"Ein Schritt zu weit"

Matthias Drobinski im Gespräch mit Christine Watty · 11.10.2013
Was die Leute in Limburg empört, sei nicht so sehr, dass da so viel Geld ausgegeben wurde, sondern dass man merkt: Es wurde nicht für Gott ausgegeben, meint der Journalist Matthias Drobinski. Es sei ganz eindeutig so, dass sich da jemand selber verwirklichen will.
Christine Watty: Immer mehr rutscht der Limburger Bischof Tebartz-van Elst in die fiese, dunkle Ecke der Boulevardberichterstattung. Zu ihm gehören jetzt Worte wie "Kostenexplosion", "Strafbefehl", "anzeigen", "Untreue". Die Medien kolportieren den Preis seiner Badewanne, die er sich in den Amtssitz, der mit seinen 31 Millionen Euro viel zu teuer erscheint, ... und wahrscheinlich werden wir noch mehr unangenehme Details erfahren.

Dass Tebartz-van Elst zuvor auch schon kritisiert wurde wegen seiner konservativen Haltung, das geriet schon fast aus dem Blickwinkel. Jetzt ist er der, der für eine verschwendungssüchtige katholische Kirche steht und im krassen Gegensatz zum neuen Papst Franziskus agiert, der nicht mal in die Gemächer des Apostolischen Palastes einzieht, sondern ganz bescheiden im Gästehaus bleibt.

Was gehört denn jetzt zur katholischen Kirche? Wir haben hier die Prunksucht, dort die Bescheidenheit, und beides hat sich über Jahrhunderte entwickelt.

Zum Thema begrüßen wir den Journalisten und Kirchenexperten Matthias Drobinski. Schönen guten Morgen!

Matthias Drobinski: Hallo, guten Morgen!

Watty: Lassen wir mal diese konkreten Zahlen außen vor, die Badewanne und den Reliquienkeller und was Tebartz-van Elst noch alles hat bauen lassen, sondern schauen auf das Grundsätzliche: Man macht ihm jetzt eben große Vorwürfe aufgrund seiner Verschwendung von Geld. Aber ist nicht die Verschwendung von Geld für Kunst und Architektur geradezu der Markenkern der katholischen Kirche im Laufe der Jahrhunderte?

Drobinski: Ja, ich habe mir bei aller Kritik auch schon ironisch überlegt: Was ist denn wohl in 40 Jahren oder 50? Werden wir dann durch dieses Bischofshaus geführt und die Leute sagen, guckt mal hier, Donnerwetter, da hat noch einer solide gebaut?

Watty: Ja, genau.

"Verschwendung als Spiegelbild Gottes"
Drobinski: Ja. Tatsächlich ist es ja so, dass eigentlich von den ersten Steinzeitmenschen, kann man sagen, Religion natürlich immer was Unökonomisches, was Verschwenderisches hat, das heißt, statt auf die Jagd zu gehen, ritzen die auf einmal Bilder in ihre Höhlenwand. Und letztlich hat sich das durchgezogen bis in den Barock, also die Verschwendung als Spiegelbild der verschwenderischen Herrlichkeit Gottes.

Das ist natürlich etwas, was sich durchs ganze Mittelalter, aber auch durch die frühe Neuzeit immer wieder gezogen hat. Und dagegen aber natürlich kann man sich immer wundern, steht natürlich das Armutsgebot Jesu, also dem war Geld völlig wurscht, kann man so sagen. Auch seinen ersten Jüngern, die erwarteten letztlich die Wiederkunft des Herrn, sagen wir mal, wenn nicht übermorgen, dann doch nächstes Jahr.

Also das heißt, die gingen davon aus zu Lebzeiten: Irgendwie kommt das Himmelreich, dieses ganze Brimborium mit Geld und Macht, das ist uns wurscht, das geht uns eigentlich nichts mehr an. Und dieser Widerspruch zieht sich tatsächlich durch die ganze Kirchengeschichte.

Watty: Die ganze Zeit durch? Also gibt es Phasen, in denen Armut oder in denen Reichtum überwogen hat oder bleibt dieser Widerspruch quasi bis heute bestehen und wir führen gerade ein Gespräch, das wir so auch im Mittelalter hätten führen können miteinander?

Drobinski: Ja, im Mittelalter wäre sicher das Pathos ein bisschen anders gewesen und die ganze Situation, aber im Prinzip gab es das ja auch. Also es gab ja auch die Kirche, die ihre tollen Klöster, ihre gotischen Dome und alles mögliche über Jahrhunderte baute und dort alles verbaute, was sie nur so an Geld hatte.

