Ein Sender für Gott und Polen

Von Margarete Wohlan · 03.05.2008
Der katholische Sender "Radio Maryja" besteht seit 16 Jahren. Immer wieder gerät er wegen antisemitischer und fremdenfeindlicher Ausfälle sowie wegen seiner undurchsichtigen Finanzierung in die Schlagzeilen. Dennoch oder gerade deswegen hat der Sender rund eine Million Hörer in Polen, denen die orthodoxe Auslegung des Katholizismus wichtig ist.
"Hier ist Radio Maryja - die katholische Stimme in deinem Haus. Gelobt seien Jesus Christus und Maria, die immerwährende Jungfrau. Um diese Zeit versammelt sich die große Familie von Radio Maryja, um den Rosenkranz zur göttlichen Barmherzigkeit zu beten."

Donnerstagnachmittag, in der Wohnung von Stanisława und Wiesław Sułek in Jędrzejów, einer Kleinstadt in Zentralpolen. Das Ehepaar gehört zu den Stamm-Hörern von Radio Maryja, dem nationalkonservativen katholischen Sender in Polen. Als das Rosenkranzgebet zur göttlichen Barmherzigkeit im Radio ertönt, knien sich beide nieder und beten mit.

Wiesław Sulek: "Den Schöpfer des Himmels und der Erde. Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria"

Stanisława Sulek: ". . . gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten."

Dieses Gebet wird täglich um 15 Uhr gesendet und wir beten jeden Tag mit. Alle, die zur Familie von Radio Maryja gehören, schalten ein und beten mit - aus der ganzen Welt rufen sie an und beten mit: aus Amerika, Afrika, aus Deutschland und Weißrussland. Es gibt keinen Tag, an dem nicht jemand aus dem Ausland anruft und durchgestellt wird, um in der Sendung mitzubeten. Es ist, also ob wir uns zu dieser konkreten Stunde alle im Geist vereinen durch dieses Gebet. "

Stanisława Sułek ist typisch für die Mehrheit der rund eine Million regelmäßigen Hörer von Radio Maryja. 67 Jahre alt, Rentnerin, fromm und gottesfürchtig - so beschreibt sie sich selbst. Zwei Mal täglich, morgens und abends, geht sie zur Messe, zu Hause läuft den ganzen Tag Radio Maryja.

Auch ihr Mann Wiesław ist nicht untypisch für die Hörergruppe des erzkatholischen Senders. Er ist Rentner, hat zuletzt als Abteilungsleiter in den Städtischen Verkehrsbetrieben gearbeitet und war Zeit seines Lebens gläubiger Katholik. Darauf ist er stolz:

"Ich habe zu den tiefsten kommunistischen Zeiten, noch vor dem Kriegsrecht in Polen 1981, als es den größten Druck auf die Gläubigen gab, das Kreuz am Revers getragen. In meinem ganzen Leben habe ich mich nie an politischen Werten orientiert, sondern war immer Katholik. Ich habe meine Kinder im katholischen Glauben erzogen. Bei uns hing zu Hause immer das Kreuz und es wurde immer gebetet. Ich habe mich all dessen nicht geschämt."

Vielleicht war es diese prägende Erfahrung, die Wiesław Sułek 1997 motivierte, in seiner Heimatstadt Jędrzejów ein Büro von Radio Maryja zu gründen. Denn Radio Maryja ist nicht nur ein Radiosender. Es ist ein sehr undurchsichtiges Imperium, das von Tadeusz Rydzyk, einem Pater des polnischen Redemptoristenordens, gegründet wurde.

Zu seinem Unternehmen gehören unter anderem das Satellitenfernsehen "TV Trwam", die Tageszeitung "Nasz Dziennik", eine private Medienhochschule und eine Vielzahl von Gemeindeorganisationen, darunter rund 400 Büros von Radio Maryja. Eines davon ist das Büro in Jędrzejów und dessen Leiter ist Wiesław Sułek:

"Bevor ich hier Vorsitzender wurde, musste ich einen Personalbogen ausfüllen: Geburtsdatum, Ausbildung, Nationalität, alle Telefonnummern. Der Chef-Priester unserer Pfarrgemeinde musste das selbstverständlich unterschreiben und das wurde dann nach Toruń geschickt."

