Ein Sieger, alle anderen Verlierer

Von Peter Lange, Chefredakteur Deutschlandradio Kultur · 28.03.2011
So viel Einigkeit war unter den deutschen Parteien und Wahlforschern selten: Die Menschen im Südwesten haben den GAU von Japan zu einer Volksabstimmung über den revidierten Atom-Ausstieg von Angela Merkel genutzt. Deshalb sind die Grünen die einzigen Sieger in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.
Wenn sich bei SPD und CDU Freude zeigte, dann war es Schadenfreude über die Verluste des regierenden Konkurrenten. Aber in Mainz helfen die starken Verluste der Sozialdemokraten am Ende der CDU mit ihrem kleinen Zugewinn überhaupt nicht. Und in Stuttgart ist auch die SPD unter die Räder gekommen. Nur noch drittstärkste Kraft, das haben die Sozialdemokraten bislang nur in ostdeutschen Bundesländern erlebt und sollte Grund zur Beunruhigung sein.

Die Grünen stellen den nächsten Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg – rund 35 Jahre nach dem Beginn der Anti-AKW-Bewegung am Oberrhein, rund 30 Jahre nach ihrer Gründung in Karlsruhe und nach ihrem ersten Einzug in das Parlament eines Flächenstaats - in Baden-Württemberg. Wahrlich eine historische Zäsur. Das sensationelle Wahlergebnis ist ein Vertrauensvorschuss, der sich schnell in eine Hypothek verwandeln kann. Die FDP lässt grüßen. Denn da kommen zwei Partner an die Macht, die keine Erfahrung im Regieren haben, und die zudem mit einer Landesbürokratie zu tun haben, die durch und durch schwarz-gelb durchwirkt ist. Das Bohren der dicken Bretter ist keineswegs vorbei, wie der mutmaßliche künftige Ministerpräsident Winfried Kretschmann meinte. Es beginnt jetzt erst.

Für die Koalition von Bundeskanzlerin Merkel ist das Ergebnis eindeutig: Egal, ob das Atomkraft-Moratorium als ernsthaftes und ergebnisoffenes Innehalten gedacht oder nur dem taktischen Kalkül der bevorstehenden Wahl geschuldet war – nach diesem Wahlabend ist kaum vorstellbar, dass die Laufzeitverlängerung der Atommeiler Bestand haben wird. Genauso unwahrscheinlich ist, dass die Koalition über das Desaster im Südwesten zur Tagesordnung übergehen wird. Baden-Württemberg hat für die Union die gleiche Bedeutung wie NRW für die SPD. Und auch wenn Stefan Mappus zu den stärksten Befürwortern der Laufzeit-Verlängerung gehörte - die Niederlage wird die Diskussion über die Politik der Union und Regierungsstil der Kanzlerin neu beleben.

Bei den Liberalen ist die Personaldiskussion unausweichlich. Sie haben ein Glaubwürdigkeitsproblem, und zwar nicht erst, seit Reiner Brüderle das Atomkraft-Moratorium als taktisches Manöver desavouiert hat. Auch der durchsichtige Versuch von Guido Westerwelle, den Konflikt in Libyen zu einer Frage von Krieg und Frieden zu machen und damit wie weiland Gerhard Schröder im Irak-Konflikt beim Wahlvolk zu punkten, ist fehlgeschlagen. Der bündnispolitische Schaden wird nun mit ziemlicher Sicherheit noch einmal auf die Tagesordnung kommen.

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