Auf der anderen Seite gab es dann die Armutsbewegung, gab es die Franziskaner, gab es Leute, die - sich selber geißelnd - durch die Gegend zogen. Es war also auch eine blutige Angelegenheit. Das kann man sozusagen mit dem, was wir heute unter Armut verstehen, auch nicht immer vergleichen. Aber letztlich gibt es dieses Spannungsverhältnis in der Kirche, seitdem sie reich wurde, seitdem sie eigentlich eine gesellschaftliche Institution wurde, dass immer wieder Leute spürten: Das, was wir da strukturell sind, das ist vielleicht nicht ganz das, was der Auftrag unseres Gründers ist.

Also dieser Widerspruch, der zieht sich durch, letztlich: Franziskus und Tebartz-van Elst tragen, wenn man so will, das aus, was im Mittelalter Papst Innozenz IV. und Franziskus ausgetragen haben. Das ist ja ganz interessant: Franziskus hat sich damals leider ein bisschen einkaufen lassen und hat dann seine franziskanische Bewegung in den Dienst der Kirche gestellt. Und heute könnte es vielleicht mal andersherum ausgehen, dass der Franziskus den Tebartz stoppt.

Watty: Ist denn diese Verschwendungssucht - um noch mal kurz, bevor wir auf das aktuelle battle quasi schauen, ... -, ist denn diese Verschwendungssucht, das Glitzernde, das Prunkhafte nicht auch immer schon ein Zeichen von Spiritualität gewesen, also nicht nur einfach da, damit die Menschen sich schöne Paläste, schöne Kirchen bauen, sondern um auch auszudrücken: Deswegen sind wir spirituell, wir können quasi vergeistigt in unseren Reichtümern schweben geradezu?

Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst zelebriert einen Gottesdienst
Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst zelebriert einen Gottesdienst© picture alliance / dpa / Fredrik Von Erichsen
"Irgendwie setzt sich da einer nicht an die Stelle des Glaubens"
Drobinski: Ja, ist, glaube ich, ein Gedanke, der uns fremd geworden ist, aber der im Mittelalter eine große Rolle spielte sozusagen: In der Herrlichkeit des Kunstgegenstandes, einer tollen Kirche oder des tollen goldgetriebenen Kelches spiegelt sich die Vorahnung Gottes wider, also die Herrlichkeit Gottes und das Paradies.

Also sozusagen: Man kann sich durch Prunk ein Teil des Paradieses auf Erden schon mal verwirklichen oder ahnen. Also das ist natürlich ein Gedanke, der ist uns heute ziemlich fremd. Ich denke, was die Leute in Limburg empört, ist nicht so sehr, dass da so viel Geld ausgegeben wurde, sondern dass man merkt: Es wurde eben nicht für Gott ausgegeben, also sozusagen: Es war nicht "für unseren Herrgott nur das Beste", sondern es war irgendwie "ich möchte mich selber verwirklichen". Also das heißt, da hat einer sich quasi an die Stelle dieser Verehrung gesetzt. Und das ist, glaube ich, das, was den Leuten auch echt sauer aufstößt, also gar nicht so sehr die Frage, muss eine Kirche solide oder vielleicht auch mal kunstvoll bauen, sondern irgendwie setzt sich da einer nicht an die Stelle des Glaubens.

Watty: Aber wenn man auf diese Bauten schaut, um noch diesen kurzen Exkurs zu machen zu Tebartz-van Elst, dann wiederum sind die ja gar nicht mal besonders prunkvoll, sondern auf so eine ganz seltsame Art und Weise, ich würde fast das Wort stylish oder modern verwenden und zurückgenommen. Also er klebt keine goldenen Glöckchen an die Tür oder so was, sondern er tut ja nach außen trotzdem zurückhaltend.

Drobinski: Ja. Ein Kollege von mir hat das schöne Wort von der Manufaktum-Herrlichkeit geprägt, sozusagen: Es ist alles handgedengelt und handgebaut, also es ist jetzt in diesem Sinne ... Da stehen keine goldenen Butten rum, sondern es ist im Innern zum Teil auch sehr geschmackvoll. Und man kann das ja auch machen, also man kann ja auch sagen, okay, wir wollen so bauen, wir entscheiden das - dann muss man es aber auch transparent machen, also dann darf man nicht quasi das Bistum belügen und darf sagen, nein, nein, das kriegen wir mit fünf Millionen hin, wenn man aber im Prinzip einen Bau baut, wo jeder Architekt sagt, irgendwie: Mit fünf Millionen kriegt ihr das angestrichen, aber mehr halt auch nicht. Und wenn man dann glaubt, noch irgendwie Wohnungen in den Boden fräsen zu müssen, dann wird es halt teuer.