Das Büro von Radio Maryja in Jędrzejów ist auf dem Gelände der Pfarrkirche untergebracht. Das große Schild mit einer aufgemalten Jungfrau Maria ist von Weitem sichtbar. Wichtigste Aufgabe des Büros: die Evangelisierung. Wiesław Sułek wusste sofort, was zu tun war.

"Ich entschied mich, Pilgerfahrten zu organisieren - zu allen Kirchen, Heiligtümern, eben den Orten der religiösen Kultur in Polen. Wir sind viel herumgekommen, die Leute waren dankbar und wollten immer mehr. In den elf Jahren seit Gründung habe ich etwa 70 Pilgerfahrten durchgeführt, mit rund 3500 Teilnehmern. Das hört sich vielleicht nicht viel an, aber unsere Gemeinde zählt nur 6000 Mitgliede. "

Wiesław Sułek unternahm noch mehr. Als Polen vom Hochwasser überrascht wurde - in den Jahren 1997 und 2000 -, organisierte er mit einigen der 30 Büro-Mitglieder Hilfe für die Flutopfer: Betten, Teppiche, Kühlschränke, Getreide, Kartoffeln, Kohle. Mit einem Klein-Transporter brachte er die Sachen in die ausgewählten Dörfer.

Und auch in Jędrzeów selbst, dem Sitz des Büros, versucht er, den Bedürftigen zu helfen. Doch die finanziellen Möglichkeiten sind begrenzt. Das Büro bekommt kein Geld aus der Zentrale in Toruń, sondern ist auf Spenden vor Ort angewiesen. Und die sind, abgesehen von den Spenden für die Flutopfer, gering. Deshalb beschränkt sich sein Engagement vorwiegend auf Zuhören und Anteilnahme.

"Die Menschen kamen mit sehr vielen, unterschiedlichen Problemen zu mir. Es ging um die Arbeit, um die Schule, um Probleme mit Kindern, mit Drogenabhängigen oder Alkoholikern. Aber es gab auch Kurioses: Eine ältere Witwe bat mich, ihr einen Mann zu suchen. Sie hätte gern einen, der katholisch, gut und ruhig ist, und meinte: 'Ihr als Radio Maryja könnt mir bestimmt so einen finden.'"

Jede Aktivität des Büros von Radio Maryja wird von einem sogenannten geistlichen Betreuer beaufsichtigt. In Jędrzejów ist es Bruder Bernard. Er gehört dem Orden der Zisterzienser an, der die Gemeinde leitet. Der 40-Jährige ist bekennender Fan des Radiosenders. Er war bei allen Pilgerfahrten dabei und ist anwesend, wenn sich die Mitglieder des Büros in Jędrzejów treffen.

Bruder Bernard: "Natürlich muss ich darüber wachen, wie über religiöse und geistige Inhalte gesprochen wird. Außerdem rede ich oft mit ihnen über die Lügen, die in den anderen Medien über Radio Maryja und über unseren katholischen Glauben geschrieben werden. Wir schauen, worauf diese Manipulationen beruhen und wie wir uns vor ihnen schützen können."

Was der Zisterzienser-Mönch Bernard - und nicht nur er - als Lügen bezeichnet, ist die fundierte Kritik der säkularen Medien in Polen und dem Ausland. Seit der Gründung im Dezember 1991 geriet Radio Maryja immer wieder wegen antisemitischer und fremdenfeindlicher Ausfälle und Kampagnen gegen einzelne Personen oder Medien in die Schlagzeilen. Die polnische Kultur ist nach Ansicht des Senders bedroht von Juden, Freimaurern, Liberalen und Atheisten sowie den Feinden des polnischen Katholizismus.

Gründer und Direktor Tadeusz Rydzyk ist zu keiner offiziellen Stellungnahme bereit, jede Interviewanfrage aus dem In- und Ausland lehnt er ab. Aber es existiert ein Buch aus dem Jahr 2002 mit dem Titel "Ja, ja – Nein, nein". Darin legt Pater Rydzyk zum ersten und bisher einzigen Mal seine Ansichten offen. So erklärt er beispielsweise zu den Vorwürfen des Antisemitismus:

"Der Vorwurf des Antisemitismus ist Unsinn. Ich denke, das ist auch ein Um-sich-Werfen mit irgendwelchen Parolen, ein Ankleben von Etiketten, und das alles nur, um zu provozieren."

