Ein Schwerter- und Muskel-Spektakel

Von Hans-Ulrich Pönack · 04.04.2007
Mit einem Dauer-Gemetzel zwischen Persern und Spartanern strapaziert der Action-Film "300" die Nerven. In "Freedom Writers" regt eine von Hilary Swank gespielte Lehrerin ihre aggressiven Schüler zum Schreiben eines Tagebuchs an. In "Klang der Stille" geht es um die schicksalhafte Begegnung zwischen Ludwig van Beethoven und einer Konservatoriumsstudentin.
"300"
USA 2007, Regie: Zack Snyder, Hauptdarsteller: Gerard Butler, Lena Headey, ab 16 Jahren

"300" von Zack Snyder (Co-BundR), einem jungen Regie-Spund aus Hollywood, der vorher in der Werbung und im Musik-Video-Bereich tätig war und dessen Debütfilm 2004 das Remake des George A. Romero-Zombie-Klassikers "Dawn Of The Dead" war (auch: "Die Nacht der Zombies").

Sein zweiter Kinofilm basiert auf einem fünfbändigen Comic von Frank Miller ("Sin City") aus dem Jahr 1998 und lehnt sich lose an eine antike Schlacht anno 480 v. Chr. an: Sparta (= Griechen) gegen Persien – 300 Spartaner also gegen eine riesige Übermacht von Persern. Ergebnis: Ein Dauer-Gemetzel, eine Gewalt-, Blut-, Kriegs-Orgie, zu denen die Beats kräftig dröhnen, röhren. Ein Schwerter- und Muskel-Spektakel. Halbnackte geölte Muskelmänner lassen sich brüllend-genüsslich massakrieren, zeitlupenverstärkt, effektvoll-getrickst, ästhetisch-visualisiert, eine Bilderbuch-Choreographie des Terrors: Körper- und Gliedmaßen werden abgehackt, Feinde aufgespießt, das Blut spritzt ununterbrochen, Leichenberge zuhauf, ein Ballett der permanenten Aggression ("...irgendwo zwischen Kriegsdrama, Ballett und Schwulenporno", schreibt "DER SPIEGEL" in dieser Woche). Motto: Töten im Namen der Freiheit!??! In Ehren zu sterben, ist durchaus erstrebenswert. Der Mensch als willfähriges, mutiertes Kampf-Monster.

Fazit: "300" ist ein Ekel erregendes Gewalt-Spektakel, erzählt fragwürdig-lustvoll und immerfort vom "gerechten Krieg", spielt thematisch mit "guten und bösen Rassen", handelt von "lebensunwertem Leben", prahlt mit Muskeldominanz und Körperkult. Ist ein übler, faschistoid-naher Propagandafilm: für Krieg, mit lärmenden Durchhalteparolen, sich dabei "entschuldigend" wie naiv als Comic-Verfilmung erklärend, sieht sich an wie der Nazi-Durchhaltefilm "Kolberg" (von 1943, 45), wo sich Kolberger Bürger mit viel Pathos und "Vaterlandsliebe" einer Übermacht von Napoleons Truppen entgegenstemmen.

Naiv, schmutzig, widerlich, gefährlich in Show und Ideologie. Und: Gerne-genüsslich "die im Osten" als d i e Bösewichter malend und interpretationsmöglich auf den "gerechten Irak-Krieg" zielend. Parallelen zur aktuellen Debatte über den Konflikt zwischen dem christlichen Westen und dem muslimischem Orient liegen jedenfalls auf der kontroversen Hand: George W. Bush wird diesen Film sicherlich nicht ungern betrachtet haben.

"Freedom Writers"
USA 2007. Regie: Richard LaGravenese, Hauptdarstellerin: Hilary Swank, ab 12 Jahre

Der von Richard LaGravanese (Buch und Regie), der zu den versiertesten Drehbuch-Autoren von Hollywood zählt ("König der Fischer", "Die Brücken am Fluss", "Der Pferdeflüsterer"), dessen Regie-Debüt 1998 die ungewöhnliche Beziehungskomödie "Wachgeküßt" (mit Holly Hunter, Danny DeVito und Queen Latifah) war.