Also tatsächlich ist es so, dass eine Kirche vielleicht auch tatsächlich gediegen bauen soll oder darf, also wo ist die Grenze? Und das ist das, was die Leute, glaube ich, da spüren: Diese Manufaktum-Herrlichkeit, die ist so ein Schritt zu weit.

Watty: Wieso wurde denn dieser Widerspruch, von dem Sie jetzt auch sagen, dass der zwischen Franziskus und Tebertz-van Elst wieder im Raume steht, wieso wurde der eigentlich über die Jahrhunderte nie aufgelöst? Also wieso hat die Franziskus-Mentalität nicht gesiegt, sondern tatsächlich der Prunk und der Pomp, von dem wir natürlich auch zehren?

Drobinski: Ja, vielleicht, weil die Leute so sind, die so sind und lieber reich als arm sind.

Watty: Das ist eine einfache, kurze Antwort tatsächlich. Aber könnten Sie sich eine Zukunft ausmalen, in der die Kirche wirklich eine arme Kirche sein wird? Denn, ja, man ist lieber reich als arm - und wir müssen auch konstatieren: Jahrhunderte voller Bautenkunst und Kultur hat uns diese Prunksucht der Kirche hinterlassen.

Drobinski: Ich glaube tatsächlich, dass sich was ändert, also dass die Frage, wozu ist eine Kirche in dieser Gesellschaft gut oder wie kann sie, ja, letztlich zukunftsfähig werden, also wie kann sie mehr sein als ein Museum, wo wir diese schönen Schätze bewundern.

Da kann man nur sagen, dann ist es tatsächlich vielleicht, dass sie in diese Gesellschaft oder in dieses Hypertrophe, in dieses Überfressene, diesen überfressenen Reichtum, den wir ja alle leben oder deren Teil wir auch sind, also Sie und ich genauso natürlich mit unseren bürgerlichen Gehältern. Was kann die da reinbringen? Also welche andere Wirklichkeit kann sie da reinbringen? Und kann sie sagen: Leute, das ist nicht alles?

Ich glaube, dass diese Frage natürlich heute ganz anders gestellt wird und werden muss als im Mittelalter oder als, sagen wir mal, Anfang des Jahrhunderts, wo man noch probierte, Baustile zu imitieren, also letztlich zu sagen, wir machen das noch mal. Alles dies erscheint uns heute auch obszön, vielleicht auch, weil wir natürlich selber unser schlechtes Gewissen spüren.

Also vielleicht spiegeln sozusagen wir in unserem Leben uns in dieser Kirche auch und verlangen dann manchmal von ihr Dinge, die wir für uns selber gar nicht uns zugestehen würden. Also die sollen arm leben, aber wir hoffen natürlich auf eine Gehaltserhöhung. Aber vielleicht muss die Kirche tatsächlich, wenn sie zukunftsfähig sein will, stellvertretend da für etwas stehen. Und da ändert sich was, das glaube ich schon, ja.

Watty: Sagt der Journalist Matthias Drobinski im Deutschlandradio Kultur im "Radiofeuilleton". Wenn sich da was ändern muss, muss sich ja wirklich wahnsinnig viel ändern, allein schon, wenn man die Kirchenschätze betrachtet, und man sagt ja, die katholische Kirche kann noch nicht mal von heute auf morgen so einfach sagen, wie reich sie eigentlich ist, und Tebartz-van Elst ist ja nicht der einzige, der versucht, sich ein reiches und angenehmes Leben zu gestalten als Kirchenmitglied sozusagen.

Ist es denn überhaupt realistisch, diese arme Kirche zu schaffen und zu erreichen, dass überhaupt erst mal aufgedeckt wird, wie reich sie im Moment ist?

"Wo ist da die Transparenz?"
Drobinski: Das wäre vielleicht mal ein erster Schritt, dass die Kirchen auch mal in ihre Keller gehen, jetzt im übertragenen Sinne, und mal gucken, was sie haben. Also Limburg ist ja tatsächlich ein gutes Beispiel davon, wie schwer es der Kirche auch fällt, überhaupt mal zu sagen oder auch offenzulegen natürlich, welches Geld sie hat.

Es gibt einen Bistumshaushalt, der ist da nicht sehr hoch, das sind glaube ich 200 Millionen, das ist eine völlig seriöse Angelegenheit, davon werden Menschen bezahlt, ich glaube, 70, 80 Prozent davon gehen immer in den Personalhaushalt. Es ist also das, was eine große Institution wie die katholische Kirche, wenn sie ihre Menschen anständig bezahlen will, wenn sie seriös wirtschaften will, einfach macht. Also das ist der eine Teil. Und dann gibt es auf einmal diesen Bischöflichen Stuhl, der 1827 vom Fürsten Wilhelm I. eingerichtet wurde und seitdem sich irgendwie still und heimlich vermehrt hat, von dem aber auch kein Mensch weiß, was da drin ist, das nicht offengelegt wird und aus dem der Bischof offenbar diese 31 Millionen zum größten Teil zahlen kann.

