"Ein Geheimnis"

17.12.2008
Der kleine Francois malt sich in den 50er Jahren die Zeit des Kennenlernens seiner Eltern als Familienidyll aus und spricht mit einem imaginären Bruder. Mit 15 erfährt er, dass er einen realen Bruder hatte, der aber den Krieg zusammen mit seiner jüdischen Mutter nicht überlebt hat und seine Eltern tief verstrickt sind in Schuld und Verantwortung.
Frankreich 2007. Regie: Claude Miller. Darsteller: Cécile de France, Patrick Bruel, Ludivine Sagnier, Julie Dépardieu, Mathieu Amalric. 105 Minuten

In der Verfilmung des autobiografischen Familienromans von Philippe Grimbert gelingt es dem erfahrenen Regisseur Claude Miller, die komplexe Verflechtung verschiedener Zeit- und Reflexionsebenen auch im Film darzustellen. Denn hier erinnert sich der erwachsene Francois (Mathieu Amalric) an seine Kindheit und wie er schmerzhaft das Geheimnis seiner Familie ergründete.

Es ist die Sicht des Romanautors auf sein eigenes Leben und sie beginnt in den 50er Jahren auf einem Hinterhof in Paris, wo er als zartes, sensibles Kind Francois (Valentin Vigourt) voller Bewunderung für seine starken sportlichen Eltern sich die Zeit ihres Kennenlernens und seiner Geburt als lichtdurchflutetes Familienidyll ausmalte.

Nur der imaginierte Bruder, den er sich als Kompensation für seine eigene, in den Augen von Vater Maxime (Patrick Bruel) aber immer präsente Unzulänglichkeit erfand, stört. Und als er mit 15 Jahren erfährt, dass es diesen erfundenen Bruder wirklich gab, dass sein Vater damals, in den 30er Jahren mit einer anderen Frau verheiratet war und einen starken, sportlichen Sohn zeugte, sind wir am Kern des Geheimnisses, das eine Tragödie verbarg.

Hannah und ihr Sohn Simon haben den Holocaust nicht überlebt, wohl aber sein starker Vater, der den "Makel" der Geburt als Jude auch in den Zeiten der Verfolgung erfolgreich verbergen konnte, was dem Rest der großen jüdischen Familie aus Stolz auf ihre Herkunft nicht gelingen wollte. Das sind sehr komplexe Fragen von Schuld und Verantwortung, die in diesem mit abgründigen Charakteren ausgestatteten Familiendrama aufgeworfen und letztlich dem Zuschauer zur Beurteilung überantwortet werden.

Denn zum Geheimnis dieser Familie gehört auch eine große Liebesgeschichte, die schon am Tag der Hochzeit von Maxime und Hannah (Ludivine Sagnier) beginnt. Ein Blick und das Schicksal von Maxime und seiner bildschönen, blonden, athletischen Schwägerin Tania (Cécile de France) ist besiegelt. Sie werden später die neue Familie gründen, Gefühle von Schuld und Scham aber nie loswerden.

Insofern ist "Ein Geheimnis" ein sowohl höchst intimes, als auch gesellschaftlich relevantes Familienporträt, was sicher die Faszination des Romans ausmachte. In der Adaption werden die vielen Handlungs- und Erinnerungsstränge durchaus filmisch von einander abgesetzt und auch wieder verbunden, wobei die Gegenwartsebenen schwarz-weiß, die Vergangenheit jedoch in farbigen Bildern erzählt werden.

Trotzdem reißt beim Wechsel der Ebenen die emotionale Bindung des Zuschauers zu den Helden stets ab, was auf Dauer vor allem dem eigentlich wichtigsten Erzählstrang aus der Vergangenheit schadet. Er erscheint als ein Puzzle, wirkt nicht auserzählt und bleibt so leider trotz hervorragender Darsteller am blassesten.

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