Viele Beispiele ließen sich finden, um das Gegenteil zu behaupten. Der letzte bekannt gewordene antisemitische Ausfall stammt vom Juli 2007. Ein Tonbandmitschnitt aus der privaten Medienhochschule von Tadeusz Rydzyk ist an die Öffentlichkeit gelangt – die schlechte Tonqualität ließ nicht eindeutig erkennen, ob es tatsächlich die Stimme des Direktors war. Dieser nannte das Tonband zwar eine Provokation, hat es aber nicht bestritten.

Worum ging es? Dem polnischen Staatspräsidenten Lech Kaczynski wurde vorgeworfen, sich der jüdischen Lobby zu beugen und von ihr fremdbestimmt zu sein. Seine Frau, die sich für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts ausgesprochen hatte, wurde als Hexe beschimpft.

Radio Maryja: "Du Hexe, ich zeige es dir. Wenn man Menschen töten soll, dann stelle ich dich als erste hin."

Der israelische Botschafter in Polen protestierte, das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles nannte Rydzyk einen "Goebbels im Talar" und 30 prominente Polen - darunter Władyław Bartoszewski, jetziger außenpolitischer Berater des polnischen Ministerpräsidenten Tusk- unterzeichneten einen Aufruf, Redemptoristen-Pater Rydzyk wegen Antisemitismus den Zugriff auf die Medien zu entziehen. Auch Präsident Lech Kaczynski meldete sich öffentlich zu Wort:

"Da es sich auf das Staatsoberhaupt und seine Gattin bezieht, haben wir es mit einem ernsten Problem zu tun, das die Beziehungen zwischen Staat und Kirche und den Redemptoristen-Orden betrifft."

Aber nichts half. Die Staatsanwaltschaft befand den Priester für "nicht schuldig", die polnische Bischofskonferenz rang sich nicht einmal zu einer Rüge durch. Erst im Februar 2008 kam erneut Bewegung in die Angelegenheit: Der Bund Jüdischer Glaubensgemeinden in Polen stellte einen Antrag auf ein Strafverfahren wegen Beleidigung des jüdischen Volkes gegen Rydzyk. Die Staatsanwaltschaft in Torun ermittelt nun.

Die private "Hochschule für Gesellschafts- und Medienkultur" in Toruń - wie die Medienhochschule von Tadeusz Rydzyk korrekt heißt - ist seine Kaderschmiede. Im August 2001 eröffnet, bildet sie jedes Jahr 130 Journalisten, Politologen und Informatiker aus - so heißt es auf der offiziellen Website der Schule. Was aber genau vermittelt wird, ist erst im Dezember 2005 öffentlich geworden - durch einen Aussteiger, der in der polnischen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" über seine Erfahrungen berichtete.

Unter dem Titel "Ich war ein Schüler des Paters Direktor" beschreibt Wojciech Bojanowski, wie in den Vorlesungen ein Mythos der wenigen Aufrechten im Feindesland vermittelt wird. Sie, die Studenten, müssten deshalb die Augen immer offen halten, zwischen den Zeilen lesen und wachsam bleiben. Den Feinden dürfe man kein Interview geben - und damit sie wissen, wer dazu gehört, gibt es ein Archiv der negativen Berichterstattung. Bis ins kleinste Detail wird den Journalistik-Studenten vorgeschrieben, wie sie zu arbeiten haben. So schreibt der Autor wörtlich:

"Am Ende der Vorlesung lesen wir die Anweisungen zum Redigieren der Nachrichten: Formulierungen wie 'er meint', 'er denkt' oder 'seiner Ansicht nach' sind das Ergebnis postmoderner Trends, die die Wahrheit relativieren und oft in der Polnischen Presseagentur PAP zu finden sind. Es gibt aber nur eine Wahrheit, und diese ist unabhängig von Meinungen und Ansichten. Deshalb muss man Informationen ehrlich und redlich weitergeben, indem man schreibt 'er stellte fest' oder 'er sagte'."
"Wenn jemand von euch etwas veröffentlicht, was sich gegen uns richtet, dann werde ich ihn persönlich vors Gericht bringen und er wird der Schule und des Radios verwiesen", warnt Pater Waldemar:

"Ich werde über denjenigen in den Zeitungen schreiben und ihn zum zivilen Tod verurteilen. Man glaubt unserem Radio immer mehr, denn die Menschen erkennen mittlerweile die Wahrheit."

