Ein Romfilm wie ein Werbespot

Von Thomas Migge · 20.04.2012
Nach London, Barcelona und Paris stattet Woody Allen nun mit "To Rome with Love" der ewigen Stadt einen filmischen Besuch ab. Um den Film wurde eine beispiellose Geheimniskrämerei betrieben: Die Darsteller wurden bei Strafe dazu verpflicht, keine Details preiszugeben.
Rom. Piazza Venezia und ein strahlend blauer Himmel dazu. Ein "Vigile", wie man die eleganten, ganz in weiß gekleideten und ebenso weiß behelmten Verkehrspolizisten nennt, lenkt gestenreich und wie ein Dirigent den Autoverkehr. Er weist den Zuschauer in den Film ein und erklärt, dass in Rom alles Geschichte ist.

Dann wird der Zuschauer in die Geschichte verschiedener Personen eingeführt, die sich allesamt in Rom aufhalten. Vier Episoden, die nicht oder nur lose miteinander verbunden sind. In einer dieser Episoden werden die Erlebnisse eines Ehepaares geschildert, das nach Rom gekommen ist, um die Familie des zukünftigen Schwiegersohnes kennenzulernen.

Alec Baldwin spielt in der zweiten Szene einen kalifornischen Architekten, der die Stadt in Erinnerung an eine Jugendreise durchstreift. In der dritten Episode spielt Italiens Starkomiker Roberto Benigni, unvergesslich in dem Film "Das Leben ist schön" von 1997, einen Mann, der mit einem berühmten Schauspieler verwechselt wird. In der letzten Szene verirrt sich ein frisch vermähltes Paar auf dem Weg zu den Verwandten im Trubel der ewigen Stadt. Woody Allen drehte mehrere Monate lang in Rom. Straßenzüge und Plätze wurden abgesperrt. Allen ließ sich von der römischen Society wie ein rohes Ei herumreichen, wurde vom Bürgermeister empfangen; man las ihm jeden Wunsch von den Augen ab. Er selbst zählt diese römischen Monate zu den schönsten seines Lebens:

"Ich kam immer nur als Tourist nach Rom, seit vielen Jahren. Ich liebe diese Stadt und kann mich hier wirklich verwirklichen."

Der New Yorker war von Rom derart angetan, dass er auch selbst wieder in eine Rolle schlüpfte. Als Film-Ehemann von Judy Davis spielt er einen leicht verwirrten Amerikaner. Für diese Episode suchte sich Allen den italienischen Tenor Fabio Armillato als Partner aus:

"Er kümmerte sich um jedes Detail. Zum Beispiel um meine Duschszene. Ich spiele einen Bestattungsunternehmer, der, wie um seine Seele nach dieser traurigen Arbeit zu erleichtern, lange duscht und dabei Opernarien singt. Alles musste wie zufällig wirken und war doch bis ins Kleinste von ihm vorbestimmt."

Das Resultat: ein Rombild, das verklärter nicht sein kann. Allen betet alle Klischees nach, die über Rom im Umlauf sind: schönes Wetter, faszinierende Straßen und Plätze, himmlische Barockfassaden, gut aussehende Menschen, Wohlstand, und wo Armut gezeigt wird, ist sie ungemein "amazing". Es scheint, als hätte Allen ständig eine rosarote Brille vor den Augen gehabt - oder genauer: einen rosa Filter vor seiner Kamera.
Dazu der römische Filmkritiker Aldo Grasso:

""Es ist leicht, Rom zu kritisieren, aber die Stadt, die erhebliche Probleme hat, nur schön darzustellen, das ist schon heftig und sehr unkritisch. Klar, dass jetzt der rechte Bürgermeister frohlockt und sagt: schaut her, so sieht man im Ausland unsere Stadt! Aber so oberflächlich darf man Rom nicht betrachten"."

Und so wirft die oppositionelle Linke Allen vor, unbewusst einen Werbespot für den Bürgermeister gedreht zu haben. Linke Intellektuelle wie der Literaturnobelpreisträger Dario Fo finden es, Zitat, "kurios", dass Allen so blauäugig auf eine Stadt schaut, die unter einem infernalischen Autoverkehr, gefährlicher Luftverschmutzung, immer mehr Kriminalität und großen sozialen Spannungen leidet - ganz zu schweigen von dem täglichen Mülldrama.

Nach all der Geheimniskrämerei um diesen neuen Film hatte man doch mehr erwartet. Oder versteckt der Meister eine tiefere Bedeutung so gut, dass der Zuschauer sie nicht mehr finden kann? Woody Allen sagt zu all dem nichts, sondern wiederholt immer nur: "I love Rome" - und man will es ihm gern glauben. Ein Romfilm wie ein Werbespot – die chronisch Italophilen, von denen es in Deutschland eine Menge gibt, dürfen sich freuen.
Mehr zum Thema