Ein Küchen-Psycho-Thriller

Von Ulrike Gondorf · 16.05.2012
Düster und geheimnisvoll - das Stück des Dramatikers und Drehbuchautors LaBute ist ein Enthüllungsdrama, das sich um Wahrheit und Lüge dreht. Regisseur Michael Lippold versieht es in seiner Aufführung in Bonn mit faustdicker Symbolik.
Dunkel ist es auf der Bühne, stockdunkel. Bis eine Kerze angeht. In ihrem flackernden Schein bewegt sich eine Frau durch ein Chaos aus Umzugskartons, Bücherstapeln, Kleiderbergen. Betty räumt ein Ferienhaus aus, das tief in einem dunklen Wald liegt. Draußen tobt ein Gewitter und drinnen ist der Strom ausgefallen. Betty wartet auf ihren Bruder Bobby, der ihr helfen soll beim Transport der Sachen.

Bobby ist LKW-Fahrer, Betty Dozentin am College. Aber es ist keineswegs nur sein Auto oder sein praktisches Geschick, was ihn für sie unentbehrlich macht. "Tief in einem dunklen Wald" ist ein Theaterstück von Neil LaBute. Was wir erwarten können, ist ein Enthüllungsdrama, das sich um Wahrheit und Lüge dreht - das wichtigste Thema des erfolgreichen Dramatikers, Drehbuchautors und Filmregisseurs, der auch in Deutschland viel gespielt wird. Das Theater Bonn, das in den letzten Jahren schon einige LaBute-Inszenierungen gezeigt hat, sicherte sich die deutschsprachige Erstaufführung und übertrug sie dem Regisseur Michael Lippold.

Schon der Text weckt Zweifel, ob es sich bei "Tief in einem dunklen Wald" um ein starkes Stück von LaBute handelt. Die Inszenierung verstärkt sie noch. Man muss schon eine Menge faustdicker Symbolik vertragen in diesem Text: der Wald als Labyrinth der Seele, der Umzug als Moment, in dem Tabula rasa gemacht wird. Und der Prozess der Wahrheitsfindung deckt auch viele Klischees auf, vom Ehebruch bis zum Mord, von der nymphomanischen Getriebenheit der Frau bis zu den inzestuösen Wünschen des Mannes.

Die Doppelbödigkeit, die quecksilbrig changierende Relativität der unterschiedlichen Grade von Aufrichtigkeit, die komplexen Gemengelagen der Gefühle, die den Prozess unbarmherzig vorantreiben – im Text kann man sie (vielleicht) vermuten: In der Inszenierung wird alles Geheimnisvolle platt gemacht. Es geht meist laut und aggressiv zu, spätestens in der Mitte des Krimis wird das Ende vorhersehbar.

Betty und Bobby bleiben in der Gestaltung durch Birte Schrein und Günter Alt eindimensional, gewinnen nicht das Format einer tragischen Hass-Liebe und überraschen nicht als unberechenbare Spieler, von denen mal die eine, mal der andere ein As aus dem Ärmel zieht.

Zu eindeutig und plakativ auch die Idee, den Schauspielmusiker als eine Art Wiedergänger des ermordeten Geliebten auf die Bühne zu bringen und ihn dort mit E-Gitarre, knisternden Plastiktüten und halb gefüllten Gläsern eine Horrorfilmmusik beisteuern zu lassen. In Bonn ist "Tief in einem dunklen Wald" ein Küchen-Psycho-Thriller. Ob es mehr ist, bleibt abzuwarten.
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