Im Sommer 2007 hat Tadeusz Rydzyk für den Ausbau seiner privaten Medienhochschule einen Antrag auf 15 Millionen Euro aus Fonds der Europäischen Union gestellt. Ein Beispiel übrigens für die Inkonsequenz des Redemptoristen-Paters, denn er hatte sich immer gegen einen Beitritt Polens zur Europäischen Union ausgesprochen und diese als einen Ort der atheistischen Globalisierung verdammt.

Die im August 2007 noch amtierende rechtskonservative Regierung unter Jarosław Kaczynski befürwortete das Projekt und setzte den Antrag auf ihre Prioritätenliste. Im Januar 2008, unter der neuen polnischen Regierung mit Donald Tusk an der Spitze, kam die Ablehnung: Das Projekt wurde aus der Regierungsliste der förderungswürdigen Bildungsprojekte gestrichen.

Unklar war damals - und ist es heute noch - woher Rydzyk die geschätzten 40 Millionen Euro für den bereits bestehenden Bau der Schule hatte, ganz abgesehen von den anderen Teilen seines Imperiums. Bettina-Dorothee Mecke, die an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt Oder über polnische Medien promoviert, hat lange versucht, das undurchsichtige Finanzsystem des Medienimperiums zu entflechten. Mit geringem Erfolg, denn es gibt keine veröffentlichten Zahlen darüber, sagt sie.

"In der Presse kursieren verschiedene Annahmen, darin wird zum Beispiel ein sehr ambivalenter Vertreter der lateinamerikanischen Polonia erwähnt: Jan Kubilanski, ein Millionär, der jetzt in Uruguay lebt, ein ehemaliger Vertrauter des paraguyanischen Diktators Alfredo Stroessner. Kubilanski tritt immer wieder in Erscheinung mit stark antisemitischen Äußerungen und es bestanden sehr rege Kontakte unter der Regierung Kaczynski zwischen Regierungsvertretern der zwei Koalitionsparteien - der Liga der Polnischen Familie und der Selbstverteidigung -, die häufig bei Kubilanski zu Gast waren."

Der Sender selbst gibt an, dass er allein dank der Witwengroschen seiner treuen Anhängerschaft existiert, doch das ist sehr unwahrscheinlich. Immerhin ist Radio Maryja als konfessionell gebundene Körperschaft von der Zahlung einer Sendekonzession befreit - ein großes Vorrecht. Der Jahresumsatz des Imperiums wird auf mehrere Millionen Złoty geschätzt.

Gebete, Meditationen und Übertragungen von Messen decken 30 Prozent des Programms ab. Der Rest sind die mehrmals täglich ausgestrahlte Sendung "In der Familie von Radio Maryja" mit Veranstaltungs- und Spendenhinweisen, Hörergespräche und Beiträge von Studiogästen, die sich mit der Tagespolitik und aktuellen gesellschaftlichen Fragen beschäftigen.

Die Schätzungen über die Zahl der Hörer schwanken zwischen einer und fünf Millionen. Die jüngste Untersuchung von Januar 2008 beispielsweise ergab, dass knapp vier Prozent der Radiohörer im Alter zwischen 15 und 75 Jahren täglich mindestens einmal Radio Maryja einschalten - das macht knapp 1,5 Millionen Hörer. Dabei variieren die Prozentwerte je nach Region: Während sie in Orten wie Jędrzejów durchaus zweistellig sind, betragen sie in Großstädten wie Krakau oder Warschau weniger als ein Prozent.

Bettina-Dorothee Mecke: "Es ist auch sehr unterschiedlich, was die Wahrnehmung von Radio Maryja angeht. Immer in Zeiten von Skandalen, die mit sehr genauer Regelmäßigkeit, alle halbe Jahr, wieder eintreten, schnellt das natürlich nach oben. Es gibt zum Beispiel Untersuchungen über die meinungsbildenden Medien in Polen, das heißt also, welche Medien werden als Referenz benutzt, worauf beruft man sich.