Also man kann ja sagen, das einzig Gute daran ist irgendwie: Weder der Steuerzahler noch der Kirchensteuerzahler wird da groß belastet, zweieinhalb Millionen kommen aus diesem Bistumshaushalt. Aber man kann andersherum fragen: Wie kann es sein, dass die Kirche sozusagen diesen Etat des Bischöflichen Stuhls hat, diesen Besitz, und eigentlich weiß kein Mensch außer vielleicht der Bischof selber und ein paar Eingeweihten, was da drin ist? Also wo ist da die Transparenz?

Watty: Das heißt, Papst Franziskus muss nicht nur an der Haltung seiner Schäfchen quasi schrauben im Moment, damit die Armut auch wirklich und diese Haltung dazu ankommt, sondern er muss auch wirklich versuchen, dort offenzulegen und diese Strukturen aufzudecken?

Drobinski: Ja, das ist ein Bewusstseinswandel. Also ich kenne eine Geschichte, dass auch die Generalvikare der katholischen Kirche sich mal trafen, und dann ging es um irgendeine Finanzierungsgeschichte, die weiß ich jetzt gar nicht mehr, aber letztlich ging es um die Frage: Wie viel habt ihr denn übrig? Und dann schauten die sich betreten an und wollten nicht ehrlich zueinander sein.

Also sozusagen, selbst die untereinander tricksen, also stehen dann da und wollen das Portemonnaie nicht aufmachen, weil jeder natürlich weiß, es gibt reiche und arme Bistümer, also die Kirche ist ja nicht durchgehend reich, sondern, sagen wir mal, hier, mal ein gutes Erzbistum, München-Freising, die haben wahrscheinlich einen soliden Grundstock an Besitz, das Bistum Magdeburg oder so was, die haben das halt nicht. In meinem Buch ... Also ich kenne hier natürlich die Münchner Pfarreien, da weiß ich, da gibt es eine Pfarrei, die verkauft, wenn sie mal ein Jugendheim bauen will, mal schnell ein Grundstück, dann kann sie das hinstellen. Es gibt aber andere Pfarreien, ich habe eine in Kreuzberg dann auch darin als Beispiel, die hat das halt alles nicht, sondern die lebt von dem Bisschen, was ihm die evangelische Kirche Berlin-Brandenburg halt überweist und macht damit ein Obdachlosencafé, da kann man kostenlos ins Internet gehen.

In diesem Kiez sind die sozusagen in diesem Kiez ein Teil der bürgerlichen Gesellschaft und halten zum Teil Dinge hoch, die es anderswo nicht mehr gibt. Also das heißt, auch das ist Kirche. Also in diesem Sinne ist dieser Widerspruch da. Aber da fehlt es an Ehrlichkeit, an Transparenz und letztlich auch an der Frage: Wie gehen wir mit dem Geld um? Ich meine, dass die das jetzt nicht irgendwie, bildlich gesprochen, in die Lahn werfen und sagen, wir wollen arm sein, das kann man ja verstehen. Aber die Frage andersherum - es gibt im Evangelium den schönen Satz, im Lukasevangelium: "Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon", ich glaube, da steckt was drin, also sozusagen: Ihr habt nun mal diesen ungerechten Mammon gekriegt, also es gibt nun auch Paläste, die man auch vielleicht nicht verlottern lassen soll, klar, es ist ja schwierig, diese Kirche lebt natürlich auch auf den Hinterlassenschaften ihrer Vor-Vor-Vorfahren, und da kann man sagen, okay - aber wie nutzt ihr das?

Also nutzt ihr das, um euch selbst zu bewahren, um euch selbst zu repräsentieren, also auch um selbstreferenziell und narzisstisch zu sein? Das ist das, was man in Limburg sieht. Oder nutzt ihr das, um Kirche für andere zu sein, um euer Geld einzusetzen, um andere Strukturen zu schaffen, um eine besondere Form von Arbeitsplätzen zu schaffen, um Dinge zu schaffen, die es sonst in einer Gesellschaft nicht gibt? Und da, finde ich, gibt es auch ein großes Defizit.

Watty: Danke schön! Das war eine letzte Antwort und zugleich ein großer Apell mit vielen Fragen, die aufgeworfen werden müssen. Danke an den Journalisten Matthias Drobinski, sein Buch "Kirche, Macht und Geld" erscheint Ende November.

Ich bedanke mich für das Gespräch, schönen Tag!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Papst Franziskus
Papst Franziskus© dpa / picture alliance / Antonio Lacerda
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