Sein neuer Film basiert auf wahren Ereignissen aus dem Jahr 1994 an einer Schule im kalifornischen Long Beach, zwei Jahre nach den schlimmsten Rassen-, Bandenunruhen, die Los Angeles je erlebt hat. Hier leben Asiaten, Latinos, Schwarze und Weiße in einem ständigen Straßenkrieg, der auch vor Klassenzimmern nicht halt macht. Und hierhin, an die Wilson High School, verschlägt es die junge, etwas naive, aber voller Tatendrang steckende Lehrerin Erin Gruwell. Sie ist an ihren lernunwilligen, verstörten, aggressiven Schülern - im Gegensatz zum resignierenden Kollegenkeis - interessiert. Bemüht sich, an sie "heranzukommen". Ist engagiert und gibt nicht auf.

Die Wende bringt schließlich eine rassistische Zeichnung, die in der Klasse die Runde macht. Der Holocaust, "Das Tagebuch der Anne Frank" sowie couragiertes, ungebrochenes Einfühlungsvermögen lassen eine geniale Idee erblühen: Die Schüler sollen ihre Gedanken in einem Tagebuch niederschreiben. So entsteht die Vorlage für den Film, das Buch "The Freedom Writers Diary", das über die USA hinaus Schlagzeilen machte und viel Beachtung fand.

Fazit: Ein beeindruckender Film: Schreiben als "Befreiung", Bildung, Identitätsfindung. Zwar "auf Kino" verkürzt und deshalb an manchen Erzählstellen sicherlich nicht optimal nachvollziehbar (= die Wandlung der Schüler geht etwas zu schnell vonstatten), aber als spannendes Sozialdrama immer anregend sowie emotional nahe gehend. Die wirklich gute Absicht erstickt hier jeden möglichen dramaturgischen Einwand: Ein Klasse-Film. Mit einem Prima-Ensemble sowie der zweifachen "Oscar"-Preisträgerin Hillary Swank ("Million Dollar Baby", "Boys Don´t Cry") als überzeugende Führungsperson.

Übrigens zur Authentizität: Drehbuch-Autorr und Regisseur LaGravanese wurde auf diese wahre Geschichte durch einen TV-Beitrag aufmerksam. Dank ihrer unkonventionellen Lehrmethoden hatten es viele Schüler von Erin Gruwell auf die Universität geschafft. Gemeinsam mit ihrer ehemaligen Klassenlehrerin gründeten sie eine Stiftung und veröffentlichten eben jenes Buch über ihre Erlebnisse. Was nun wunderbare Folgen und großen Widerhall auch auf der Leinwand findet.

"Klang der Stille"
USA/Deutschland 2006, Regie: Agnieszka Holland, Hauptdarsteller: Ed Harris, Diana Kruger, ab sechs Jahren

"Klang der Stille" von Agnieszka Holland, einer polnischen Filmemacherin, die seit vielen Jahren in Europa, aber auch in den USA arbeitet und durch Filme wie "Der geheime Garten", "Hitlerjunge Salomon", "Priestermord" und "Bittere Ernte" bekannt wurde. In dieser - mit deutschem Fonds-Geld ausgestatteten - Co-Produktion USA / Deutschland aus dem Vorjahr geht es um die schicksalhafte Begegnung zwischen dem tauben Genie Ludwig van Beethoven mit der jungen, aufstrebenden, neugierigen Konservatoriumsstudentin und Kopistin Anna Holtz anno 1824 in Wien.

Fazit: Dabei kommt der ebenso behäbige wie mittelmäßig angehauchte Film (Originaltitel: "Copying Beethoven") sowohl als Künstler-Biographie wie auch als Geschlechter-Drama ziemlich "hangelnd" daher. Zeithistorische Anekdoten werden mit einigem gesellschaftlichen "Lokalkolorit" aneinandergereiht. "Titanendämmerung" mit "Frollein-Bewunderung". Belanglosigkeit verstrebt mit emotionalen Hochmomenten, etwa wenn der Meister - unter ihrer dirigentischen Mithilfe - seine 9. Symphonie ins öffentliche Leben stellt und Begeisterung verursacht.

Ein erregender emotionaler Dampf, der unter die Haut geht, aber film-insgesamt ziemlich alleine dasteht. Der immer sehenswerte Ed Harris ("Apollo 13", "Die Truman-Show", "Oscar"-Nominierung für Regie-Debüt und Hauptdarsteller in "Pollock", 2000) bemüht sich, chargiert (deutsche Stimme: Thomas Fritsch) unter struppiger Haar-Maske, um das "asoziale Genie" sympathisch herauszutönen, während Diane Kruger ("Merry Christmas", "Troja") einmal mehr über die freundliche Begleitperson nicht herauskommt. Fazit: Kein großer Nachhall bei diesem eher noch für das geduldige Wohnzimmer-Kino geeigneten Film vorhanden.
Mehr zum Thema