Ein Land "außerhalb der Zivilisation"?

Von Markus Bauer · 07.12.2012
Rumänische Intellektuelle sind alarmiert. Premierminister Victor Ponta wolle zurückkehren zu einer verstaubten Nationalkultur, glauben viele. Zum Beispiel wurde das Rumänische Kulturinstitut, vergleichbar mit dem deutschen Goethe-Institut, einer Senatskommission unterstellt.
"Ich schließe nicht aus, in einem gegebenen Moment diesen Weg des Exils zu wählen, ich schließe das nicht aus. Weil Rumänien in diesem Moment untergeht, nach meiner Meinung. Es ist ein Land, das sich am Rande des Abgrunds befindet, das nach meiner Ansicht bereit ist, sich außerhalb der Zivilisation zu stellen."

Der rumänische Schriftsteller Mircea Cărtărescu war sichtlich verbittert, als er sich in einer Talkshow des rumänschen Fernsehsenders "Realitatea TV" gegen die massiven Anfeindungen gegen seine Person zur Wehr setzte. Seit den politischen Turbulenzen um die gescheiterte Abwahl des rumänischen Präsidenten Traian Băsescu steht neben Cărtărescu insbesondere auch das Rumänische Kulturinstitut im Fokus politisch motivierten Angriffe.

Dessen früherer Leiter Patapievici sei lediglich ein intellektueller Erfüllungsgehilfe der Machtgelüste des Präsidenten Basescu gewesen, heißt es aus Reihen der regierenden Koalition des jungen Premierministers Victor Ponta. Das rennommierte Rumänische Kulturinstitut hat , ähnlich dem deutschen Goethe-Institut, die Aufgabe, rumänische Kunst, Literatur und Film im Ausland für den internationalen Austausch zu öffnen und zu fördern.

Nun wird der Vorwurf erhoben, das Kulturinstitut habe riesige Summen verschleudert, um den Schriftsteller Mircea Cărtărescu und andere bevorzugte Autoren durch zahlreiche Übersetzungen im Ausland künstlich zu einer Berühmtheit zu machen, während andere, viel bedeutendere Autoren am Hungertuch nagten. Tatsächlich richtet die Schmähkampagne gegen Cărtărescu wohl mehr gegen die kosmopolitische Ausrichtung der Kulturinstitute unter Patapevici.

Patapievici war im Sommer aus Protest zurückgetreten, nachdem Băsescus Gegner im Parlament das Kulturinstitut einer Senatskommission unterstellten und damit der parteipolitischen Einflussnahme Tür und Tor öffneten.

Nicht wenige Künstler und Intellektuelle befürchten, dass nach den Wahlen am 9. Dezember das Lager von Pontas Regierungskoalition auf dem Gebiet der Kulturpolitik eine Rückwendung zu verstaubten Vorstellungen von einer rumänischen Nationalkultur realisieren wolle. Eine fatale Entwicklung, warnt Cartarescu :

"Wir haben die Doppelstaatsbürgerschaft jetzt, denn wir sind zugleich Europäer und Rumänen. Wir können nicht Rumänen sein, wenn wir nicht Europäer sind. Wenn dieser ganze antieuropäische Prozess und gegen die Werte der Zivilisation weitergeht, können wir nicht weiter in Rumänien leben."

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