Und da war Januar bis Juli 2007, da lag Radio Maryja an dritter Stelle der meinungsbildenden Medien, also Radiostationen in Polen. Aber zum Beispiel für November 2007 taucht Radio Maryja gar nicht auf. Da war man mit was anderem beschäftigt, mit den Wahlen und den Nachwehen der Wahlen - also das changiert sehr stark."

Die Mission, der sich Radio Maryja und seine Familie verschrieben haben, sind Polen und der Kampf um die "richtige" nationale Identität. Als sich am 11. November 2007 Polens Erlangung der Souveränität zum 89. Mal jährte, spielte der Sender ein patriotisches Lied, in dem von Leid, Blut und Tränen die Rede ist, und dass man den Kampf dennoch fortsetze.

Tadeusz Rydzyk versteht sich als Pole und Patriot. Die Reihenfolge, in der er denkt und handelt, ist: Gott, Kirche, Vaterland. In seinen Reflexionen, die täglich auf Radio Maryja zu hören sind, betont er das immer wieder gern - in gedämpfter Tonlage, dicht am Mikrofon, suggestiv und offenbar ohne Manuskript:

"Dies ist das einzige katholische Radio in Polen, das ausschließlich durch polnisches Kapital finanziert wird. Es trägt sich nur durch Spenden der Hörer. Vielleicht bist auch du ein Hörer von uns und sagst weiter, dass dieses Radio die Wahrheit verkündet, indem es das Evangelium vermittelt. Das sind Worte der Wahrheit, die die Menschen aufrichten, ihnen Hoffnung geben.

Durch dieses Radio ist ein Dialog aller Polen möglich, im In- und Ausland - sie alle suchen nach der Wahrheit. Du musst dich der ganzen Propaganda entgegenstellen - dieser Propaganda des Satans. Warum spreche ich von Satan? Weil so viel lügnerische Boshaftigkeit nur vom Satan kommen kann. Boshaftigkeit und Lügen sind des Satans."

Worin besteht die Wahrheit, die Tadeusz Rydzyk verkündet? Welche Art von Glauben propagiert er? In dem 2002 erschienenen Buch, in dem sich der "Pater Direktor" von seinem engen Mitarbeiter Stanisław Krajski interviewen lässt, wird er nicht müde, den seiner Ansicht nach einzig wahren Glauben zu propagieren:

"Man muss die ganze Lehre Christi verkünden. Christus sagt uns, wer die Unwahrheit sagt, kommt in die Hölle. Also dürfen wir auch nichts darin verändern. Deshalb wundere ich mich über Katholiken, die erklären: 'Ich bin Katholik, aber …' Dieser Grundsatz formt die sogenannte offene Kirche, um damit die Kirche als Ganzes abzuschaffen. Jesus Christus hat mal gesagt: 'Ihr dürft nicht einen einzigen Buchstaben, nicht einen einzigen Strich im Testament verändern, bis sich alles erfüllt.' Man darf deshalb nichts verändern. Man darf sich nicht an die Welt anpassen. Die Anpassung an die Welt ist Kollaboration mit dem Bösen."

Für Tadeusz Rydzyk ist diese Welt ein Ort, in dem die Macht der Dunkelheit herrscht. Deshalb ist er stolz darauf, dass diese Welt ihn mehrheitlich kritisiert und verurteilt. Nicht die Mehrheit gibt die Norm vor, erklärt er in seinem Buch, sondern die Wahrheit - das Evangelium:

"Im Evangelium gibt es das Wort 'Toleranz' nicht. Es gab welche, die versucht haben, im Evangelium das Wort 'Liebe' durch das Wort 'Toleranz' zu ersetzen. Aber Christus lehrt uns die Liebe. Wenn ich liebe, dann gebe ich das, was am wertvollsten ist. Dieser wertvolle Schatz ist die Liebe zu Gott, die Liebe zu Christus, zur Heiligen Dreifaltigkeit und zur Heiligen Maria, der Mutter Gottes."

Deshalb müsse man die Feinde des polnischen Katholizismus - von Juden über Freimaurer bis hin zu Homosexuellen - so behandeln, als wären sie Kinder, um die man sich sorgt. Und man müsse den Menschen aufzeigen, was passiert, wenn sie sich von der gegnerischen Seite agitieren lassen.

