem auch sei, kommen wir auf die Frage zurück: Wie bewerten Sie diese Brüsseler Entscheidung? Ärgern Sie sich mehr als Unternehmer oder freuen Sie sich als – nein, umgekehrt, ärgern Sie sich oder freuen Sie sich als Chef des Club of Rome?

Schön: Also kurzfristig gesehen, wenn man wirklich nur bis zum Jahresende denkt oder bis zum nächsten Jahresende denkt, kann man sich ja über jede Kostenentlastung freuen. Langfristig gesehen halte ich die Entscheidung für einen ganz herben Fehler. Die Natur gibt immer Kredit, aber sie vergisst eben auch nie, Rechnungen zu stellen. Und es ist ähnlich wie bei der Wirtschaftskrise. Natürlich könnten wir jetzt sagen, warum sollen wir jetzt anfangen zu sparen, die anderen sparen ja auch noch nicht, also lassen wir es auch sein, weil Sparen könnte ja ein Wettbewerbsnachteil sein – und so ist es beim CO2 auch. Wir müssen das CO2 reduzieren, und je länger wir warten damit, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, umso teurer wird die Zeche sein, die wir zu zahlen haben für die Reparaturmaßnahmen an der Natur. Auch hier gilt, Vorbeugen ist besser als die Reparatur zu bezahlen, insofern halte ich das Zeichen aus Brüssel für das völlig falsche.

Moderatorin: Was muss denn passieren, damit endlich bei allen der Groschen fällt, worum es eigentlich geht?

Schön: Na, ich glaube, wir haben es hier so häufig, wie zum Beispiel auch bei den Ursachen der Wirtschaftskrise, damit zu tun, dass wir Menschen dazu neigen, sehr kurzfristig zu denken. Wir schauen danach, was ist unser kurzfristiger Vorteil, und verlieren dabei die langfristige Orientierung völlig aus unseren Augen. Und CO2 hat natürlich noch den Nachteil, dass man es nicht so richtig spürt, was dort oben in der Atmosphäre passiert, dass der Klimawandel eben sehr träge ist und dass das, was an Prozessen jetzt in der Natur in Gang gesetzt worden ist durch zu viel CO2, eines Tages zurückschlägt.

Und es ist deswegen eine geistige Leistung, und da ist die Politik genauso wie die Wirtschaftslenker vorneweg gefragt zu sagen, was mache ich denn jetzt, damit in Zukunft die Prognosen nicht eintreten. Und das bedeutet eben, bereits jetzt so viel CO2 zu reduzieren wie möglich. Denn CO2 hält sich 50 bis 100 Jahre in der Erdatmosphäre. Das heißt, jede Tonne CO2, die wir emittieren, die bleibt zunächst mal da oben, verstärkt den Treibhauseffekt und damit den Klimawandel, und je kürzer ist die Zeit für die Anpassung und je teurer sind unsere Anpassungsstrategien. Also wirtschaftlich gesehen ist es langfristig ein Trugschluss zu glauben, wir könnten jetzt etwas sparen und hätten damit auch für die Zukunft etwas Gutes getan – das Gegenteil ist der Fall.

Moderatorin: Der deutsche EU-Energiekommissar Oettinger und der deutsche Wirtschaftsminister Brüderle haben beim Verzicht auf ambitioniertere Klimaziele eine große Rolle gespielt, so hören wir aus Brüssel – was möchten Sie diesen beiden Herren ins Gebetbuch schreiben?

Schön: Na ja, dem deutschen Wirtschaftsminister müsste man mal sagen, dass wir selber als Nation ja ein sehr viel höheres CO2-Sparziel haben, nämlich 40 Prozent …

Moderatorin: So steht es im Koalitionsvertrag.

Schön: So steht es im Koalitionsvertrag, und die 30 Prozent werden wir relativ sicher erreichen können. Insofern wäre eigentlich die deutsche Leistung, dieses Ziel zu erreichen, eine relativ geringe gewesen. Uns hätte es also besonders leichtfallen müssen, dazu Ja zu sagen. Und das Zweite ist, dass man eigentlich wirklich nur alle dazu aufrufen kann – dazu zählt aber auch jeder Bürger, jeder Zuhörer heute Morgen am Radio –, selber sich davon nicht beeindrucken zu lassen, sondern das eigene Gehirn einzuschalten und zu sagen, was kann ich denn persönlich dazu beitragen, CO2 zu reduzieren und eben nicht das langfristige Ziel aus dem Auge zu verlieren. Das ist wirklich eine typische Politik: Auf der einen Seite haben wir eine Taskforce für Desertec, eine Umstellung unseres Energiesystems wird dort geplant auf eine CO2-arme Energieherstellung, und auf der anderen Seite sagen wir gleichzeitig, das geht ja gar nicht, das kann man nicht machen. Das ist schizophren.

Moderatorin: Was tun Sie in Ihrer Firma, um CO2 zu sparen? Sie haben es gerade schon gesagt, Sie gehen mit Stahl um, das sind energieaufwendige Produktionsverfahren.

Schön: Wir sind Stahlhändler, das heißt – oder überhaupt Händler mit technischen Produkten. Für uns ist es also wichtig, dass wir bei der Leistungserstellung, beim Einkauf, beim Vertrieb, beim Transport CO2 emittieren. Die größte CO2-Sparleistung bei uns im letzten Jahr war, dass wir den Großteil unserer Logistik umgestellt haben auf ein externes Logistikunternehmen, was dann unsere Warenströme zusammenlegt mit anderen Warenströmen und dadurch erheblich weniger Strecken fährt. Und wir können die gleiche Transportleistung mit sehr viel weniger CO2-Emissionen darstellen.

Moderatorin: Max Schön war das in Deutschlandradio Kultur. Er engagiert sich als Unternehmer und im Club of Rome für den Klimaschutz. Ich bedanke mich fürs Gespräch!