Ein intimer, intensiver Film

Von Bernd Sobolla · 02.09.2008
Bekannt wurde Andreas Dresen mit Filmen wie "Halbe Treppe" oder "Sommer vorm Balkon". Immer wieder gelingt es ihm darin, Aspekte des gesellschaftlichen Miteinanders zu thematisieren. In "Wolke 9" stellt er Liebe, Lust und Leidenschaft im Alter in den Mittelpunkt. Beim Filmfestital in Cannes gewann er den Preis "Coup de Coeur".
Szene aus dem Film: " Ach! Echt? / Ja. / Tatsächlich? / Ja. So ist es. Und… / Lachen. / Sage mal! / Lachen. / Na das ist ja…ne Nachricht. "

So richtig kann es Petra nicht fassen, dass sich ihre Mutter Inge verliebt hat. Denn erstens ist sie seit 30 Jahren mit Werner verheiratet. Und schon diese Dauer verbindet natürlich. Und zum zweiten hätte sie ihrer Mutter wohl schlicht nicht zugetraut, dass diese mit Ende 60 plötzlich Leidenschaft für einen neuen Mann entwickelt. Aber genau genommen ist Inge ja selbst über sich erstaunt.

Szene aus dem Film: " Ich habe ihn… / Mama! / Ich habe ihn also sofort irgendwie, da war irgendwas, Schmetterlinge im Bauch. / Aber, ich meine, das ist doch… / Mama! / Ich habe immer so, ich habe immer so eine Sehnsucht nach ihm. "

Es sind unter anderem diese Dialoge, die das so schwer zu Beschreibende ausdrücken: Indem die Protagonisten in gebrochenen Sätzen sprechen, nach Vergleichen tasten und dann doch fassungslos vor der eigenen Realität stehen, wirken sie so lebendig. Andreas Dresen hat seine Darsteller viel improvisieren lassen, ähnlich wie schon bei "Halbe Treppe". Und diese fast dokumentarische Herangehensweise macht den Film so authentisch.

Aber auch visuell überzeugt "Wolke 9". Denn Dresen zeigt kein blumiges, zurückhaltendes Verliebtsein, wie es das Fernsehen immer einschläfernd suggeriert, wenn es um Liebe im Alter geht. Sondern er inszeniert Nacktheit, Sex, Leidenschaft und Witz konsequent und kompromisslos.

Szene aus dem Film: " Weißt du eigentlich, wie 80-Jährige miteinander vögeln? / Was? / Sie macht einen Kopfstand, und er hängt ihn einfach oben rein. / Lachen. / Das ist gut. / Lustig! / Das ist lustig für die Zukunft. / Wie alt bist denn du eigentlich. / 76. / Lachen. Habe ich noch vier Jahre Zeit. "

Ursula Werner, die die Inge spielt, war fasziniert von ihrer Rolle und balanciert überzeugend zwischen Lebenslust und Schuldbewusstsein.

Ursula Werner: " Mir gefällt eigentlich diese Unabdingbarkeit, mit der sie dann letztendlich doch ihren Lebensanspruch stellt. Ich meine, sie quält sich ja auch. Sie will ja auch nichts, leichfertig irgendwas aufgeben für eine oberflächliche Empfindung. Sondern sie will auch von diesem Überfall, den die Liebe ihr plötzlich bereitete, möchte sie sich ja auch wieder entfernen."

Denn da ist ja auch noch Werner, ihr Mann, gespielt von Horst Rehberg. Ihn auf Dauer zu hintergehen kann und will Inge einfach nicht. Und so erzählt sie ihm alles.

Szene aus dem Film: " Weinen. / Es tut mir doch Leid. Das sage ich dir doch. / Heule mir hier nicht die Ohren voll! / Ich will ja gar nicht heulen. Aber es ist so traurig. Es ist doch nicht so, dass ich dich nicht mehr gern habe. Aber es ist einfach so, es ist einfach so gekommen."

"Wolke 9" ist ein kleiner, intimer, intensiver Film über das Hier und Heute, über Liebe und Leidenschaft, die wie eine Naturkatastrophe über eine ältere Frau hereinbrechen - mit allen Konsequenzen.
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