Eine Sendung, die nach den letzten Wahlen im November 2007 in Radio Maryja ausgestrahlt wurde, ist ein typisches Beispiel dafür, wie bei den Hörern entsprechende Ängste geschürt werden. Der polnische Priester und Theologie-Professor Czesław Bartnik ist Verfasser des folgenden Beitrags. Sein Thema: die Bedrohung, der Polen ausgesetzt ist, seit der Vorsitzende der liberal-konservativen Partei "Bürgerplattform", Donald Tusk, Premierminister ist.

Czesław Bartnik: "Wir haben Angst, dass die 'Bürgerplattform' Polen in politischer, geistiger und kultureller Hinsicht in die mütterliche Obhut von Frau Merkel abgibt. Wir befürchten, dass wir nach den Zeiten des Kommunismus erneut den Geist des freien Polen verlieren, den Geist der Nation, des Patriotismus, der Geschichte und Kultur. Wir haben Angst, dass sich die Tore öffnen für Abtreibungen, für Euthanasie und Homo-Ehen, dass die Institution der Ehe und Familie und alle höheren Werte abgelehnt werden."

Wiesław Sułek, der Leiter des Büros von Radio Maryja in Jędrzejów, teilt diese Ängste. Deshalb hat er im Oktober 2007 die Partei der beiden Brüder Kaczynski "Recht und Gerechtigkeit" gewählt, auch, weil Radio Maryja dafür geworben hat. Beide stünden für die Verteidigung der christlichen Werte, so der 70jährige, und nennt als Beispiel die Bekämpfung der Homosexualität.

"Ich bin entschiedener Feind von Homosexuellen. Das sind Menschen, denen man helfen muss, sie sind genetisch krank. Man muss sie heilen und ihnen nicht auch noch Rechte einräumen. Also, ich unterstütze die Schwulen überhaupt nicht."

Auch Bruder Bernard, der geistliche Betreuer des Büros von Radio Maryja in Jędrzejów, lehnt jede Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften ab:

"Unsere christliche Moral, die direkt auf die Bibel zurückzuführen ist, ist in dem Punkt sehr klar. Wir dürfen natürlich niemanden verdammen, aber über die Bewertung von Homosexualität darf es keine Zweifel geben: Es darf nicht sein. Das lesen wir auch in der Heiligen Schrift. Es genügt, die Briefe des Heiligen Paulus zu lesen, wie er dazu steht. "

Eine Messe in der Pfarrkirche, aber keine gewöhnliche. Sie wird jeden ersten Dienstag im Monat gehalten, auf Initiative des Büros von Radio Maryja in Jędrzejów. Aber auch die anderen Büros, die in ganz Polen verteilt sind, lassen einmal im Monat eine Messe für Radio Maryja halten.

Pfarrer: "Ich bete für unser Vaterland, damit Gott es segnet. Ich bete für Radio Maryja und den TV-Sender Trwam, für Pater Tadeusz Rydzyk, den Direktor von Radio Maryja, und für seine Mitarbeiter - sowohl die Geistlichen als auch die Laien in Toruń - und für alle Mitglieder des Büros von Radio Maryja in unserer Gemeinde."

Für Wiesław Sułek ist es die letzte Messe, die er als Leiter des Büros von Radio Maryja initiiert hat. Er muss aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Das fällt ihm nach elf Jahren nicht leicht. Doch er hat einen würdigen Ersatz gefunden, seine bisherige Stellvertreterin Anna Wronka, eine emeritierte Psychologin.

Anna Wronka: "Nein, ich werde nichts verändern. Ich habe schon am Anfang erklärt, dass ich das weiterführen werde, was mein Vorgänger eingeführt hat, weil ich finde, dass das, was er hier getan hat, gut war."

Das Imperium des Tadeusz Rydzyk wird also fortbestehen, denn an Nachfolgern ist in Polen kein Mangel, weder unter den Geistlichen noch unter den Gläubigen. Das einzige, was Radio Maryja stoppen könnte, wäre eine entsprechende Order aus Rom. Denn der Papst hat die Weisungsbefugnis für den Sender. Doch weder Johannes Paul II. noch Benedikt XVI. haben sich bis heute dazu durchringen können.