Ein Jahr mit Tim Renner

"Es ist ohne Zweifel ein harter Job!"

Berlins Kulturstaatssekretär Tim Renner verfolgt am 18.02.2015 in Berlin die Veranstaltung "Wie kann Olympia zu einer positiven Stadtentwicklung beitragen?" Die Senatskanzlei «Kulturelle Angelegenheiten» hatte zu der Veranstaltung geladen.
Tim Renner (SPD), Kulturstaatssekretär in Berlin © dpa / Foto: Paul Zinken
Claudia van Laak im Gespräch mit Christopher Ricke und Anke Schaefer · 28.04.2015
Seit den Zeiten von Klaus Wowereit betrachtet sich Berlin gerne als Kulturhauptstadt. Und Wowereit war es auch, der den Musikmanager Tim Renner zum neuen Kulturstaatssekretär machte. Nach einem Jahr fällt seine Bilanz eher durchwachsen aus.
Anke Schaefer: Frau van Laak, lassen sie uns mit dem Streit um die Castorf-Nachfolge anfangen. Da hat die Berliner Verwaltung, da hat Tim Renner ab 2017 den Kulturmanager Chris Dercon an die Spitze der Volksbühne gesetzt – das hat den alten Theaterplatzhirschen bundesweit eher nicht gefallen. Tim Renner aber hat sich mit dieser Entscheidung profiliert – hat er das tun müssen, weil er zuvor eher farblos erschien?
Claudia van Laak: Nein, ganz und gar nicht farblos. Stattdessen sehr unterhaltsam, da braucht man sich nur die Facebook-Seite von Tim Renner ansehen. Da pflegt er eine rebellische Attitüde, ist auch sehr selbstironisch – postet ein Foto seiner Staatssekretärs-Toilette zum Beispiel, wo die Fliesen gelb und braun sind.
Während des Theaterstreits mit Claus Peymann – der hat ihn ja massiv beschimpft, das ging schwer unter die Gürtellinie – da hat er sein Profilfoto auf Facebook mit dem Peymanns ersetzt. Also, es ist ein sehr erfrischender Politikstil, sehr kommunikativ, das loben viele in der Kulturszene. In der Verwaltung und im Senat kommt das aber nur bedingt gut an – Tim Renner hat da einen Paradiesvogel-Status. Ob ihm das nutzt, werden jetzt die nächsten Wochen und Monate zeigen, da geht es nämlich um harte Haushaltsverhandlungen, dabei werden ihm die Facebook-Spielereien nur wenig nutzen.
Christopher Ricke: Der Streit, der da ausgefochten wird, dreht sich immer wieder um die Frage, ob die Stadt zu sehr auf "Events" aus wäre. Tim Renner wurde vorgeworfen, er wolle aus der Volksbühne mit Chris Dercon einen "Event-Schuppen" machen. Tim Renner ist ja Musikmanager, also ein politischer Quereinsteiger – ist der Vorwurf an ihn berechtigt?
van Laak: Nein, ganz und gar nicht. Es ist eher hilfreich, dass er da nicht vorbelastet ist mit dieser deutschen Stadttheater-Tradition, um die uns ja einerseits viele Länder beneiden, die aber andererseits doch sehr beharrende und konservative Züge hat. Tim Renner kommt aus der freien Wirtschaft, guckt da anders drauf, auch auf das Thema Subventionen. Für ihn gibt es auch keinen Gegensatz von U- und E-Kultur – alles von Barenboim bis Berghain ist Kultur, sagt er ja gerne. Und mit diesem Konzept passt er auch gut in eine Stadt wie Berlin, die ja auch stark von der Freien Szene geprägt ist, von Künstlern aus der ganzen Welt, denen die Tradition des deutschen Stadttheaters eher fremd ist.
Schaefer: Wie Sie sagen, gibt es in Berlin auch eine große Freie Szene, die aber unter notorischem Geldmangel leidet. Der Etat für die Volksbühne soll erhöht werden, aber unklar ist noch, wo das Geld herkommen soll und ob es womöglich bei der Freien Szene abgeknapst wird. Hat Tim Renner im vergangenen Jahr genug für die Freie Szene getan?
van Laak: Jein. Der Haushalt war ja bereits beschlossen, als er ins Amt kam. Beim gerade beschlossenen Nachtragshaushalt war gar nichts drin für die Kultur. Aber Renner hat sich für die nächsten Haushaltsverhandlungen viel vorgenommen. Er will mehr Geld für die Freie Szene, er will auch das Fördersystem verändern, und er hat ein ganz wichtiges Thema in den Senat eingebracht: Die Freiräume für Künstler in der Stadt müssen erhalten bleiben; sie dürfen nicht verdrängt werden, an den Stadtrand oder auch ganz aus Berlin heraus, weil sie sich Wohnungen und Ateliers nicht mehr leisten können. Dieser Verdrängungsprozess ist ja schon in vollem Gange.
Ricke: Im Jahr 2017 wird einneuer Hauptstadtvertrag ausgehandelt – da geht es in Sachen Kultur um viel Geld, es geht um Förderstrukturen und um Kompetenzen. Im Moment macht der Bund viel Kulturpolitik für die Hauptstadt – Kulturstaatsministerin Monika Grütters agiert fast wie so eine Über-Kultursenatorin im Kanzleramt. Ein gutes Beispiel ist das Humboldt-Forum im Berliner Schloss. Wie ist Ihre Einschätzung?
van Laak: Da haben Tim Renner - Renner ist Staatssekretär - und Michael Müller - Regierender Bürgermeister und gleichzeitig Kultursenator - höchst unglücklich agiert. Es gab ein Konzept namens "Welt der Sprachen". Daran wird schon seit zwei Jahren gearbeitet, das wurde vor kurzem über den Haufen geworfen, ohne mit den Beteiligten darüber zu sprechen. Statt einer "Welt der Sprachen" soll es jetzt ein Stadtmuseum geben, von einigen schon als Heimatmuseum bespöttelt. Das hat auch den Bund irritiert, auch bei der Volksbühne gab es keine Absprachen mit der Kulturstaatsministerin Grütters. Da läuft noch einiges nicht rund.
Schaefer: Wie bilanziert Tim Renner denn selbst seine Arbeit? Er ist ja durchaus offener Mensch bekannt, ist er selbstkritisch oder einfach zufrieden mit seiner Arbeit?
van Laak: Gestern hatte ich Gelegenheit, mit ihm zu reden. Der Theaterstreit hat ihn schon mitgenommen, vor allem die persönlichen Angriffe dabei. Ich hatte aber auch den Eindruck, dass er in diesem einen Jahr auch viel aus der Politikersprache übernommen hat. Jedenfalls redet er nicht mehr so offen wie noch bei seinem Amtsantritt:
"Es ist ein Jahr im Steinbruch der Kultur. Es ist ohne Zweifel ein harter Job. Es gab natürlich in den letzten drei Wochen schon Momente, wo man dachte, was tu' ich mir da an, aber ich glaub, das übersteht man."
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