Ein Roman im Roman

29.11.2012
Ein deutscher Autor möchte, dass Bruce Willis eine Rolle in seinem neuen Roman übernimmt. Also schreibt er etliche Briefe an den US-Schauspieler, bekommt aber nie eine Antwort. Tilman Rammstedt hat mit dieser Geschichten einen literarischen Hybriden erschaffen - dem es leider an Spannung fehlt.
Der Berliner Schriftsteller Tilman Rammstedt gehört zu den erfreulichen Ausnahmen der jüngeren Gegenwartsliteratur, die dem Fantastischen und Fiktionalen die Treue halten, die imaginäre Welten erfinden anstatt die reale Welt bevorzugt autobiografisch nachzubilden. Außerdem ist Rammstedt ein talentierter Humorist. Für seinen Roman "Der Kaiser von China" erhielt er 2008 den Ingeborg-Bachmann-Preis, und schon in der Geschichte dieses Romans spielte ein skurriler Postverkehr eine entscheidende Rolle: Der schwer kranke Großvater des Erzählers wünscht sich eine Reise nach China, macht sie auch und schickt nun fast täglich Postkarten aus dem Reich der Mitte.

Tilman Rammstedts neuer Roman "Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters" besteht nun zu weiten Teilen aus Briefen, aus einer Korrespondenz, die nicht nur komisch, sondern vor allem einseitig ist. Denn der Adressat der Briefe ist der amerikanische Starschauspieler Bruce Willis und der schreibt nie zurück, so inständig ihn der der Absender auch um eine Antwort bittet. Bei diesem Absender handelt es sich um niemand anderen als einen deutschen Autor namens Tilman Rammstedt. Er hat eine Idee, ein dringendes Anliegen: Er möchte, dass Bruce Willis eine Rolle in seinem neuen Roman übernimmt. Der Roman heißt: "Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters". Literaturwissenschaftlich betrachtet hat es der Leser hier also mit einer Metafiktion zu tun, mit einem Roman im Roman, mit einem Literaturhybrid, wie die Romantiker Ludwig Tieck oder E.T.A. Hoffmann oder die postmodernen Klassiker Italo Calvino und Georges Perec schufen.

Hingebungsvoll beschreibt der Briefautor, worin die Rolle von Bruce Willis bestünde, welch sagenhafte Abenteuer der Hollywoodstar zu spielen hätte, wie sich diese zu einer Romangeschichte fügten, wenn er nur endlich einmal antworten würde. Aber Bruce Willis lässt nichts von sich hören. Bruce Willis hat augenscheinlich kein Interesse, in einem deutschen Roman einen Bankberater zu spielen, der einen Überfall auf die eigene Bank verübt, inklusive Schießerei und Geiselnahme. So sind die Briefe an Bruce Willis nicht mehr als eine Geschichte im Konjunktiv. Ein unerfüllter Wunschtraum, der zur melancholischen Gemütslage des fiktiven Erzählers passt. Denn Brief um Brief teilt er Mr. Willis mit, was ihn privat sonst noch so alles plagt: Eine mittelschwere Ehekrise, diverse körperliche Leiden hypochondrischer Natur, das Finanzamt, die Termine beim Psychiater, die Knirschschiene, die er nächtens tragen muss und nicht zuletzt der Abgabetermin seines Romanmanuskripts beim Verlag.

An spleenigen Ideen mangelt es Tilman Rammstedt in seinem neuen Roman so wenig wie am lakonischen Stil, der den Humor zur Geltung bringt. Und doch hat dieser Roman eine Schwachstelle: Er reiht Brief um Brief witzige Ideen, aber es fehlt ihm die Spannung dramaturgischer Entwicklung. Das Erzählprinzip der asymmetrischen Korrespondenz hat der Leser schnell verstanden und er ahnt, dass der Roman über den Witz dieser Asymmetrie nicht allzu weit hinaus reichen wird.

Besprochen von Ursula März

Tilman Rammstedt: Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters
Dumont Verlag 2012
160 Seiten, 18,99 Euro