Ein Theologe als Weinliebhaber

Von Detlef Grumbach · 24.10.2005
Er kommt aus dem Hannöverschen - einer Gegend, die Feinschmeckern und Genießern nach eigener Auskunft wenig zu bieten hat. Er selber war auch viele Jahre keiner. Sein Verhältnis zum Wein war vor allem von den Liedern des weinseligen Volksmusikers Willi Schneider geprägt. Doch irgendwann während seines Theologiestudiums kam Gotthard Scholz auf den Geschmack.
"Ein Wesenszug von mir ist glaube ich, auf der Suche zu sein. Mir macht das Suchen sehr viel mehr Spaß als das Finden."

Gotthard Scholz, studierter Theologe, vor allem aber Weinkenner und Genießer, der diese Leidenschaft heute zu seinem Beruf gemacht hat:

"Und die Vorstellung, ein Pastor zu sein, vor einer Gemeinde zu stehen und das Finden darzustellen, diese Vorstellung war mir unheimlich. Ich laufe, glaube ich, vor dem Festen weg. Und deshalb habe ich es ja auch mit dem Flüssigen."

"Ich suche in den Regionen, die ich besuche, die originalen Geschmäcker, Gerüche. Ich suche nicht nach dem perfekten Wein, sondern ich suche nach den Menschen, die diesen Wein machen, nach dem Land, aus dem er kommt. Eigentlich trinke ich auch nur Weine aus Regionen, in denen ich schon war. Das Schöne ist eben, das zu trinken, was man erlebt hat."

Seinen ersten Wein hat der 1960 Geborene als Jugendlicher in den siebziger Jahren getrunken. Es war die Zeit der Glykol-Skandale: Weine wurden mit Frostschutzmittel versetzt, damit sie die nötige Süße bekamen.

In seiner Familie wurde gerne gefeiert, und wenn zu den weinseligen Liedern Willi Schneiders auch nicht gerade Skandalwein getrunken wurden, so doch

"durchaus belanglose, sehr zuckrige Tropfen, die so schöne Namen trugen wie Oppenheimer Krötenbrunnen, Kröver Nacktarsch, Piesporter Michelsberger. Alles sehr schöne Lagen, wie ich heute weiß, aber was man damals von diesen Lagen bekam, war unter aller Sau."

Gotthard Scholz, schlank, groß, kurzes Haar, fühlt sich als verspäteter Achtundsechziger. Er zog nach Göttingen, nahm sein Theologiestudium auf und lebte in einer Wohngemeinschaft. Zum Wein hatte eine gebückte Haltung, wie er sagt. Er bediente sich in den niedrigen Preisklassen. Anfang der neunziger Jahre reiste er mit seinen Mitbewohnern nach Italien und besuchte die Weinbaugebiete im nordwestlich gelegenen Piemont.

"Da habe ich zum ersten mal einen Nebbiolo, das ist eine Rotweintraube, beziehungsweise einen Barbaresco getrunken. Und als ich da meine Nase reingehängt habe, da wusste ich, es ist um mich geschehen. Das waren Aromen, die einem da entgegen strömten, das war ein Geschmack, den man auf der Zunge spürte, das kannte ich noch nicht."

Hat der Nebbiolo seinem Leben eine andere Richtung gegeben? Dass der auf den ersten Blick gar nicht so enthusiastisch, eher sogar spröde wirkende Scholz nicht Pfarrer werden wollte, hatte sich schon zuvor angedeutet. Also machte er, mit der gesamten Wohngemeinschaft nach Hamburg gezogen, erst mal verschiedene Jobs. Und dann kam die Idee mit den "Weinlesereisen", diesen Hör-Montagen aus Reportagen, Weinexpertisen, Literatur und Musik der Region. Vor vier Jahren ist die erste CD im eigenen Lable erschienen - natürlich über den Nebbiolo und die anderen Weine des Piemont.

"Wobei der Menschenschlag im Piemont sehr eigen ist. Aber auch das merkt man diesen Weinen an. Die sind auch sehr widersprüchlich. Die sind nicht so leicht zugänglich."

CD-Zitat: "Wir sind früh dran. In den Tälern liegt noch der Morgendunst. Kein Wäldchen, keine Felder, kaum ein Stück Wiese können wir ausmachen Nur Weinregen,"

"Der Nebbiolo ist ein sehr widersprüchlicher Geselle: auf der einen Seite sehr sauer, auf der anderen Seite sehr tanninenstark, der hat auch seine teerigen, untergründigen Noten, und so ist auch das Piemont."

Fünf Hörbücher über italienische und spanische Weingegenden hat Scholz mittlerweile produziert, daneben auch Hörbücher über Fußball, Boxen und andere Leidenschaften. Die Kritiken sind gut, doch der Verkauf hinkt leider hinterher. So hat er auch schon daran gedacht, aufzugeben.

"Ich war gerade an der Mosel, ich war das erste Mal tatsächlich in Piesport und in Kröv, ich habe auf der Piesporter Höhe gestanden und hab mir die Steillagen an der Mosel angeschaut und war sehr begeistert. Da wird einem schwindelig, wenn man da herunter guckt, man bekommt auch ein ganz anderes Gefühl zum Boden. Das ist steinig, das ist karg, das ist Kalk, das ist Schiefer, ja, und man bekommt eine Hochachtung auch vor diesen Reben, die sich in diesen Böden festkrallen und ganz tief wurzeln."

"Wenn es so eine Verbindung zwischen dem Theologen und dem Wein gibt, dann ist es halt der Begriff der Offenbarung, das ist ja etwas ganz Fremdes bricht in die eigene Welt ein. Es kommt Wärme aus dieser Welt, und es kommt ein bisschen Glück aus dieser anderen Welt. Es ist eine Sehnsucht darin."