Ein Schlager als Politikum

Von Thomas Migge · 17.02.2009
Italiens wichtigstes Schlagerfestival in San Remo sorgt im Fernsehen für hohe Einschaltquoten. Dort soll nun auch ein Lied zur Aufführung kommen, in dem ein junger Homosexueller nach einer Liebesnacht mit einer Frau zum Heterosexuellen wird. Aktivisten zufolge untermauert der Song die im Land grassierende Homophobie.
Schon wird der Song auf den Arm genommen und als Parodie präsentiert. Noch bevor er uraufgeführt wurde. "Luca era gay", Luca war schwul, so der Titel des umstrittenen Schlagers von Giuseppe Povia. Eine der Wortführer der Proteste gegen den Song ist Vladimir Luxuria, Italiens prominentester Transsexueller und ehemaliger Abgeordneter der Linksdemokraten:
"Die Message dieses Songs ist doch die, dass jemand seine sexuelle Ausrichtung von heute auf morgen verändern kann. Povia zufolge sind wir Schwulen krank. Wenn das so ist, nun dann müssten wir doch auch das Recht auf bestimmte Sozialleistungen erhalten."
Aurelio Mancuso, Präsident des größten italienischen Schwulenverbandes Arcigay, spricht im Fall von "Luca era gay" von einem weiteren Beweis für die, so seine Worte, immer schlimmer werdende Hexenjagd auf Schwule:
"Wir bekommen täglich Post von jungen Leuten, die in Italien aufgrund ihrer Sexualität soweit ausgegrenzt werden, dass sie an Selbstmord denken. Und dann kommt so ein Song daher! Bei uns werden Schwule zusammengeschlagen, diskriminiert. Es ist doch wohl ein schlechter Scherz, dass in diesem Song jemand erst schwul war und dann ‚geheilt’ wird."
Nun fordern Arcigay und alle Gegner des Schlagers, dass er unverzüglich aus dem Programm von San Remo genommen wird. Doch die Musikgewaltigen des wichtigsten italienischen Fernsehspektakels sehen dazu keinen Anlass. Sie wissen nur zu gut, dass Povias Song die Einschaltquoten noch zusätzlich erhöhen wird. Sie wollen nicht begreifen, dass "Luca era gay" jenen das Wort redet, und das sind Umfragen zufolge immer mehr, die Homosexualität als heilbare Krankheit bezeichnen. In immer mehr Städten machen seit einiger Zeit Neofaschisten Jagd auf Homosexuelle – und rechte Lokalpolitiker schweigen dazu. Eine Realität, die bei der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt RAI niemandem zu denken gibt. Der Song bleibt im Programm und damit basta.

Der Sänger Giovanni Povia kann die ganze Aufregung um sein Lied nicht nachvollziehen:
"Die Leute von den Schwulenverbänden wie Arcigay sehen doch in allem nur Terror und überhaupt: die repräsentieren doch gar nicht alle Schwulen. Ich kann doch mit einem Song nicht das kaputtmachen, was Arcigay an Positivem für Schwulen errungen hat."
Gegen den Song machen jetzt auch EU-Abgeordnete linker und sozialistischer Parteien sowie Intellektuelle vom Kaliber eines Dario Fo mobil. Sie fordern den Präsidenten der RAI auf, den ihrer Meinung nach "sexual-rassistischen Song" aus dem Programm zu streichen.

Die 59. Ausgabe des Festivals von San Remo dauert bis kommenden Samstag. Schwulenverbände, aufgebrachte Bürgervereinigungen, linke Politiker und Intellektuelle kündigten bereits an, dass sie an den Festivaltagen mit Aktionen für Unruhe sorgen werden. Italiens Innenminister Roberto Maroni, der der ausländerfeindlichen Partei Lega Nord angehört, die vor wenigen Jahren Schwule als "asoziale Schlappschwänze" bezeichnete, erklärte bereits, dass er die Störenfriede gegebenenfalls wegknüppeln lassen würde.