Ein mitdenkender Theatermensch

28.03.2013
Wenn sich eine Frau so dem Theater verschrieben hat wie Karin Beier, kann man auch schon einmal eine Berufsbilanz der Mitte 40-Jährigen ziehen. Spiegelredakteur Wolfgang Höbel hat zwar vordergründig einen Lobgesang über die Intendantin des Kölner Schauspielhauses geschrieben, aber dafür einen unterhaltsamen.
Für die Bilanz eines Lebens im Theater ist es natürlich zu früh – Karin Beier ist im vorigen Dezember gerade 47 Jahre alt geworden. Aber sie befindet sich derzeit mitten im Karrieresprung – verlässt nach sechs Jahren das Kölner Schauspiel, um das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg zu übernehmen, das derzeit nicht nur eine technische Baustelle ist, sondern seit Jahren einen beispiellosen Niedergang erlebt hat. Der Spiegel-Redakteur Wolfgang Höbel hat nun ein kleines Porträt geschrieben, das Lust machen soll auf diesen Neubeginn.

Das Mädchen will zum Theater: in Köln aufgewachsen, rennt schon die ganz die junge Karin immer ins Theater und findet dort alles toll; als Anglistik-Studentin gründet sie eine eigene freie Theater-Gruppe, die gleich den kompletten Shakespeare aufführen soll. Bis zur Hybris sprüht die junge Frau vor Theater-Energie; in Düsseldorf unternimmt sie erste Profi-Schritte. Von Hannover und Bonn führt der Weg dann schon einmal ans Hamburger Schauspielhaus, wo in den 90er Jahren Frank Baumbauer Intendant ist; später beweist Beier ihr Talent vor allem in Wien.

Dort hätte sie bleiben können – doch die werdende Mutter erhält das Angebot, ab 2007 das übel beleumundete Schauspiel ihrer Heimatstadt zu übernehmen. Sie geht "nach Hause" und hat sofort Erfolg; enthusiastischer Jubel begleitet etwa ihre Jelinek-Inszenierungen mit Bezug zu lokalen Katastrophen wie dem Einsturz des Stadtarchivs. Schnell ist da vergessen, wie lange der Regisseurin Beier der Ruf anhing, die launigste Überfliegerin im jüngeren deutschen Theater zu sein. Lust am Spielen hatte und vermittelte sie Ensembles und Publikum – aber oft nicht viel mehr.

Höbel ignoriert die weit verbreitete Skepsis gegenüber Beiers ästhetischer "Handschrift". Er versteht sich als Propagandist. Das geht so weit, dass er eine der Qualitäten der Intendantin Beier nur streift – sie kam mit Kind nach Köln und installierte im Intendanz-Büro eine Spielecke; sie verkündete, dass bei ihr um 17 Uhr pünktlich Dienstschluss sei – damit Zeit bleibt fürs Kind. Dahinter steht eine Vision – Arbeit und Leben erkennbar zu trennen; das Private nicht auffressen zu lassen vom Theater.

Die zweite und wichtigste Qualität der Intendantin Beier wird dagegen ausführlich behandelt – wie sie sich und das Schauspiel positionierte im Polit-Streit um Abriss oder Neubau des Theaters. Da ging sie auf die Straße und in die politischen Gremien der Klüngelstadt Köln, und sie hielt Reden wie Mark Anton in Shakespeares "Julius Cäsar". Einige sind abgedruckt. Unterstützt von einer Bürger-Initiative und im Widerspruch zur Presse wie zum Opern-Intendanten Uwe Eric Laufenberg, gelang es Beier, den Abriss des Theaters zu verhindern.

Dieser Schwerpunkt in Höbels Buch rechtfertigt den Titel: "Den Aufstand proben". Wenn auch "Aufstand" viel zu groß klingt - "Einmischung üben" wäre besser. Beier hält sich nicht raus, sie mischt mit in der Politik. Sie ist keine Wutbürgerin, keine "Occupy-Aktivistin – nur ein mitdenkender Mensch, auch außerhalb des Theaters. Die gründliche ästhetische Würdigung des Beier-Stils steht zwar noch aus. Mit ihrer öffentlichen Haltung sticht sie aber aus dem Durchschnitt deutscher Führungskräfte heraus. Mit dieser Frau könnte ein Autor weiter kommen – Höbel genügt der Lobgesang.

Besprochen von Michael Laages

Karin Beier, Wolfgang Höbel: "Karin Beier – Den Aufstand proben. Ein Theaterbuch"
Verlag Kiepenheuer & Witsch
208 Seiten, 18,99 Euro


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